Krankenhäuser - "Stätten des Heilens" oder bloß Profit-Center?

Krankenhäuser - "Stätten des Heilens" oder bloß Profit-Center?

Kolumne vom 30.08.2012

Warum gehen wir in ein Krankenhaus? Weil wir hoffen, von etwas geheilt zu werden. Als Krankenhäuser noch von Städten, Gemeinden oder Universitäten betrieben wurden, da galt das auch.
Heute sind Krankenhäuser Konzernen angegliedert. Sie müssen Gewinne erwirtschaften, sonst werden sie geschlossen, wie kürzlich wieder eine renommierte Kinderklinik im Ländle.
Was der Mensch bei der ganzen Sache zählt, ist schnell erklärt. Der Mensch hat eine Krankenversicherungsnummer. Das ist fast schon eine Lizenz zum Geld drucken.
Aber was ist denn mit dem Anspruch, Hilfe, Heilung zu finden? Bitte, wir sind doch nicht im Mittelalter. Hilfe und Heilung lassen sich weder abrechnen, noch bilanzieren.

von Robert Schneider einen Selbst betroffenen vom MMB e.V.
Ich habe mich vor einem knappen Jahr schon einmal mit dem Thema beschäftigt, aber es wird immer schlimmer:

Ein Beispiel: Patient kommt mit einem Blasenproblem in die Wochenend-Notaufnahme eines privatisierten, früheren Kreiskrankenhauses. Er wird erst einmal ordnungsgemäß aufgenommen, registriert, Versichertenkarte, 10 Euro, das ganze Paket.
Nach einer gefühlten Stunde wird ihm mitgeteilt, dass die Klinik gar keine Urologie hat, man ihm also gar nicht helfen kann. Seine Blase war schon bei seinem Eintreffen so voll, dass er das Gefühl hatte, gleich zu platzen.
Er wird also wieder entlassen und mit einer Überweisung in die nächste Stadt geschickt, die eine urologische Fachabteilung hat. Warum man ihm nicht gleich gesagt hat, dass er hier falsch ist?
Das war schnell verdientes Geld. Aufnahme, Entlassung, Überweisung, da kann man der Kasse gleich mal eine schöne Rechnung schreiben.
Dass seine Beschwerden immer schlimmer werden, interessiert niemanden. Für mich ist das vorsätzliche Körperverletzung.
In der 30 Kilometer entfernten städtischen Klinik hat man ihm dann in Minutenschnelle geholfen, während der Papierkram nebenbei erledigt wurde.

Noch einer? Gerne: Ältere Patientin kommt nach einem Kochenbruch und OP in Reha. In der Akutklinik hat sie sich noch eine Magen-Darm-Infektion eingefangen. Diese zu therapieren und dann die alte Dame zu entlassen, wäre die einzig logische Konsequenz.
Logik lässt sich aber nicht abrechnen. Ausserdem ist man eine hochspezialisierte Unfallklinik, da passen solche Dinge nun gar nicht ins Bild.
In der privaten Reha-Klinik nimmt das Personal zwar zur Kenntnis, dass die Seniorin nicht zum Essen in den Speisesaal kommt, aber sie wird schon ihre Gründe haben.
Als die Familie am Wochenende zu Besuch kommt, ist die Patientin schon so abgemagert und dehydriert, dass nicht mehr klar denken kann. Die sofortige Intervention bei der Klinikleitung und der Hinweis auf rechtliche Konsequenzen stößt auf Unverständnis. "Ja wenn die nicht zum Essen kommt..."
Erst die Androhung, die Patientin unter Einschalten der Polizei und der Presse in eine Notfallklinik zu verlegen, löst hektische Betriebsamkeit aus. Auf einmal sind die richtigen Medikamente da und das Personal ist wie verwandelt. Die Familie organisiert trotzdem eine Verlegung und holt die alte Dame ein paar Tage später aus der Klinik. Sie erfreut sich inzwischen wieder bester Gesundheit.
Ein guter Anwalt könnte da zum versuchten Totschlag durch Untätigkeit noch niedere Beweggründe anführen. Und da stoßen wir gleich auf das nächste Problem. Die am besten ausgestattete und budgetierte Abteilung in vielen kommerziell betriebenen Kliniken ist die Rechtsabteilung. Schließlich hat man ja einen gut gestellten Konzern im Rücken, der so etwas überhaupt nicht gebrauchen kann.

Ein letzter: Eine wichtige Operation wird immer wieder verschoben. Ob es Kommunikationsfehler sind, oder die beiden Abteilungsleiter sich bloß nicht leiden können, bleibt offen.
Als der Operateur seinen Jahresurlaub nimmt, wird der Patient so lange nach Hause geschickt. Warten auf OP zahlt die Kasse nicht. Wo der Patient auf die Schnelle eine 24-Stunden-Pflege her bekommt und wie er die finanzieren soll, interessiert die Klinik nicht.
Die zuständige Sozialarbeiterin bescheidet lapidar, dass es keine Garantie für einen Operationstermin gäbe. Zu guter letzt lässt sie sich doch noch erweichen, ein Schreiben an das zuständige Sozialamt aufzusetzen. Das hat bis heute nicht geantwortet. Ob es an der Form der Schreibens liegt, oder dessen Inhalt, ist inzwischen uninteressant. Auf eine Schadensersatzforderung wurde verzichtet. Wenn die Sozialarbeiterin, die sich ja eigentlich um die Interessen der Patienten kümmern soll, schon so drauf ist, dann braucht man die üppig ausgestattete Rechtsabteilung erst gar nicht zu behelligen.

