Der Berg kreißte ...

Der Berg kreißte ...

Kolumne vom 10.02.2012

... und gebar eine Maus. Um das, was sich da momentan bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention tut, sei mir diese Anlehnung an Horaz' Ars Poetica gestattet.

von Robert Schneider (Ein selbst Betroffener vom MMB eV. Freigabe liegt vor!)

Man stelle sich vor, im Jahr 2006 veröffentlichen die Vereinten Nationen eine Konvention zu den Rechten Behinderter. Das ist inzwischen vielen bekannt. Dass Vertreter der Bundesrepublik Deutschland sogar an dieser Konvention mitgearbeitet haben, halten manche inzwischen für ein Gerücht.

Im Dezember 2008, also schon zwei Jahre später wird von der damaligen großen Koalition diese UN-Konvention per Gesetz zu deutschem Recht erklärt. Völkerrecht soll zwar über nationalem Recht stehen, aber für die, die da immer noch daran herumdeuteln packt man eben noch einen Hosenträger zum Gürtel dazu.

Nachdem im Frühjahr 2009 der Bundesrat diesem Gesetz zugestimmt hat, schien für die damals ca. 9 Millionen Behinderten, wie sie damals noch hießen, die Welt ein kleines bisschen mehr in Ordnung zu sein.

Dann wurden aus den Behinderten erst Menschen mit Behinderungen, diese wurden anschließend aufgeteilt in mobilitätseingeschränkte Menschen, sinneseingeschränkte Menschen und Menschen mit Lernschwäche. Hat eigentlich jemals irgendwer uns Behinderte gefragt, was wir von solchen Wortungetümen halten?

Aber zurück zum Thema. Irgendwo auf dem Weg von der Legislative zu den Amtsstuben muss das "Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" falsch abgebogen sein, denn es kam dort nie an. Es kann natürlich auch sein, dass man dort noch damit beschäftigt war, das Inhaltsverzeichnis des "Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen" aus dem Jahre 2002 zu lesen, um herauszufinden, wer denn nun für welchen Paragraphen zuständig sei.

Woran es lag, werden wir wohl nie herausfinden. Ungefähr ein Jahr, nachdem die Behindertenrechtskonvention - genau so ein Wortungetüm, ich sage ab jetzt BRK - also, nachdem die BRK auch für den letzten Paragraphenreiter galt, fragten die ersten Behindertenverbände nach, was denn wohl aus ihr geworden war.

Unser aller Beauftragter für die Belange behinderter Menschen, der arme Hubert Hüppe musste permanent bei seiner Chefin vorsprechen und sich Dinge anhören, die wir nie erfahren werden. So eine Schweigepflicht kann auch ein Segen sein. Aber möchte Herrn Hüppe kein Unrecht tun. Wenn man bedenkt, welche kümmerlichen Kompetenzen man ihm eingeräumt hat und was er da heraus holt, das ist schon großes Kino.

Die Rheinland-Pfälzer hatten etwas mehr Glück, denn sie haben einen Ministerpräsidenten, der nicht nur weiß, wie viele behinderte Wähler sich in seinem Land befinden, er hört ihnen auch zu. So kam es, dass in einer Region, in der die Menschen eigentlich als gemütlich gelten, plötzlich geradezu revolutionäres Gedankengut ganz pragmatisch umgesetzt wurde. Das Wort "Barrierefreiheit" wurde in Rheinland-Pfalz zum Schlagwort. Dass er damit den inzwischen Schwarz-Gelben in Berlin ein paar kräftige Backpfeifen für ihre Passivität verpasste, dieses "Gudsl" nahm unser "König Kurt", wie ihn seine Untertanen liebevoll-scherzhaft nennen, doch dankend gerne mit.

Auf Bundesebene wurde inzwischen intensiv nachgedacht. Und siehe da, man kam zu einem Ergebnis: Es müssen Arbeitgruppen her, Gremien und Ausschüsse! Sachverständige wurden eingeladen, es wurden Wissenschaftler gefragt, wie denn solche Arbeitsgruppen beschaffen sein sollten. Kurzum, die Mühle setzte sich langsam in Betrieb, angetrieben von der Penetranz der Behindertenverbände, die nicht müde wurden, dauernd nachzufragen, wie weit man denn gekommen sei.

In der Zwischenzeit wurden in Rheinland-Pfalz und im Saarland Nägel mit Köpfen gemacht. Die Behindertenverbände, Industrie und Handel setzten sich an einen Tisch und produzierten eine Zielvereinbarung nach der anderen. Nachdem auch hier wieder eine Handelskette vorgeprescht war, entdeckten die anderen, dass Behinderte einen Markt darstellen, den man bisher vollkommen brach liegen gelassen hatte.

Nachdem der Bundesdenkapparat so langsam in Gang gekommen war, stellte man fest, dass es nicht schadet, auch Menschen mit Behinderungen in die Gremien einzubinden.

Und siehe da, kaum warten wir ein paar Jahre - jetzt, wo das Getriebe der Bundesnachdenkmaschine endlich läuft, schon wird das Ergebnis präsentiert:

Es gibt einen neuen Behindertenausweis!!!

Wenn die Länder mitmachen, aber immerhin...

Bisschen dünn, oder?

Ich weiß nicht, irgendwie hatte ich mir mehr versprochen.

Kommt da jetzt noch was?

Oder war's das?

Bürgerreporter:in:

Klaus-Dieter Dingel aus Bad Wildungen

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