Unterricht hinter der Spiegelscheibe

Während eine Logopädieschülerin hinter eine Glasscheibe mit einem Patienten spricht, verfolgen ihre Klassenkameraden und die Lehrerin im Nebenzimmer die Therapiestunde. Diese wird intensiv besprochen und nachbereitet.
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Judith Abler und Larissa Ferstl stehen auf dem Gang im Erdgeschoss der Logopädieschule der Bezirkskliniken Schwaben. An einer Pinnwand hängen die neuesten Stellenangebote. „Wie findest Du das?“, fragt eine der beiden Schülerinnen. „Nicht uninteressant“, antwortet die andere. Niemand, der hier ausgebildet wird, muss sich um eine Arbeitsstelle Sorgen machen. Logopäden sind gefragt. Das war schon 1994 so. Damals ist die Berufsfachschule (BFS) für Logopädie am Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg gegründet worden, weil es einen immensen, nicht gedeckten Bedarf an Logopäden im Regierungsbezirk Schwaben gab. „Heute ist die Situation zwar nicht mehr ganz so dramatisch. Aber Stellenangebote gibt es nach wie vor genügend – regional, landes- und bundesweit“, stellt Schulleiter Dirk Gerlach fest. „Arbeitslose Logopäden gibt es nicht“, ergänzt er.
Logopäden behandeln Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- und Hörstörungen bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. „Sie kümmern sich um alle Altersstufen - vom Säugling mit einer Fütterstörung bis zum älteren Menschen mit einem Schlaganfall“, so der Schulleiter. Die Verdienstmöglichkeiten seien trotz der hohen Verantwortung nicht so überragend, räumt Gerlach ein. Positiv dagegen sei, dass sich dieser therapeutische Beruf gut mit der Familie vereinbaren kann. Das ist für viele der jungen Menschen wichtig, die diesen Beruf ergreifen. Unter den 45 Schülern der drei Jahrgangsstufen der Augsburger Logopädieschule sind aktuell auch zwei Männer zu finden. Beheimatet ist sie im gemeinsamen Medizinischen Schulzentrum mit dem Klinikum an der Stenglinstraße. Jedes Jahr werden hier maximal 16 staatlich anerkannte Logopäden ausgebildet.
Die Bewerbungsfrist ist jährlich im Zeitraum 1. Bis 30. November für im darauffolgend im September beginnende Schuljahr. Das Bewerbungsverfahren an der BFS für Logopädie Augsburg, der einzigen in Schwaben, regelt sich nach der aktuellen Verordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. „Die Bewerber sollten kommunikativ sein und auf Menschen zugehen können, sich deutlich artikulieren können und gute schriftsprachliche Kenntnisse haben“, zählt der Schulleiter einige Kriterien auf, die beim Auswahlverfahren eine Rolle spielen.
Schon nach einem halben Jahr Theorie und Übungen behandeln die Schüler in der schuleigenen Lehrpraxis reale Patienten. Dabei sitzen der Lehrer und einige Mitschüler hinter einer Spiegelscheibe und schauen zu. Der jeweilige Patient weiß darüber Bescheid und ist einverstanden. Die Therapiestunden werden jeweils intensiv vor- und nachbereitet. „45 Minuten Therapie erfordern etwa drei Unterrichtsstunden“, so Gerlach. Die Behandlung sei sehr individuell. Während der dreijährigen Ausbildung absolvieren die angehenden Logopäden auch schulexterne Praktika, beispielweise in Logopädiepraxen, Akutkliniken oder im Therapiezentrum Burgau. „Das ist alles sehr anspruchsvoll“, findet der Schulleiter. Von der Menge und vom Inhalt erreiche man Fachhochschulniveau. Schulgebühren werden übrigens nicht erhoben, der Besuch an dieser kommunalen Einrichtung ist kostenfrei. Lediglich Kopierkosten fallen an, etwa 250 Euro pro Schuljahr, oder auch Kosten für eintägige Exkursionen.
Die Logopädie ist laut Gerlach eine junge Wissenschaft mit vielen neuen Erkenntnissen. Ausbildung und Beruf finden sich wieder in einer Schnittstelle von Medizin, Psychologie, Pädagogik und Linguistik. „Die schulische Ausbildung ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr wissenschaftlich geworden, obwohl sie einen hohen fachpraktischen Anteil hat“, sagt Gerlach.
Alina Dörsch, die im zweiten Jahr ist, findet die Ausbildung sehr spannend und medizinisch fundiert. „Mir gefällt, dass die Räume hier so hell und freundlich sind“, berichtet die 28-jährige Augsburgerin. Kathrin Eisermann (22) aus Dillingen ist bereits im dritten und letzten Ausbildungsjahr. Wer bereit sei, viel zu lernen, und keine Berührungsängste habe, mit Menschen umzugehen, für den sei der Beruf genau der richtige.
Information: Am 21. Mai soll das 20-jährige Bestehen der Berufsfachschule für Logopädie mit einer internen Veranstaltung gefeiert werden. Daran schließt sich das 1. Augsburger Abendsymposium an. Damit möchte die Schule zukünftig, thematisch weit gespannt, Fachleute und an der Logopädie Interessierte ansprechen und mit ihnen ins Gespräch kommen.

Bürgerreporter:in:

Georg Schalk aus Augsburg

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