Sieg über Kerberos
Zu einer Plastik von Andreas Heise im Haus der Kulturen Diedorf
Abgrundtief böse fletscht er die Zähne, giftig grüner Schleim tropft aus den Lefzen des vordersten Kopfes, während die anderen beiden mit blutunterlaufen großen glühenden Augen noch auf ihren Einsatz warten. Komm nicht näher Reisender, Du näherst Dich dem Zugang zur Unterwelt, von den Griechen irgendwo im Südwesten des griechischen Festlandes (Nekromanteion von Acheron) beheimatet, wo übler schwefliger Geruch aus den Ritzen der Steine dringt, wo nicht viel weiter Pythia über den stinkenden Dämpfen sitzend in Delphi die Zukunft sagt. Wütend schnappt der knochenbrechend bezahnte Schädel mehrfach und unvermittelt nach jeder Seite, aus der er vermeintliche Angriffe erwartet. Geh, Reisender, geh, noch ist Deine Zeit nicht gekommen, Dein Ende noch nicht ausgelost.
Im tiefen Dunkel des unterirdischen Fetischhauses im Nordwesten der Elfenbeinküste an der Grenze zu Mali stinkt es gewaltig, Tierkadaver verwesen, darüber der süssliche Geruch von Opferblut, teerigem Rauch und der Schärfe von vergossenem Gin. Decken und Wände sind von Feuer und Blut geschwärzt, ich kann mich kaum orientieren, mehrfach ramme ich mir den Kopf an den tiefhängenden Deckenbalken. Stickige extreme Schwüle treibt mir den Schweiss aus allen Poren. Weit hinten liegt neben anderen kleineren Figuren und unbekannten Geräten der Fetisch in Gestalt eines stark bezahnten drachenähnlichen Tierkopfes.
Derb aus Holz geschnitzt, wohl auch schon mehrfach mit denselben ekelerregenden Substanzen beopfert, deren Anwesenheit man an Wänden und am alles Andere so stechend übertönenden Geruch erahnen kann. Tierhörner und unterschiedlichste Fellstücke sind überall auf den Schädel montiert. Unter - wie Oberkiefer, die sich gegeneinander bewegen lassen, mit kleinen und großen Tierzähnen und spitzen Blechteilen bestückt. Mir graust gewaltig.
Entschlossen zieht mein Begleiter irgendwo aus dem Dunkel der Umgebung ein raschelndes Etwas, das sich erst später im Licht des sonnigen Tages als eine der schwarzen französischen Plastiktüten entpuppt, die überall in Afrika achtlos weg geworfen durch die Landschaft flattern. Für die Herstellung und das Aufbewahren der Fetische und Masken sind in Afrika die Schmiede zuständig.Sie müssen außerhalb der strohbedeckten Hütten leben und beherrschen mit Ihrer Magie des Feuers auch das Ausbrennen von Wunden. Man hat gewaltigen Respekt vor Ihnen. “ Est ce, que s que vous cherchez pour votre musee?/ Oui!“ Schnell wandert der Fetisch in die Tüte und der Geldschein verschwindet irgendwo zwischen den Falten des reichlich bemessenen Boubou. Erleichtert atme ich draussen auf, das drinnen war doch die Hölle.
Zurück in Deutschland nach einigen Nächten im Gefrierschrank gut in weiteren stabileren Plastiktüten verpackt und eingehender Kontrolle nach Schabeneiern hat dieser „abgeschlagene“ Kopf des höllischen Kerberos im Sonnenlicht all seine Furchtbarkeit verloren.
„ Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ nennt Francesco Goya eine seiner mysteriös dunklen Radierungen.
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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