Kunst mit der Motorsäge
Landrat Martin Sailer besucht den Bildhauer Norbert Zagel
Mit geübtem Blick taxiert Norbert Zagel den unscheinbaren, länglichen Block aus rohem Eichenholz und schlägt jeweils zwei Nägel am oberen und unteren Ende hinein. Für den Laien ist es kaum vorstellbar, dass Zagel in dem rechteckigen Holzstück bereits zu diesem Zeitpunkt eine Skulptur erkennt. Doch der Künstler lässt sich nicht beirren und stellt mit Hilfe einer Schnur und den eingeschlagenen Nägeln zwei Lote her, die den Unterbau für seine überregional bekannten Stelenköpfe bilden sollen. Nachdem er anschließend mit flinken Fingern und roter Farbe das zukünftige Aussehen des Kopfes skizziert hat, greift der Bildhauer zur Motorsäge. Die Holzspäne fliegen hoch durch die Luft und der Künstler taucht tief in seinen Schaffensprozess ein.
„Es ist faszinierend zu beobachten, mit wie viel Geschick und Talent Norbert Zagel ausgerechnet mit einer Motorsäge so bestechende Kunstwerke hervorbringt,“ zeigt sich Landrat Martin Sailer beeindruckt, der den Bildhauer gemeinsam mit dem Langweider Bürgermeister Jürgen Gilg und Fachbereichsleiter für Schule, Sport und Kultur Armin Falkenhein im Rahmen der Reihe „Landrat trifft Kultur“ kürzlich in seinem Atelier am Eggelhof besuchte.
Denn bei einer Kettensäge handelt es sich um ein zunächst eher unerwartetes Werkzeug, mit dem Zagel seit mehr als dreißig Jahren das zentrale Thema in seinem Werk zum Ausdruck bringt: den Menschen in all seinen Facetten. „Ich konnte mir nie vorstellen, Tiere darzustellen“, erläutert Zagel sein künstlerisches Schaffen. Denn der Mensch, sein Zusammenleben und die dadurch entstehenden Dynamiken beschäftigen ihn seit jeher. So entwickelten sich im Laufe der Zeit immer kompliziertere Formen. „Bei diesem Arbeitsprozess darf ich allerdings keinen großen Druck auf die Säge ausüben, sondern muss mit scharfer Kette die Skulptur eher herausschälen als heraussägen“, erklärt Zagel.
Die Virtuosität seines Könnens, die der Kunstpreisträger des Landkreises Augsburg erreicht, übt auf ihre Betrachter eine ganz besondere Faszination aus. Die mal freundlich, mal zugänglich oder auch in sich gekehrten Köpfe zogen bei ihrem Rundgang auch Sailer und Gilg in ihren Bann. Die ersten neun dieser Kunstwerke waren ursprünglich in der Binswanger Synagoge zu sehen, wo sie in einer Ausstellung stellvertretend für die Auslöschung der dortigen jüdischen Gemeinde durch die Shoa standen. Denn statt der für den (orthodoxen) jüdischen Gottesdienst notwendigen zehn mündigen Männer (Minjan) hatte der Künstler sein Werk mit lediglich neun Objekten gestaltet, wodurch der fehlende zehnte Charakterkopf die unwiederbringliche Zerstörung der schwäbischen Landjudengemeinde symbolisierte.
Aber auch aktuellen gesellschaftlichen Themen wie der Flüchtlingsproblematik, der zunehmende Vereinsamung von Menschen und der Frage nach der Definition von Heimat stellt sich Zagel in seiner Kunst. Für Sailer erfüllen Zagels Werke daher eine wichtige gegenwartsbezogene Funktion, die Vorbildcharakter hat. „Ich freue mich, dass Sie sich als Künstler im Landkreis Augsburg wohl fühlen und durch ihre Arbeit unser kulturelles Leben bereichern“, dankte der Landrat dem Künstler.
Bürgerreporter:in:Landratsamt Augsburg aus Augsburg |
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