Ein Krokodil mit mehreren Köpfen: Sprichworte vermitteln politische Weisheiten in Westafrika
Beim Rücktransport unserer Sammlung von „Schmuck der Naturvölker“ aus dem Pfahlbaumuseum von Pestenacker in unser heimatliches Haus der Kulturen in Diedorf fiel mein Blick wieder einmal auf ein seltsames Stück aus stark patiniertes Gelbmetall.
Dargestellt ein Krokodil mit mehreren Köpfen. Diese Schmuckstücke der Gan im westafrikanischen Staat stellen meist Sprichwörter und Lebensweisheiten bildhaft dar. Die Gan, die von der südlichen Küste Ghanas in Westafrika vor Jahrhunderten hierher in den Norden aus gewandert waren, sind die eigentlichen Namensgeber des Staates Ghana .
Die Beziehung des Volkes zu seinen Herrschern , die sich Könige nannten, wohl aber in der Bedeutung wohl eher in der Funktion des Dorfobersten standen, war etwas ganz Besonderes:
Die gottgeweihten Adligen konnten bei mehrfachem Versagen durch Volksentscheid mit Ritualmord aus dem Amt entfernt werden. Damit war der Fehler beseitigt und alles vergeben und vergessen.
Ein neuer König wurde von den Ältesten bestimmt.
Der ermordete König wurde im Anschluß daran wiederum mit allem Pomp und in allen Ehren neben den bereits länger begrabenen alten Königen und Königinnen in großen steinbefestigten Erdbauten bei gesetzt. Auch heute noch kommt das Volk in regelmäßigem Zeitabstand und zu besonderen Begebenheiten, um den königlichen Ahnen zu huldigen.
In Afrika gab es über Jahrtausende keine eigene Schrift und alles Wissen über Geschichte, Dorfgesetze, Religion und menschliche Eigenarten wurden mündlich weiter erzählt und erhalten. Um die Erinnerung an die Mythen und Weisheiten im Kern fest zu halten, gab es im Wesentlichen größere Erinnerungs-Figuren in Holz , kleinere Gelbguss figürchen, die dann auch als Gewichtssteine zum Goldabwiegen, verwendet wurden und Bildteppiche aus applizierten Stoffen.
Die eigentlichen Wissensträger und Erzähler waren aber die Ältesten und Adligen des Dorfes, die auch unter Anwendung dieses mythischen Wissens politische und Rechtsentscheidungen, zum Beispiel auch den Auftrag zum Königsmord , zu treffen hatten. Das waren wirklich weise Männer. Nicht umsonst sagte schon Abdullaye Dioup, der erste Staatsgründer nach den Jahrzenten der Kolonialherrschaft im Senegal:
Wenn ein alter Mann in Afrika stirbt, dann ist es, als ob (eben wegen des Fehlens schriftlicher Aufzeichnungen) eine ganze Bibliothek in Flammen auf gegangen wäre.
Meist waren es ja kleine Weisheiten, die den Weg für große gesellschaftliche Ereignisse anlegen mußten.
Dieses kleines Schmuckstück, nur ein kleines Kunstwerk:
"Krokodil mit mehreren Köpfen" enthält folgendes aus dem Leben genommene Sprichwort:
„ Ein Krokodil, dessen Köpfe wild und unüberlegt nur aus sich selber heraus handeln, schadet durch gierig gefressene Steine, Astwerk und verdorbenes Fleisch immer dem gemeinsamen Bauch ( der Gemeinschaft).
Krokodile sind in der Gruppe beutegierig und blindwütend. Ohne Rücksicht aufeinander, beissen sie mit Ihren großen Kiefern links und rechts um sich, wenn Beute ans Wasser gekommen ist. Nur eines oder nur wenige kommen der Beute nah, trotzdem schnappen alle fasr gleichzeitig wie wild , so daß manche sich sogar in Äste und Steine verbeissen.. Diese verschluckten Gegenstände sind nicht nur sehr hinderlich, sie können unter Umständen auch zum Tod führen.
Nun heisst es: Eine Dorfgemeinschaft wird von wichtigen alten und starken Männern (und sicher auch Frauen) ernährt und geführt. Manche sind zu unüberlegt und schaden in ihrer ungestümen Art der Gemeinschaft mehr, als daß sie nutzen.
Bürgerreporter:in:Haus der Kulturen michael stöhr aus Diedorf |
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