Maskenkult und -theater aus Indien und dem Himalaya - Objekte des internationalen Maskenmuseums in Diedorf
Kali, erscheint:
Auf kleinen dafür aber umso schnelleren Stakkato-schritten – die Füße selbst kaum mehr zu sehen – scheint der Tänzer über den leeren Platz herein zu schweben. Flackernd vom hochlodernden Feuer beleuchtet im Dunkel der Nacht wölbt sich über diesen Beinen mächtig wie ein Panzerkoloss das weit ausladende Kostüm. Blitze zucken vom kunstvoll bestickten Stoff – Lichtreflexionen aus Hunderten von kleinen aufgenähten Spiegeln und Metall-pailetten. Wieder und wieder versetzt sich der Tänzer in wilde Drehung ,so dass sich das Kostüm wie eine Glocke aufbläht. Über und um den Körper schwingen dabei mindestens ein Dutzend wild fuchtelnder Arme und eine ekelhaft lange rote Zunge, die aus der hässlichen Fratze aus schwarz bemalter Papier-und Lehmmasse herauszubrechen scheint. Um den Hals baumeln und drehen sich nicht minder wild mit aus selbiger Papiermasse geformte Totenköpfe an langer Kette aufgereiht.
Dazu lässt der Maskierte, manchmal schrille, manchmal unheimlich laut wie Donner hervorgestossene Laute hören, die in der wilden wirr aufgeregten Musik ihren passenden Hintergrund finden.
Lange haben die dicht herum sitzenden Dorfbewohner, haben wir auf diesen Auftritt warten müssen. Wären wir von den Gastgebern nicht immer wieder zu den kleinen Köstlichkeiten aus bald scharf gewürzter bald zuckersüßer Verlockung und immer wieder neu gefüllten kleinen Teetassen eingeladen worden, dann lägen wir wohl schon wohlig zusammen gerollt und schlafend irgendwo in der Nähe des Feuers.
Kali, die wild gewalttätige Seite der großen Erdmutter, die ja quer über den Erdball wohl als erste Göttin , als Schöpferin, weit vor den patriarchalischen männlichen Schöpferdespoten verehrt wurde, ist in all den alten Kulten noch die wichtigste Maskenfigur. Männermordend (mit den Totenschädeln als Kette) wird sie trotz dem Triumvirat der mächtigen männlichen Götter im Hoch- hinduismus:( 1. Shiva, dem Zerstörer und Neu-schöpfer aus dem angerichteten Chaos, 2. Brahman, dem Weisen, der sich längst aus seiner ursprünglichen Schöpferrolle zurück gezogen hat, und Wishnu , dem immer wieder (z.B. als Krishna, Buddha, Christus) in die Welt hineingeborenen Erlösergott) in fast allen Stammesgesellschaften in Allianz mit ihrer guten mütterlichen Seite Durga besonders verehrt.
Um die Götter an ihre Pflichten und ihre Rolle im Jahres- und Lebensablauf zu erinnern, werden an unterschiedlichen Orten Indiens mit unterschiedlichen Maskenkostümen vor Allem der Kampf des Prinzen Rama mithilfe der Affen und ihres Fürsten Hanuman gegen das Dämonenheer (Ramayana), wie auch die Geschichte Krishnas (Mahabaratha) erzählt. Regional finden sich aus älteren Stammeskulten, aber eher selten, auch noch Masken anderer Gottheiten und Helden, die im Hinduismus dann meist nur als andere Erscheinungsform der bekannten Figuren angesehen werden.
Im Wesentlichen unterscheiden sich die Maskenaufführungen in den folgenden Gebieten:
1. Sri Lanka (Ceylon), die vorgelagerte Insel, mit 1. den Masken zum Exorzismus von Krankheiten (Kolam) , 2. relativ wenigen großen Masken der Mahabarathalegende und 3. einem von muslimischem Dorfleben und Seefahrt geprägten Volkstheater
2. Die Inselwelt der Adamanen und Nikobaren mit ganz einfachen fast lieblos gestalteten Masken aus Baumrinde, Haut und Tuchresten.
3. Der Bundesstaat Kerala mit der Maskenhochburg Cochin und den Kostümen des Kathakali-theaters. Die „Masken“ der Krishnattam-legende (Mahabaratha) sind kunstvoll bemalte Gesichter mit vorspringenden und aufgesetzten Gesichtspartien aus Pappmache oder leichtem Holz und werden durch aufwändig gearbeiteten Kopfputz aus dünnen Bambusstreifen, Palmblättern, Stoff und Papier erweitert. Man kann bei verschiedenen Theaterensembles auch backstage vor der Aufführung das fast noch wesentlich interessantere Schminken mit erleben.
