Grüsse aus dem Urlaub

Grüsse aus dem Urlaub
Kolumne vom 12.07.2012
So ein verregneter Urlaubstag ist doch genau das richtige, um sich mit einem Gläschen Roten, einem Stück Käse und ein paar Crackern vor den Computer zu setzen und eine kleine Kolumne zu schreiben. Nein, es gibt kein Baguette, das würde das Klischee denn doch zu sehr bedienen.
von Robert Schneider

Als Rollstuhlbenutzer zu urlauben war bis vor einiger Zeit ein echtes Abenteuer, eine logistische Herausforderung. Ob es daran liegt, dass inzwischen die Existenz der Behindertenrechtskonvention so langsam durchsickert, oder ob die Menschen mit Behinderung endlich mal so etwas wie ein Selbstbewusstsein aufbauen, ich kann es nicht beurteilen. Noch nicht.

Vor einigen Jahren traf man in den üblichen Hotels kaum Behinderte an. Ab und zu mal ein paar Blinde, aber die haben über mangelndes Selbstbewusstsein weniger zu klagen. Ein Hörgerät fällt kaum auf, aber gestende Menschen waren auch eher selten. Wenn man Rollstuhlbenutzer zu sehen bekam, dann wurden sie meist von ungeduldigen Angehörigen durch die Gegend geschoben und hatten schon lange aufgegeben.

Heute sieht man allenthalben Rollstuhlbenutzer selbstverständlich durch Hotelhallen rollen, in der häufig barrierefreien Straßenbahn gesten ein paar Leute über Sitzreihen hinweg und amüsieren sich sichtlich. Ein Blinder hat ganz natürlich die Hand auf die Schulter eines "Rotkäppchens" der Deutschen Bahn gelegt und lässt sich zum Zug bringen.

Heute möchte ich mal nicht über S-Bahnen meckern, die innerstädtisch mit Niederflurwagen und im Umland mit Mittelflurwagen fahren. Auch nicht über Busse, die nicht mehr automatisch einen Hofknicks machen.

Heute freue ich mich einfach, dass es immer mehr Hotels und Restaurants gibt, für die Menschen mit Behinderung keine Exoten mehr sind, sondern Gäste, die manchmal ein bisschen mehr Unterstützung benötigen. Mich hat man in einem deutschen Stadthotel mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit behandelt, als sei ich ein Gast, der eben auf Rädern daher gerollt kommt. Genau das war ich ja auch. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat man selbst in Markenrestaurants grundsätzlich meine Begleitung angesprochen und war ganz verblüfft, wenn ich klar und deutlich zu verstehen gab, dass ich auch noch da sei. Wenn man nicht bedauerte, dass wegen eines Versehens unsere Reservierung übersehen wurde, sobald man feststellte, dass ich im Rollstuhl daher komme.

Heute freue ich mich über die junge, lebenslustige Rollstuhlbenutzerin, die in die Cocktail-Bar gerollt kommt und fröhlich alles anflirtet, was ihrem Beuteschema entspricht. Warum auch nicht? Darf sie keinen Spaß haben, nur weil sie auf Rädern daher kommt? Was für ein Kokolores!

Vor einigen Tagen habe ich ein Open-Air-Konzert besucht. Auf dem Weg zur Behindertentoilette(!) fuhr ich in ein Loch im Rasen, das mich fast aus meinem Stuhl katapultierte. Sofort waren jede Menge hilfreiche Arme zur Stelle, die mich stützten und abfingen. Grummelnder Kommentar eines tätowierten Bikers: "Mamma langsam. Is uneben hier."

Es liegt noch ein langer, schwerer Weg vor uns, darüber sind wir uns wohl alle klar. Aber wisst ihr was? Das Schwerste, nämlich der Anfang, der ist gemacht. Und die Richtung, die sieht auch ganz gut aus. Da sind bestimmt noch Kurskorrekturen nötig, Sackgassen bilden sich, die vorher wie Autobahnen aussahen.

Die sind nach dem Urlaub immer noch da. Also lasst uns jetzt einfach geniessen, was wir schon erreicht haben.

Ich wünsche euch allen eine angenehme Zeit. Erholt euch mal ein bisschen! Ich tu's.

Bürgerreporter:in:

Klaus-Dieter Dingel aus Bad Wildungen

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