Russischer Nationalfeiertag

Miterlebt in Saratow an der Wolga 2005

• Constanze Seemann am 15.05.2024 um 17:57

Na, bloß gut, daß ich auch noch auf diesen sehr interessanten Bericht gestoßen bin!
Ich habe 2002 meine Freundin ( seit 1984 ) in Rußland besucht. Ich denke heute noch oft daran zurück. Ja, dieses Land könnte so großartig sein! Die Menschen ( ich sag mal das "untere Level", weil ich nicht die Oligarchen und Mächtigen meine ) sind es auch! Die Gastfreundschaft ist/war einfach unglaublich. Es ging da so nach dem Motto "Wenn 10 Menschen alle wenig haben, dann haben sie zusammen aber genug, im ihre deutschen Gäste ordentlich zu bewirten"! Wir haben es einmal zufällig mitbekommen, wie sie in der Küche meiner Freundin Geld zusammengelegt haben und es war uns schon ein wenig peinlich. Immerhin hatten wir doch mehr als sie!
Beim Durchklicken durch Ihre Bilder kamen wieder so viele Erinnerungen hoch. Ja, "in Denkmäler" waren/sind die Russen auch ganz groß, sie haben halt ihren Nationalstolz. Bei vielen ist das wohl auch das einzige, was sie noch haben! Außer dem Wodka! 
Und jedes kleine Dorf dort hatte sein Museum! Ganz stolz war man auf den besuch aus Deutschland und wir mußten uns auch im Gästebuch verewigen.
Bild 42, Ihr Balkon, wie kommt mir das doch bekannt vor!!!! Die Warnung meiner Freundin auf die Frage, ob man auf den Balkon dürfe "Ja, aber nicht so weit nach vorne und nicht nach links"!
Wir waren in Museum, haben dort eine Nacht in einem Studentenwohnheim verbracht. Ich möchte euch  lieber mit jedwedem Detail verschonen, nur soviel: ich war froh, daß es nur eine Nacht war! ich dachte mir nur: "Und hier wohnt nun die zukünftige Elite dieses Landes"! Aber für diese jungen Leute dort war das NORMAL!!!!!
Natürlich haben wir sie damals auch gefragt, was sie von Gorbatschow , Glasnost und Perestroika etc halten würden. Erstaunlicherweise kam Gorbatschow dabei nicht wirklich gut weg. Er hätte nur geredet und dann nichts gemacht, war wohl die einhellige Antwort. Für die einfache russische Bevölkerung wurde es danach wohl nicht wirklich besser. meine Freundin sagte mir z. B., als sie eingeschult wurde, hätte ihre Mutter ihr  100 Schulhefte gekauft. Also ihr Sohn eingeschult worden wäre, hätte das Geld bei ihr grade mal für 10 Hefte gereicht. Vielleicht schauen auch viele einfache russische Bürger zu Putin auf, weil der ein "Macher" ist? Ich weiß es nicht, aber vorstellen kann ich es mir.
Fakt ist aber auch, daß die russische Bevölkerung definitiv nicht die Wahrheit erfährt. Ich habe ja auch nach Beginn des Ukrainekrieges mit meiner Freundin Mails und Briefe ausgetauscht. Und ich habe es schon irgendwo hier auf MH mal geschrieben: man wird da schon ein bißchen paranoid! Ich habe so höllisch aufgepaßt, was ich ihr schreibe! habe alle verdächtigen Wörter vermieden, selbst Worte wie Russland, Moskau ( Ukraine sowieso ) etc. habe immer nur von der "momentanen Situation" geschrieben! Nicht, weil ich meiner Freundin n icht trauen würde, sondern einfach aus Angst, daß irgendeine Mail abgefangen werden könnte und meine Freundin Schwierigkeiten bekommen könnte!
Ich persönlich glaube, daß die allerwenigsten der "normalen, einfachen Russen"  den Ukrainekrieg befürworten würden, wenn sie neutrale Information bekämen! 
In meinen Augen ist Putin ein "Darsteller", der seit dem Zusammenbruch des Ostblocks ( und somit seiner Heimat UdSSR und des KGB ) für sich irgendwie keine Existenzberechtigung mehr sehen konnte ( nicht ganz Korrekt ausgedrückt, wie ich es meine ) und daher sich zu dieser alleinigen Machtposition aufgeschwungen hat!
Für mich ist es PUTIN, der Krieg führt, nicht das russische Volk! Und die, die aus "Überzeugung" gegen die Ukraine kämpfen, würden möglicherweise auch die Waffen wegschmeißen, wenn man ihnen erzählen würde, wie es sich tatsächlich verhält!

