Oh Tannenbaum, Oh Tannenbaum ... oder wie ich meiner Cousine den Glauben an den Weihnachtsmann nahm
Diese wahre Geschichte ereignete sich am Heiligabend 1950 und begann mit dem
Grippenspiel. In diesem Jahr hatte ich die Rolle eines Hirten zu spielen. Mein Part war der Sologesang von den Hirten, die alle kommen sollten. Und natürlich hatte ich wieder einmal den Auftrag, mein Cousinchen – ein schon damals wildes Ding – mit in die Kirche zu nehmen, damit die Damen des Hauses die letzten Vorbereitungen für unsere Bescherung vornehmen könnten.
Ich trällerte also mein Hirtenlied und fühlte mich rundherum wohl, als dann eben dieses wilde Ding quengelnd zu mir kam und nach hause wollte. Schöne Plamage! Aber glücklicher weise durfte sie die Kollekte weiter einsammeln und dann ging’s ab ins Krügerhaus. Dort angekommen waren wir natürlich noch nicht gefragt. Wir sollten uns noch in der Küche gedulden. Ob denn der Weihnachtsmann noch in der guten Stube wäre wollte der Zottel (so nannte sie zu Lebzeiten unser Vater) wissen. Ich guckte durchs Schlüsselloch und sah wie meine und ihre Mutter einen kleinen hölzernen Puppenwagen an den Weihnachtsbaum rangierten und eine Puppe mit einem hellgrünen dünnen Kleidchen auf die Kissen setzten. oH so eins hätte ich auch gern, waren meine Gedanken, als ich spürte, wie mich die Derre – so nannte ich sie – am Ärmel zerrte. Da platzte mir einfach der Kragen, ich schleppte sie mit ein-zwei Zügen an das Schlüsselloch, das uns Einblick in die gute Stube gewährte, und fragte mit leisem aber grausam herzlichen Ton, wen sie da wohl sähe … Na Tante Ella und de Mutti, und keen Weihnachtsmann. Worauf ich ihr großspurig verkündete, dass es doch gar keinen Weihnachtsmann gäbe, dass das alles nur so gemacht würde, damit wir uns freuen sollten. Das wiederum löste bei der Derren eine Art Schreikrampf aus. Sie warf sich auf die Dielen und wollte es nicht glauben. In der guten Stube ging die Hauptbeleuchtung an, und die beiden Frauen stürzten heraus. Tante Herta kümmerte sich um ihre schreiende Göre und meine Mutter verabreichte mir eine Ohrfeige, was ich schuldbewusst in Kauf nahm.
Heftiges Naseschneutzen beendete die überaus filmreife Szene. Ich freute mich über meine grandiose Überzeugungskraft, nahm meine Mutter an die Hand und dann holten wir den Rest der Familie zum Abendessen in die Küche. Leider weiß ich nicht mehr, was es gab, aber ein Wunsch hat sich in mir verinnerlicht, wenn ich einmal selbst Geld verdienen würde, würde ich mir ein hellgrünes Tüllkleid kaufen oder nähen. Diesen Wunsch erfüllte ich mir erst lange nach meiner Hochzeit, stattdessen bekam unsere Tochter Anke alles ab. Die erste Ausfahrgarnitur war grünweiß. Später war es ein Strickkleidchen. Und der Höhepunkt war ein Strickmantel mit Baske in Grün. Den hat sie gehasst!
Die Story von dem Weihnachtsmann, den es nicht gab, erzählt meine nun 67 Jahre alte Cousine noch immer. Oh jeh, die Ärmste.
So nun sind alle Geschenke eingepackt und der Tannenbaum geschmückt.
Euch allen da draußen eine schöne Weihnachtszeit
Bürgerreporter:in:frau stock aus Bad Kösen |
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