Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert auf einer "Tour de Social" in Augsburg
Bei der ersten „Tour de Sociale“ in Augsburg hat sich Bezirkstagspräsident Jürgen Reichert gemeinsam mit dem städtischen Sozialreferenten Max Weinkamm über die Situation in der Altenhilfe, der Behindertenarbeit und der Psychiatrie informiert. Bezirk und Stadt arbeiten auf diesen Gebieten eng zusammen. Einerseits verbessert sich nach dem Eindruck der beiden Politiker die Versorgung der Betroffenen kontinuierlich, andererseits offenbart der Umgang mit alten, behinderten und psychisch kranken Menschen aber auch gesellschaftliche Fehlentwicklungen.
Die Tour begann im Rohbau des entstehenden Seniorenzentrums der städtischen Altenhilfe in der Robert-Bosch-Straße in Lechhausen. Die Einrichtung soll im Sommer kommenden Jahres eröffnet werden und wird nach Aussage der Werkleiterin Susanne Greger 145 Ein- und Zweibett-Appartements bieten. Es sollen Wohngruppen mit 14 bis 16 Hausbewohnern entstehen. Das Altenheim ist für die fachgerechte Betreuung von Demenzkranken eingerichtet, deren Anteil bei 50 Prozent oder mehr liegen kann. Die Innengestaltung mit Wandfarben, Licht und Möblierung gibt ihnen Orientierung und soll auch das Weglaufen verhindern, ohne die freie Bewegung im Haus einzuschränken.
Alle Räume sind barrierefrei. In ihre Zimmer können die Bewohner in begrenztem Umfang eigene Möbel mitbringen. Wichtig ist der Altenhilfe aber, dass sich das tägliche Leben hauptsächlich in Gemeinschafts-Wohnbereichen abspielen soll, in die jeweils zwei Flure einmünden. Das Heim entspricht den neuen gesetzlichen Anforderungen für Heimpflege. Sie üben nach Aussage von Reichert Druck auf bestehende, vor allem ältere Einrichtungen aus.
In den Augsburger Ulrichswerkstätten (UWA) nahm Reichert an einer Sitzung des Werkstattrats teil. Der Werkstattrat entspricht dem Betriebsrat in der Wirtschaft, wobei die Beschäftigten in den UWA nicht in einem echten Arbeitnehmerverhältnis stehen. Nach Aussage des Rats verläuft die Zusammenarbeit mit der Werkstattleitung im Großen und Ganzen erfreulich; die knapp 500 behinderten Menschen können ihre Sichtweise in deren Entscheidungen einbringen.
Die Teilnehmer der Tour de Sociale sahen sich anschließend in den Bereichen Leichtmontage, Metallbau und der Gärtnerei der UWA um, in denen teils beachtliche Arbeitsleistungen erbracht werden. So wurden in der Metallbau-Abteilung gerade Präsentationsständer für einen Gartenmarkt und Möbelfüße aus Metall hergestellt. Die Behinderten haben die Möglichkeit, eine Arbeit entsprechend ihren Fähigkeiten und Neigungen zu wählen: es gibt auch eine Hauswirtschaftsabteilung, eine Wäscherei und eine Druckerei.
Schwerpunkte des Besuchs im Bezirkskrankenhaus (BKH) waren die Ergo- und die Kunsttherapie. Während Patienten in der Ergotherapie, darunter viele Demenzkranke, durch Bearbeitung von Speckstein oder Holz, durch Buchbinden oder Seidenmalerei verlorene Fertigkeiten wieder erlernen sollen, haben sie in der Kunsttherapie die Möglichkeit, durch Malerei ihre psychischen Probleme auszudrücken und einen besseren Umgang mit ihnen zu lernen. Die meisten Patienten können nach einiger Zeit in ihren Alltag und ins Arbeitsleben zurückkehren.
Auch die Kapelle des BKH kann eine wichtige therapeutische Funktion erfüllen. Viele Patienten haben nach den Worten der geschäftsführenden Oberärztin, Dr. Anne Hiedl, das Gefühl, ein falsches Leben geführt oder Schuld auf sich geladen zu haben. Wenn sie religiös sind, hilft ihnen der Sakralraum, solche Probleme zu verarbeiten. Ob psychische Erkrankungen in der Gesellschaft zunehmen, ist nicht sicher, aber Betroffene kommen immer häufiger in medizinische Behandlung. Neuzugänge im BKH müssen häufig zunächst auf dem Flur ihrer Abteilung untergebracht werden, bis ein Bett frei wird. Der Bezirk schafft derzeit am BKH einen Erweiterungsbau und konzentriert hier die Verwaltung seiner Einrichtungen in Schwaben.
Laut Reichert wendet der Bezirk mehr als 90 Prozent seiner Haushaltsmittel für den Sozialbereich auf. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Pflichtaufgaben. Grundsätzlich wird der Bezirk im Sozialbereich überall da tätig, wo einzelne Kommunen überfordert wären.
Mehr als die Finanzierung dieser Aufgaben durch ein kompliziertes System von Zuwendungen von Bund und Land, Umlagen von schwäbischen Gemeinden, Städten und Kreisen und eigenen Einnahmen bereitet Reichert und Weinkamm die gesellschaftliche Entwicklung Sorge: Alter, Krankheit und Behinderung würden zunehmend verdrängt. Alles drehe sich um die Leistungsfähigen, die Hilfsbedürftigen verschwänden in den Einrichtungen. Die Tour de Sociale soll auch im kommenden Jahr den Blick verstärkt auf sie lenken.
Bürgerreporter:in:Bezirk Schwaben aus Augsburg |
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