Im Schatten des Eifelturms: Vom Fremden und vom Wohlvertrauten – Völkerkunde und mehr im Musee du Quay Branli in Paris

Authentische Stücke, moderne Architektur, mystisches Licht
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Vom Fremden und vom Wohlvertrauten

„ Gehen sie auch zum Eiffelturm heute?“ fragt uns die Zeltnachbarin, die mit ihrer Tochter zusammen mit uns in den Zubringerbus vom Camping Indigo, Bois de Bologne zur Port Maillot, der Metrostation, einsteigt. „ Meine Tochter freut sich schon seit Wochen auf dieses Erlebnis“.
Unverständnis schlägt uns entgegen, als sie hört, dass wir schon oft in Paris waren, auch direkt mit den beiden dort hin laufen werden, es aber von der Zeitplanung mit dem langen Schlange stehen noch nie geschafft haben, dort hinauf zu fahren und heute dort nur in ein Museum wollen, das wir schon lange auf dem Plan haben. „??“ „Das Musee du Quay Brainley, das neue Völkerkundemuseum in Paris, das durch seine besondere Architektur, der interessanten Ausstellungskonzeption und seinen vielen Überraschungseffekten, das zieht uns magisch an“.
Es lässt uns diesesmal die lange Strecke mit dem Campingbus, die endlosen Staus auf der „Peripherique“, der ringförmigen Stadtautobahn, und das Aprilwetter auf dem Campingplatz im September ohne Murren ertragen. 30 Euro und ein paar „Zerquetschte“, je nach Saison, kostet das Übernachtungspaket pro Tag für eine Familie auf einem außergewöhnlich sauberen und großzügig neugestalteten Platz. Die perfekten Duschräume sind sogar beheizt und wer kein Zelt dabei hat, kann eines der neuen Holzhäuser oder einen voll eingerichteten Trapperwagen für wenige Euro bekommen. Früher konnte man sich bei der An- und Abreise im Liegewagen der Bahn zwei Übernachtungen sparen, heute bringen einen die Fernbusse auch für 36 Euro im zurückklappbaren Sitz schneller nach Paris, als es unser alter Bus geschafft hat: 9 Stunden.
Wir kaufen den Eiffelturm. Gleich dreimal für 1 Euro, buntes Plastik für die Nichten und Neffen. Beim fliegenden Händler aus Afrika direkt unter der Sehenswürdigkeit. Ein Stück weiter weg hätten wir 5 dieser Teile made in China für den selben Preis bekommen. Die Ferne Welt für kleines Geld. Kein Mensch würde sich heute mehr wundern, von wie weit her diese kleinen Massenproduktionen containerweise herangeschifft wurden. Keiner kann sich vorstellen, bei welch schlechten Lichtverhältnissen, unter welcher Belastung der Lungen durch chemische Stoffe Kinder und Frauen die Augen tiefgesenkt und gebückt an den Fertigungsautomaten sehen. Der Händler hier kommt aus Somalia. Aber denken wir jetzt lieber gleich wieder an etwas anderes: Unter dem legendären Turm in Paris glänzen andere Kinderaugen über das Besondere, weil so Bekannte. Kein Prospekt über das Reisen in dem dieses Wahrzeichen nicht mindestens einmal abgelichtet wäre. Gezähmte Fremde, abgöttisch geliebt, schaudernd ersehnt, weil jedermann ihn kennt und Kind teil hat, gemeinsames Teil wird an der großen weiten Welt.
Die schlummert für uns gleich um die Ecke, zwei Häuserblocks weiter, erwacht für jeden der neugierig auf wirklich Neues ist. Ein großer Teil der für viele von uns noch unbekannten Welt ist Regenwald und der hat sich an der Fassade des Völkerkundemuseums in Paris die Architektur zurückgeholt. Gleich neben einer Hausreihe gepflegt klassizistischer Gebäude, dampft beim leichten Nieselregen, der uns heute immer wieder überrascht, ein grüner Teppich aus fremd wirkenden Dschungelpflanzen die Museumsfassade hinauf. Man fühlt sich an Angkor Wat in Kabodija erinnert.
Bahnbrechend neu das Nebeneinander, die Durchdringung von grüner (gepflegter) Wildnis im frei zugänglichen Park und rotbraunen Architekturformen, die wie gewaltige Sandsteinformationen in unregelmässigen Stufen über dem Grün hinauf ragen. Wir waren zu früh dran(11 Uhr wird geöffnet, dann hat man aber bis 19 Uhr auch immer noch genug Zeit), eine kleine Schlange an anstehenden Besuchern umringt das zentrale Foyer spiegelt sich im rechten Winkel liegend an der schräg gestuften Glasfassade , die dort beim Anstehen Schutz vor Regen und Wetter bietet. Um 12 Uhr wird es richtig voll – so viele Besucher heutzutage noch in einem Museum – kaum zu glauben, aber aus der Besonderheit des Museumskonzeptes leicht zu erklären - Paris` schönstes und spannendstes Museum! Glücklicherweise ergänzen sich großzügig weite und leere Bereiche mit kompakt bestückten kleineren Raumecken, wo man das Gefühl hat, mit den Ausstellungsstücken fast familiär und vertraut zu werden. Viele interessant gesetzte Glasscheiben lassen genug authentische Objekte zum Greifen nah, bleiben damit sowohl Panoptikum wie Wunderkabinett. Das Konzept lässt dabei den Objekten dabei aber auch genug Platz, entrückt sie hinter den spiegelnden Glasflächen aber dann plötzlich wieder und lässt sie facettiert mit anderen Besuchern in Beziehung treten. Eine faszinierende Welt des Fremden, das gleichzeitig an anderer Stelle wieder so vertraut wird. Die große Wirkung liegt in der direkten Ausdruckskraft „echten“, realen Ausstellungsmaterials, nicht wie heutzutage leider immer häufiger nur aus einem Konglomerat von Bildschirmen und medialen Interaktionsspielen.

Bürgerreporter:in:

Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf

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