Alternative zum Suezkanal – mit atomarem Antrieb

Foto: Baltisches Werk

Ende Mai wurde im russischen Hafen St. Petersburg der Eisbrecher Ural vom Stapel gelassen – schon der dritte in einer neuen Serie von atomaren Atomschiffen mit Superleistung. Derartige Ankündigungen bieten der russischen Regierung nicht nur einen zusätzlichen Anlaß, mit dem einzigen nuklearen Eisbrecherflotte der Welt zu prahlen – in den letzten Jahren ist diese Flotte aktueller denn je geworden. Der Grund dafür liegt in der Abkürzung NSR – das steht für die Nordseeroute.

Russland hat die Entwicklung seines arktischen Sektors ernsthaft in Angriff genommen – dabei wird die Polarregion heute nicht nur als bloße Schatztruhe an Kohlenwasserstoffen wahrgenommen (es sei hier zwar zu erwähnen, dass Russland etwa 80% des arktischen Schelfs kontrolliert), sondern auch schon für einige Zeit Aussicht auf eine ernsthafte Konkurrenz zum Suezkanal. Beispielsweise hat sich das Frachtaufkommen auf der Nordseeroute im Jahr 2018 verdoppelt und erreichte 20,2 Millionen Tonnen – und dies ist offensichtlich keine Grenze. Im Dezember prognostizierte Wjatscheslaw Rukscha, Leiter der Nordseeroute-Direktion, für 2019 einen Anstieg des Frachtumsatzes um das 1,5-fache.

Nach Auffassung der russischen Regierung soll der Schlüssel zu solch einer signifikanten Steigerung in der Modernisierung und Erweiterung der Eisbrecherflotte liegen: bis 2035 werden voraussichtlich 13 Eisbrecher in Betrieb sein, darunter 9 mit atomarem Antrieb. Aus diesen Gründen wurde Ende 2018 die NSR-Entwicklung an den russischen Atom-Monopolisten Rosatom gesetzlich delegiert.

Die 173-Meter-lange Ural, deren Reaktoren zusammen bis zu 350 MW erzeugen können, wird in der Lage sein, bis zu 3 Meter dickes Eis zu durchbrechen. Mit ihren Schwesterschiffen, der Arktik und der Sibir, die schon früher zu Wasser gelassen wurden, sowie mit noch zwei geplanten Eisbrechern des Projekts 22220 wird die Ural zur Gewährleistung der ganzjährigen Schiffbarkeit der Nordseeroute wesentlich beitragen.

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, pensionierter Professor für Physik, Informatik und Operations Research der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) und heute Pressesprecher des Europäischen Institutes für Klima und Energie (EIKE) ist der Meinung, Russlands Wette auf KKW-Eisbrecher könne im Kontext von NSR-Entwicklung nur erfolgversprechend sein.

Wenn die gegenwärtige Klimawarmphase anhält, seien Eisbrecher unverzichtbar, um die Nordseeroute freizuhalten, glaubt der Experte. Falls es wieder kälter werden sollte, werden Eisbrecher erst recht benötigt. Es sei also eine Win-Win-Situation: „Russland ist der einzige Hersteller von solchen nuklear angetriebenen Spezialschiffen und besitzt das beste Know-How“.

Bemerkenswert ist, dass gerade Atomeisbrecher-Technologien insbesondere die Grundlage für das Projekt des schwimmenden russischen KKW Akademik Lomonossow bieten – des ersten in der künftigen Serie von Kernkraftwerken, die Russland in großem Maßstab auch für den Export herstellen will. Gleichzeitig haben schwimmende KKWs, die für die Stromversorgung abgelegener Regionen und Inselstaaten geeignet sind, vielleicht eine zu spezifische Anwendung, um ihren Beitrag zur sich abzeichnenden „nuklearen Renaissance“ in der Welt als signifikant bezeichnen zu können.

In dieser Hinsicht schlägt Prof. Lüdecke vor, die Aufmerksamkeit auf die Technologien der sogenannten Generation IV zu lenken, die die Effizienz des Kernbrennstoffeinsatzes erheblich steigern und in Zukunft den Übergang zu einem geschlossenen Brennstoffkreislauf ermöglichen sollen, d.h. Volumen und Aktivität der zu entsorgenden Abfälle minimieren.

„Für die allgemeine Verbreitung von Kernkraftwerken in der Welt sind die russischen BN-Reaktoren der Generation IV viel wichtiger”, sagt er. Auch weist der EIKE-Pressesprecher auf die Bedeutung der Entwicklungen im Bereich Flüssigsalzreaktoren hin: „In Deutschland ist solch ein Konzept, DFR, patentiert, aber nur auf dem Papier existent. Russland mit seinen besten KKW-Know-How weltweit wäre gut beraten, sich dieses Prinzip näher anzusehen“.

Bürgerreporter:in:

Dagmar Vogt aus Augsburg

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