Der doppelte Blick. Zwei Perspektiven der Maske: von hinten? von vorn?
Was ist eine Maske ?
Ein grundsätzliches Paradoxon oder ein Ding, dessen Sinn sich aus den unterschiedlichsten Verwendungsformen erklären kann?
Immer wieder wurde von vielen klugen Leuten schon seit der ersten bewußten Verwendung von Masken im griechischen Theater und seit den Anfängen der Philosophie über den Begriff der Maske nachgedacht. Was ist denn dieses seltsame Objekt überhaupt, was stellt es dar, was bedeutet es? Natürlich läßt sich diese Frage auf allen möglichen philosophischen, gesellschaftlichen , geschichtlichen, völkerkundlichen und anderen Ebenen immer wieder anders beantworten.
Die Maske, das Ding mit verschiedenen Seiten
Sieht man nun die Maske aber zunächst ganz realistisch und mit nüchternen materiellen Augen, dann wird man dieses Objekt zunächst mal in die Hand nehmen, es aus verschiedenen Perspektiven anschauen, um es begreifen und verstehen zu können. Dann legt man sie in greifbarer Nähe vor sich hin.
Will man sich auf möglichst wenige Perspektiven festlegen, dann scheint dieses Ding mit den drei klassischen Zeichenansichten, nämlich Draufsicht (von Vorn), Seitenansicht (Profil) und Blick von oben (von der Stirn her) durchaus konstruierbar.
Wägt man nun aber ab, ob man der Maske in ihrem Wesen tatsächlich nahe gekommen ist, so wird man schnell herausfinden, daß damit ja nur immer die Sicht eines Zuschauers wiedergegeben wird. Also der Blick von außen in mehreren Varianten. Viel gegensätzlicher als die Unterschiede dieser 3 Variationen sind aber doch gerade die grundsätzlich verschiedene Perspektiven eben einmal von außen auf die Maske als Zuschauer und dann aber eben noch unverzichtbar der Blick aus der Maske heraus als Blick des Schauspielers selber. Beide Positionen kann man aber nie gleichzeitig einnehmen. Entweder davor oder dahinter,- der große scheinbar unlösbare Widerspruch, eben die Paradoxie der Maske.
Das Erlebnis dieser Gegensätzlichkeit scheint sich nun auch in der Verwendung der Maske zu bestätigen.
So zeigt sich dann ja einmal die Ansicht von vorn als die Ansicht eines Gesichtes, das meist in besonderem Maße emotional übersteigerten Ausdruck vermittelt und die dargestellte Person extrovertiert und deutlich dem Betrachter vermittelt.
Dreht man dann die Maske herum, so wird man von der jetzt dargebotenen glatten hölzernen Innenseite plötzlich, je näher die Maske vor und damit an das Gesicht rückt, eingefangen und in beträchtlichem Maße des Blickes nach draußen und damit des Kontaktes zur Außenwelt beraubt. Man ist gefangen, aber gleichzeitig auch vor der Außenwelt beschützt. Man ist introvertiert auf sich selbst zurückgeworfen und kann damit den Blick eigentlich nur mehr auf die eigenen Vorstellungen von Welt werfen. Selbst beim Maskenlauf hinter der Maske muß man sich über den kleinen Sichtkontakt zur Außenwelt über die Augenschlitze hinaus vermehrt auf die eigenen Vermutungen und Vorstellungen von der Beschaffenheit des Weges verlassen. Diesen Weg, den man gerade geht, kann man wegen des stark eingeschränkten Sichtfeldes der Maske ja gar nicht sehen kann.
Aus dieser Beschreibung der Maske, als ein Objekt mit zwei Ansichten, kann man vereinfachend auch den Sinn, die Funktionen der Maske schon bestimmen.
Ist es die Maske, die etwas ausdrücken und zur Darstellung bringen soll, so ist die Maske des Schauspielers, der über die Maske mit dem Publikum kommuniziert. Ihr Zweck ist extrovertiert , nach außen auf den Betrachter gerichtet.
Ist es dagegen die Maske, hinter der man verborgen und geschützt ist, so ist ihre Funktion introvertiert, vom Betrachter weg und eher in sich selbst hinein gerichtet. Dabei ist die Maske im Wesentlichen Schutzmaske vor dem jeweiligen Gegenüber.
Lassen Sie uns ein wenig konkreter auf einige Maskentypen schauen und uns überlegen, ob uns dabei diese strikte Trennung zwischen Schauspielermaske( extrovertiert) und Schutzmaske noch schlüssig gelingen mag:
Betrachten wir diese Maske aus dem japanischen Nohtheater, den Maskentypus Hannyah. Sie stellt eine in Rage geratene Ehefrau dar, die wie vom Teufel geleitet wird.
Natürlich eine typische Schauspielermaske, eine Maske , die eine Rolle verdeutlichen soll, diese Frau extrovertiert vormachen soll.
Eine typische Rollenmaske also, die auch zwischen den anderen Masken im Spiel genau in Mittelposition einordenbar ist. Steht auf der einen Seite noch die schöne ausgeglichene junge Frau: Ko-omote, so ist der destilierte Gegenpart eben der Dämon mit den Teufelshörner. Aus beiden Rollentypen gut zusammengemischt: Hannya. das geht so auf. Sie ist also eine typische Maske der Extrovertierheit.
