Die Unsterbliche - Schwester Engeltraud wird 100!
Schwester Engeltraud ist eine Oberhauser Institution, die weit über die Grenzen des Stadtteils hinaus bekannt ist. Seit 1973 bereitet sie im Geburtskrankenhaus Josefinum werdende Mütter auf eine „sanfte Geburt“ vor. Vor ihrer Tätigkeit als Schwangerschaftsgymnastin erteilte Schwester Engeltraud 43 Jahre lang Turn- und Sportunterricht an der Klosterschule Maria Stern. Am 12. Juli 2006 wird die Ordensschwester 100 Jahre alt. Trotz ihres hohen Alters gibt die Franziskanerin heute noch Schwangerschaftskurse und greift selbst ein, wenn es „nötig ist“.Unser Redakteur Joachim Meyer unterhielt sich mit der Ordensfrau über die richtige Ernährung im hohen Alter, die Vorzüge einer „sanften Geburt“ und die Frage, warum ein gütiger, allmächtiger Gott Leid und Übel zulässt.
oberhauser : Schwester Engeltraud, Sie werden am 12. Juli 2006 sagenhafte 100 Jahre alt. Können Sie unseren Lesern einen oder mehrere Tipps geben, wie man dieses biblische Alter erreicht?
Schwester Engeltraud: Diese Frage wurde mir natürlich schon häufiger gestellt. Zwei Dinge sind für mich sehr wichtig gewesen: Zum einen hatte ich einen Beruf, den ich immer gerne ausübte, zum anderen blieb ich stets mit der Jugend in Kontakt. Während meines Schuldienstes habe ich viel mit den Jugendlichen unternommen. Wir wanderten zusammen oder fuhren Ski. Sie werden lachen: Ich habe erst mit 53 Jahren begonnen, Ski zu fahren.
oberhauser : Und welche Ernährungsregeln muss man beachten, um so alt zu werden?
Schwester Engeltraud: Einen speziellen Ratschlag habe ich nicht parat. Ich trinke - in kleinen Mengen - auch mal ein Glas Weißwein oder Bier zum Essen. Weißwürste mag ich ganz gerne. Aber ein bisschen geht mir schon die alte Hausmannskost ab. Früher hat man „gut bürgerlich“ gekocht. Heute kommt alles „aus dem Beutel“. Unter der Woche esse ich im Refektorium, außer dienstags. An diesem Tag bringt mir Schwester Leonarda das Mittagessen, weil ich am Abend ja noch den Schwangerschaftsgymnastikkurs halte, ...
oberhauser : ... den Sie nach wie vor mit eiserner Disziplin jeden Dienstagabend geben ...
Schwester Engeltraud: Ja, genau. Der Kurs dauert eine Stunde. Da ich am Dienstag nicht im Speisesaal esse, kann ich mir die Zeit besser einteilen. Ich halte dann frühzeitig meinen Mittagsschlaf, bete mein Brevier und bereite mich auf den Kurs vor.
oberhauser : Sie haben versucht, Generationen von werdenden Mütterndie Vorzüge einer „sanften Geburt“ nahe zu bringen. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Schwester Engeltraud: Darunter versteht man eine Geburt weitgehend ohne Schmerzmittel. Man versucht, die Frauen dahin zu bringen, dass sie den Schmerz als Bewusstseinserscheinung durch eine bewusste Atmung weit zurückdämmen können. Wenn sich die ganze Aufmerksamkeit auf das „hergebende“ Ausatmen konzentriert, dann geht viel Schmerz weg. Natürlich wird es nie eine völlig schmerzfreie Geburt geben. Man kann im Bedarfsfall immer Schmerzmittel in geringen Dosen verabreichen. Aber eine sanfte Geburt hat große Vorzüge für Mutter und Kind.
oberhauser : Sie gehören dem Orden der Franziskanerinnen an. Welche Motivation war für Sie ausschlaggebend, in einen Orden einzutreten?
Schwester Engeltraud: Als ich damals ins Kloster ging, spielte der Heilige Franziskus zunächst noch keine so große Rolle. Das hat sich dann im Laufe der Jahre allmählich geändert. Ich legte mein Ordensgelübde im Jahr 1929 ab. Wir sind ins Kloster gegangen, um in der Abgeschiedenheit und einer christlichen Atmosphärezu leben. Außerdem müssen Sie bedenken, dass ich in einer katholischen Familie aufgewachsen bin. Mein Vater Josef Mayer gründete in Oberhausen die Kinderkrippe bzw. das spätere Säuglingsheim. Dort waren zunächst zwei Ordensfrauen beschäftigt. Damit war eine Verbindung zum Kloster gegeben. Darüber hinaus besuchte ich die Schule St. Elisabeth, die von Nonnen geleitet wurde. Für mich stehen Jesus Christus und seine Botschaft der Liebe im Zentrum des Glaubens.
oberhauser: Können Sie Ihren Glauben noch etwas näher beschreiben?
Schwester Engeltraud: Mein Gottesverständnis und mein Glaube wurden stark von Professor Deissler geprägt, der die Liebe sehr in den Vordergrund gestellt hat. Er sprach immer vom „liebenden Gott“. Ich glaube an einen Gott, der schenken und geben will.
oberhauser: Glauben Sie auch an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben?
Schwester Engeltraud: Ja. Das ist auch ein Grund, warum ich vor dem Sterben keine allzu große Angst habe. Glauben heißt jedoch bekanntlich auch: nicht wissen Letztendlich müssen sich die Menschen damit abfinden, dass es einen Rest an Unerklärbarem gibt.
oberhauser: Auf welchen Gott hoffen Sie am Ende der Tage: auf einen gerechten oder einen barmherzigen?
Schwester Engeltraud: Ich hoffe auf einen „Gott der Liebe“.
oberhauser: Zum Abschluss noch eine philosophisch-theologische Frage. Naturkatastrophen wie der Tsunami in Südostasien oder das Erdbeben in Bam und Krankheiten wie Krebs, aber auch humanitäre Katastrophen wie Auschwitz lassen die Menschen an der Güte Gottes zweifeln. Warum lässt ein weiser, gütiger, allmächtiger Gott Leid bzw. Übel zu?
Schwester Engeltraud: Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Grundsätzlich gilt aber, dass Gott den Menschen mit einem freien Willen ausgestattet hat. Das bedeutet eben auch eine Freiheit zum Bösen. An vielen Katastrophen sind die Menschen selber schuld.
oberhauser: Schwester Engeltraud, vielen Dank für dieses Gespräch.
myheimat-Team:Joachim Meyer aus Friedberg |
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