• HanS SachS Autor am 15.05.2024 um 19:13

Man merkt mit jeder Zeile, welche Constanze schreibt, und auch in ihrem Profil, wie engagiert sie sich in die Themen versetzt. Ich war viermal in Russland, mal als Tourist, mal als Entwicklungshelfer. Und jedes mal habe ich die einfachen Leute als lieb, zuvorkommend und hilfsbereit erlebt. Aber auch, wie armselig das unwissende Volk dahin darbt. Darüber ließe sich noch vieles schreiben. Ich stehe noch weiterhin mit meiner Dolmetscherin in Irkutsk per WhatsApp in Verbindung und hatte ebenso Bedenken, offen über den Ukrainekrieg zu schreiben. Doch sie bestätigt auch, was Du beschreibst und wie ich es auch erlebt habe. Sie betrauert Familienangehörige, und das Infame ist ja , dass, wie im 2. Weltkrieg, vorrangig Burjaten, die als eigener Volksstamm mal aus der Mongolei eingewandert waren und als Russen zweiter Klasse gelten, als Kanonenfutter verfeuert wurden und aktuell werden. Darüber ist hier auch schon ein Bericht von mir bei MH erschienen. 
Ich bewundere ja dein Engagement in den Kommentaren,  und ich habe auch Zustimmendes zu deinem Kommentar über meinen Beitrag über die DDR geschrieben. Aber seltsamerweise ist das untergegangen. Weshalb - keine Ahnung. Vielleicht lässt sich das noch rekonstruieren, vom MH-Team. Denn auch da hast du sehr zutreffend die Fakten erkannt und analysiert.
Putin ist nicht nur ein "Darsteller", sondern zusammen mit seiner Clique ein Monster. Und wenn solchen Leuten nachgeeifert und applaudiert wird, entzieht sich das völlig meinem Verständnis. Hoffen wir doch, dass diesem Unmenschen endlich mal die Zähne gezogen werden.

• Constanze Seemann am 16.05.2024 um 14:51

Hans, Dein erster Satz schmeichelt mir ja sehr, aber das liegt eher an den Themen, die mich eben interessieren ( oder auch nicht ). Und wenn ich dann auch noch aus eigener Erfahrung den Beitrag irgendwie ....... naja, "ergänzen" kann, dann um so besser! Allerdings sollte die betreffende Person dann auch etwas vorurteilsfrei sein, Als solches habe ich Deinen Beitrag empfunden ( auch den  neueren! ). daß "Wessis", wenn sie die DDR besucht haben, den Eindruck bekamen, bei uns wäre alles heruntergekommen gewesen, ist eigentlich recht nachvollziehbar, denn es WAR auch vieles heruntergekommen. Bzw. etwas anders ausgedrückt, erfolgte der Wiederaufbau beider Staaten unter etwas anderen Bedingungen ( irgendwie ). Meine Oma sagte immer "Im Westen hat der Amerikaner reingesteckt, im osten hat der Russe rausgeholt"! Und das hat er irgendwie auch zurecht. Deutschland ( damals eben das 3. Reich ) hat einen Krieg begonnen UND verloren! Dann kam später halt die Planwirtschaft dazu, die letztendlich auch nicht gerade hilfreich war! Aber das wäre jetzt hier nicht das Thema.