Als typische Schutzmaske liese sich die Schweißermaske oder eine Fechtermaske ansehen. Hier wird der Wert nicht auf den Ausdruck, sondern ganz auf die Schutzfunktion gegen UV-licht oder Degenhiebe gelegt. Das vorgelegte Gesicht der Maske ist jedoch völlig ohne Aussage.
Gleichermaßen liegt der Sinnbei den Initiationsmasken nur darin, den jungen Mann, der gerade seiner Kinderhaut entschlüpft ist, durch das Schutzkostüm vor den Urwalddämonen zu schützen. Wenn gleich der Initiand eine möglichst schöne individuelle Bekleidung bekommen will, der Ausdruck ist unwichtig.
Etwas anders liegt da schon der Sinn beim Samurai-helm wie auch bei der Hokeymaske mit Pantherbemalung. Beide wollen auch noch nach aussen wirksam sein, Sie wollen Schreck erzeugen.
Die Maske, der getrübte Blick
Ein kleiner philosophischer Exkurs in Vorstellung und Schein
Nachdem wir so ordentlich vom Realen, vom Sichtbaren gekommen sind, lassen Sie uns doch ein wenig ins Philosophische abrutschen, um über dieses Ding, eben die Maske zwischen Ihnen und mir, ein bißchen weiter nachzudenken.
Der Name für Maske beim griechischen Theater war Prosopon, gleichzeitig aber auch der Name für das Gesicht.
Das heißt es wurde hier genau genommen kein Unterschied gemacht
Prosopon bedeutet enthymologisch in seine Bestandteile zerlegt: Pros = vor und Ops = Licht (so wie in Optik). Hier läßt sich das Höhlengleichnis von Platon zu Rate ziehen: Bei ihm sitzen die Menschen, die die Frage nach dem Sein der Dinge stellen, am Ende einer Höhle mit dem Gesicht dem Höhleneingang abgewandt. Diener tragen vor dem beleuchteten Eingang verschiedene Dinge vorbei, deren Schatten auf die Höhlenwand vor den Probanden geworfen wird. Gleichzeitig erfahren sie den Namen des Dinges, das sie als Schatten sehen. Trotzdem wissen sie nichts von der wirklichen Welt:
Das Gesicht ( und die Maske) trennen das Ich wie ein verfälschender Filter von der Aussenwelt ab.
Weder ist es möglich, aus den eigenen Vorstellungen heraus richtige Erkenntnisse über die echte Welt im Licht zu gewinnen , noch - und so müßte man dann auch weiterdenken - ist es für einen Außenstehenden möglich, ins Innere eines anderen Menschen zu schauen..
Ist das Gesicht wirklich so etwas wie eine Maske, zeigt man also sein Gesicht quasi täuschend und verstellt wie hinter einer Maske, dann kommt man aus dem antiken Verständnis der Maske auch auf einen wichtigen Teil der heutigen Bedeutung. Damit übernimmt man aber auch einen wohl eher etwas verzweifelten Ansatz in der Erkenntnistheorie, den man dann auch bis auf: “ Ich weiß, daß ich (eh) nichts weiß“ oder sogar weiter bis: „alles hat sowieso keinen erkennbaren Sinn „ weiterspinnen könnte. Geht das hier nicht in die Richtung: retrovertiert ,frustriert schutzsuchend in sich selbst zurückgezogen? Sind das nicht schon wieder Schutzmasken, von denen die alten Griechen hier sprachen?
Ganz anders war das Verständnis der Römer für Maske, die bei Ihnen durch den Begriff Persona wiedergegeben wird und damit die Maske des Schauspielers als Teil der Persönlichkeit, als Ausdrucksform des persönlichen Charakters meint. War man früher der plausibel anmutenden Meinung, Persona käme von per-sonare von hin-durch-tönen, also von der Schall verstärkenden Wirkung der Maske im griechischen Amphitheater, so scheint es momentan viel weniger dramatisch vom etruskischen Gott Persu ( dem Dionysos der griechischen Götterwelt) zu dessen Feiern Maskenspiele veranstaltet wurden, abgeleitet. Persona war also die Rolle, die der Schauspieler spielen sollte. Sich öffentlich in Szene zu setzen, seine Rolle überzeugend( gerne mit Ellbogen aber sicher nicht zwingend existentiell ehrlich) als gesellschaftliche Aufgabe zu sehen , läßt uns daran denken, daß die Römer eben doch viel mehr Realpolitiker waren, als auf der geistigen Suche nach einer Utopie.
Eine gute überzeugende , vielleicht auch überlegt stichelnde Rede vor dem Senat, war das nicht eine hervorragende schauspielerische Leistung? Gerade hier scheint natürlich auch unsere Politik gelernt zu haben. Hat man mit überzeugt anmutendem Auftreten in der vorhergehenden Koalition für den einen Koalitionspartner und seine Ziele Stellung genommen und mit scharfen Worten die Ziele der Opposition angegriffen, so werden mit der Opposition als künftigem Partner in der nächsten Legislaturperiode genau um 180 Grad gedreht bisher verfemte Ziele zum gemeinsamen Koalitionsziel und umgekehrt. Masken als Falschgesichter, nicht nur extrovertiert sondern außergewöhnlich offensiv gerichtet ,quasi als Angriffswaffen sind aus der heutigen Politik nicht weg zu denken.
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.