Das Pflegepersonal jetzt als demotiviert und träge zu bezeichnen, wäre allerdings grundverkehrt. Viele versuchen, auf Kosten ihrer eigenen Gesundheit wenigstens einen Teil abzufedern. Die Pflege wird nämlich auch immer mehr ausgedünnt, nein kostenreduziert. Dass einige dabei aufgeben, ist zwar verständlich, darf aber nicht so weit gehen, wie im Fall der alten Dame.

Die Gemeinden sind mit der Privatisierung der Kliniken zwar einen Kostenfaktor los geworden, aber zu welchem Preis?
Ihre Bürger sind keine Menschen, die medizinische Hilfe benötigen, sondern Melkkühe geworden. Sobald es Komplikationen gibt, die die Rendite schmälern könnten, werden sie entfernt.
Ein paar städtische Kliniken gibt es ja noch, die können sich kümmern.

Der Mensch ist bei diesem Kalkül nur interessant, solange er Gewinn bringt. Heilung, Hilfe ist im Leistungskatalog des Systems nicht aufgeführt. Ja, und die Kassen?
Die spielen das Spiel begeistert mit. Endlich können sie ihren MDK wieder nach Herzenslust Erbsen zählen lassen.

Was sagte mir kürzlich ein Krankenhausarzt? Dafür, dass wir sie über die Zeit dabehalten haben, haben wir ganz schön einen drauf gekriegt. Dass das medinzinisch notwendig war, interessiert die Zahlenfuchser nicht. Kann ich was dafür, dass ich zur Heilung ein paar Tage länger gebraucht habe, als der Normkatalog für diese Art Störung vorsieht?

Was die Politik dazu sagt? Egal ob rot-grün, schwarz-gelb, rot-rot, Koalition, Regierung oder Opposition - Als Privatpatienten bekommen die die beste Versorgung. Die verstehen die ganze Aufregung überhaupt nicht.
Was sollen sie also sagen?

Ich wüsste was:
Holt einen Teil der Betriebswirte, Volkswirte, Zahlenfuchser aus den Klinikvorständen und lasst dafür mal wieder ein paar Mediziner rein. Aber keine Alibi-Ärzte, sondern solche, die nicht vergessen haben, wer Hippokrates war. Lasst die Kaufleute wieder Kaufleute sein. Die Konzerne sollen ruhig ihr Geld verdienen, aber nicht um jeden Preis.

Hinter all den Firmen, Kliniken, Verwaltungen und Oragnisationen stecken doch letztendlich Menschen. Menschen mit all ihren Sorgen und Nöten. Menschen, die auch mal so krank werden, dass sie ein Krankenhaus benötigen. Also genau die Leute, die da zum Melkvieh degradiert werden. Irgendwo auf diesem Weg, da muss irgendwer falsch abgebogen sein.

Noch etwas: Der MDK schaut allen auf die Finger. Wer schaut eigentlich dem MDK auf die Finger?
Irgendwann einmal habe ich gelernt, der MDK soll die Kassen beraten, was medizinisch sinnvoll und kostenmäßig vertretbar ist, und was nicht.
Nicht jede Dorfklinik braucht drei Magnetresonanztomographen, auch, wenn einer mal ausfallen könnte. Auch muss ich nicht bei einer Grippe gleich Pflegestufe III haben. Selbst, wenn sie chronisch ist.
Aber die Tage zählen, die ein Patient in der Klinik verbringt? Manche werden einfach langsamer gesund.

Ich weiß, normierte Tabellen lassen sich so herrlich einfach ablesen, da muss man noch nicht einmal über Gebühr dabei denken. Lange genug hat man gebraucht, um die ganzen Tabellen zu erfassen und zusammen zu tragen. Welchen Bezug das ganze noch zur Wirklichkeit hat, weiß ich nicht.

So lassen sich natürlich leicht Millionengewinne einfahren. Was aus dem Raster heraus fällt, wird gestrichen. Fertig.

Ein Mediziner versucht ich, seinen Patienten die bestmögliche Hilfe und Versorgung zu bieten.

Als Kaufmann muss er die Kosten minimieren. Eigentlich sollten ja Kosten und Nutzen gegeneinander abgewogen werden, aber da müsste man den Aktionären ab und zu sagen, dass die Dividende dieses Jahr nicht ganz so üppig ausfällt. Nächstes Jahr bekommen sie von jemand anderen, der dann das fette Gehalt einstreicht, wieder gute Nachrichten. Also wird gestrichen und im Job geblieben. Nach einer Weile wissen auch die Sachbearbeiter, wo die Reise hin geht.

Was wäre also, wenn genau den Patienten, die ohnehin hohe Kosten produzieren, diese Kostenproduktion durch verwaltungstechnische Mittel erschwert würde. Sozialgerichte sind da übrigens ganz prima für geeignet. Ablehnung - Widerspruch - neue Ablehnung - Sozialgericht. Und schon ist der Kostenfaktor auf der ganz ganz langen Bank.
Sprich: Weg isser. Erstmal.

Ein paar geben bestimmt auf und nehmen, was sie kriegen können. Die anderen müssten dann doch eigentlich auf ganz natürliche Art als Kostenproduzent herausfallen. Man muss das Verfahren nur genug in die Länge ziehen.

Aber so zynisch denkt doch keiner, oder?

Bürgerreporter:in:

Klaus-Dieter Dingel aus Bad Wildungen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

4 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.