Doch Pan lebt in den Jungen weiter? (Vom Ursprung des Krampuslaufens)
Schnee ist gefallen und die Nachmittage sind längst von Dämmerung erfüllt. Die Natur hat sich zum Schlaf gelegt in den Tälern des Balkan. Laubbäume strecken in den Niederungen ihre kahlen Äste anklagend voll Trauer gegen den Himmel.
Der große Pan ist tot. Der bocksbeinige und gehörnte Lieblingsschüler des altehrwürdigen Gottes Dionysos hat sich zum Schlafen gelegt. Das Polster aus Laub, die Decke aus Schnee wird seine Konturen verblassen lassen. Nichts wird im Frühjahr nach der Schneeschmelze von ihm künden.
Die Ziegen, die den Winter über zum Schutz vor den Wölfen in den Behausungen der Menschen überwintert haben, werden kleine Zicklein bekommen und an einem werden die Seher die Zeichen des Pan wieder erkennen .
Pan lebt in den Jungen weiter.
Ebenso wie viele andere Mysterien der spätrömischen und spätgriechischen Antike ist der Dionysoskult eine Wiedergeburtsreligion.
Im exstatischen Rausch des Weins waren es anfangs vor allem die weiblichen Priesterinnen, die die zentralen Rythmen des Jahresablaufes und des Lebens durch jährliche kultische Handlungen erneuern wollten und durch Akzeptanz der winterlichen Entbehrungen und des Todes auch ihren Anhängern Genugtuung im Leben verschaffen konnten .
Mit Einführung des Christentums als alleinige Staatsreligion durch Konstantin wurden viele der Mysterienreligionen verfolgt und ausgerottet, Ihre Heiligtümer mit christlichen Kirchen überbaut , wesentliche Figuren geächtet und die Kulte somit auch schön langsam quasi ausgehungert.
Manches hat jedoch unerkannt überdauert, wenn gleich auch nur geduldet und unter dem Mantel des Christentums verborgen.
Aus den Attributen von Pan und den anderen Satyrn um Dionysos (Bocksbeine und Ziegenhörner) wurde geschickt und überzeugend in der frühchristlichen und mittelalterlichen Zeit der Teufel zusammen gebaut. Der Teufel ist so eine Erfindung des frühen Mittelalters.
Nirgends in alttestamentarischer Zeit wird unser modernes Bild des Teufels mit Ziegenhufen, Pelz und Bockshörner so vorgefunden. Nirgends anders gibt esn diese charakterisierenden Kennzeichen anders als an griechischen Darstellungen von Satyrn, den Waldgeistern des Dionysos. Alles zu ächten, schlecht zu machen, was als Konkurrenz gefährlih werden könnte, ist auch heute in der Werbung kaum je in solcher Übertreibung mehr glaubwürdig. Solche Raffinesse und Perfektion einer Verteufelung wäre selbst heute bei heftigsten politischen und religiösen Auseinandersetzungen nicht mehr überzeugend.
Pan lebt unerkannt.
Nikolaus tritt in die Stube, mit ihm die Engerln und der Körbelträger. Ehrfurchtsvoll wird er in die Mitte des Raumes zum warmen Ofen komplimentiert. Unter dem schweren wertvollen Mantel, der hohen Bischofsmütze und dem flauschigen Bart hat er jetzt ganz schön zu schwitzen. Die Kleinsten haben sich weit hinten zusammengedrängt auf die lange Holzbank vor dem Fenster verzogen um ja von dem großen Unbekannten nicht allzu schnell erreicht zu werden.
Ihre älteren Geschwister sind hinter dem Vater oder dem Opa lieber gleich ein bisschen weiter an den Gast herangedrängt. „Mal sehen, ob es Geschenke gibt“. Andere , die die Prozedur schon kennen, spitzeln vorsichtig hinter den Gardinen nach draussen : Sind das 3 oder gar 4 Krampusse, die da draussen kettenrasselnd und brummelnd durch den Schnee hin und her traben. Ist da nicht auch der älteste Bruder mit dabei mit seiner neuen hölzernen Horrormaske?
Wer nicht folgt, den holt der Krampus. So einfach wäre das im Alpengebiet mit der Erziehung.
Gäbe es da nicht diese Horrorfilme saisongemäss mit lebenden Leichen, Vampiren, Werwölfen, Teufelskulten, Horrorclowns etcetera. Das verpflichtet die Jugend jährlich auch um zu rüsten. Darf es dieses mal vielleicht ein Viertelpfund Piercing oder Heisskleberblut mehr sein, was der Kultschnitzer mit hochdotiertem Künstlergehalt jetzt auf die vorgefräßten Holz-Rohlinge drauf "babbt". Sollen die Teufelshörner aus Afrika oder aus Form gegossenen Polyurethanschäumen sein?
Man will ja unter seinesgleichen nicht als NO-GO-Aussenseiter noch mit alttraditionellen Teufelsmasken herumlaufen. Die Länge der Hörner verspricht der gleichaltrigen Mädchenwelt gleichproportionale Erlebnisse mit anderen Körperteilen .
Langsam zwängt sich auch wieder Dionysos unter die Menschenmassen. Drogenrausch, Exstase, Sinnlichkeit, Sexualität aber auch Naturverbundenheit und Tradition sind sein Parcours.
Jeder Hausbesuch erfordert heute statt der früher eher materielleren Gabe von vitaminreichem Obst für den kalten Winter eher geistigere Gaben und Hochprozentigeres, die die schweren Masken dann auch nicht mehr so drücken lassen.
Hat man sich auf ein Schauwettlaufen zusammen mit anderen Gruppen und Besitzern solcher Horrormasken auf langer barrikadengefasster Strasse ohne traditionelle Hausbesuche geeinigt, „Bast scho, donn göht eh ois“. Schlägereien, angenagelte oder unvorteilhaft aufgehängte Schausteller , pyrotechnische Selbstverbrennungen, Motorsägenrasseln über kalten Asphalt.
Man zeigt, was man letztes Jahr schon wieder irgendwo gesehen hat.
Und so sind auch die zunächst neugierig zusammen strömenden Zuschauer meist schon nach einer oder einer halben durchfrorenen Stunde trotz reichlich Glühweinausschank oft auch regelrechter Glühweinduschen bald wieder nach daheim hinter den Fernseher unterwegs, während die Aktiven auch dem Umzug noch heftig und feuchtfröhlich diskutieren, wer denn nun die schönsten „Tuiflmasken“ und „Schädln“ in der „Passn“, der Gruppe gehabt hat.
Bürgerreporter:in:Maskenmuseum Michael Stöhr aus Diedorf |
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