4. Im Bundesstaat Karnataka, im Süden an der Grenze zu Kerala, verändern sich die Kathakali-gesichtsschminkungen zu großen, abstrakt anmutenden Maskengebilden aus Naturmaterialien und Spiegeln (Kolam-masken). Die Geisterwesen des Bodhikultes haben eigene Tanzvorgaben im Kult, sind aber mit hinduistischen Göttern synonym. Ähnliches gilt für die aus Holz geschnitzten helmartigen großen Masken in Goa und Nord-Karnathaka
5. In Utar-Pradesh (Mathura) und entlang des Ganges von Chitrakut bis Varanasi finden alljährlich die großen Maskentheater mit Pappmascheemasken von Göttern und Helden der beiden großen Geschichtensammlungen Ramayana (Ramaleela) und Mahabaratha statt.
6. Bei den Naturvölkern in Bastar (Chattisgarh) finden sich wenige primitive Stammesmasken, in Orissa (Bubaneshwar) hat das Mahabharata-spiel kleine eckige Holzmasken von Krishna, seinen Fürsten, und verschiedenen Tieren wie dem Tiger. In Puri sieht man diese Tiermasken auch als Pappmascheemasken mit beweglichem Unterkiefer neben den aufwändig geschmückten Papier-Masken des Ramayana beim Sahi Jatra-fest. Dort zeigt sich der gute Dämon Narasimha als Beschützer der Menschen und Tiere. Lord Jaganathh und seine zwei Geschwister sind als völlig abstrahierte Pappmascheefiguren und flache Masken in Puri überall zu bekommen.
7. In Westbengalen tragen die eigentlich recht kleinen Pappmascheemasken des dort so genannten Chhau-theaters (Mahabaratha) riesige Auf- und Anbauten aus Papier, Leder,- Bambus- und Palmblattstreifen. Die zentralen Gebiete der Maskenfeste sind um Purulia und Seraikela herum.
8. In Andhra Pradesh und Assam im Tal des Bramaputra, der hier aus Tibet herunter fließt, finden sich riesengroße Pappmaschee-maskenfiguren im Kuchipudi theater mit der Figur des Dämons Narasimha, von Helden und phantasievoll gestalteten riesigen Tieren. Einige der dortigen Maskenfiguren aus der Narasimha-Mythe (Dämon) gingen mit den ziehenden Theatergruppen auch nach Orisha und Tamil Nadu (Bhagavat Mela Natakam)
9. Im Terai , im tiefliegenden Grenzgebiet zu Nepal, nördlich von New Delhi werden bunt bemalte formreduzierte Holzmasken von Tier-, Geistwesen und Göttern hergestellt.
10. Das Berggebiet Nepals hat unbemalte dunkle sehr primitiv wirkende schamanistische Masken verschiedener Geistwesen bei den Stämmen, der Sherdukpen, Mompa usw.
11. In Kashmir finden jährlich Aufführungen mit dem dionysisch anmutenden Helden und Hirten Sikargah und seinen 3 Hirschen ,die er vor dem Tiger bewahren muss, statt. Die Tiermasken haben ein Klappkiefer, das an die Form der europäischen „Habergeiss“ erinnert.
12. Rajasthan hat ausser den dort sehr geläufigen Schutzmasken des Dämons Narasimha mit heraushängender Zunge, der als Plakat oder Tonmaske die Wände ziert, keine Masken. Das Ramayana wird mit Marionetten und Stabpuppen gespielt.
In Gujarat, im Lande Sint und der Wüste Thar tragen die Frauen der Banjara (die noch dort lebenden Verwandten der Sinti) Kleidung und verschleiernde Gesichtsmasken mit Spiegelscherben und vielfältigen stickereien.
13. Bhutan, Sikkim, Tibet und die Mongolei haben Tiermasken aus alten schamanistischen und totemistischen ritualen der Bön-religion übernommen und lassen sie als Beschützermasken und unterjochte Dämonen in den lamaistischen Tscham-tänzen auftreten. Bei einem mehrtägigen Fest treten diese Tiermasken zusammen mit dem Herrn des Leichenackers und Mönchsmasken auf. In Bhutan sind diese Masken ganz aus dünnem Holz geschnitzt . In Tibet und der Mongolei findet man dafür Yakleder und verleimtes Tuch bzw, Papiermaschee. Auch in Nepal werden zu Hauf Masken aus dem lamaistischen Maskenspiel derb für den Tourismus nach geschnitzt. Diese erkennt man bestens an einem etwa 1-Zentimeter großen runden roten Wachssiegel, welches zur Erlaubnis der Ausfuhr von der Antiquitätenbehörde eingestempelt wird, um den billigen Ramsch trotz Ausfuhrverbot für echte religiöse Kunst auf den ausländischen Markt durch zu lassen.
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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