Ich bin doch nicht clever!

Wir Steinhuder segeln bei Langeweile und mickrigem Wind schon ab und an mal zum Steinhuder Hafen. Wir nennen das „Touristen begucken“. Bei einem dieser Ausflüge kam nach dem Anlegen ein dynamisch lächelnder Herr, seine Hände mit Luft waschend, auf mich zu und fragte:
„Na, wie effizient segelt Ihr Boot denn so?“
Seine Frage irritierte mich. Worauf wollte der hinaus?
Ich kramte in meinem Fremdwortschatz und erinnerte mich vage daran, dass effizient soviel heißt wie „leistungsfähig, wirtschaftlich“.
Um ihm auf Augenhöhe begegnen zu können, strengte ich mich gewaltig an:
„Unter kybernetischen Aspekten betrachtet, durchaus akzeptabel“, sagte ich, „der ökonomische Ansatz bietet allerdings noch Raum für kritischen Analysen.“
Er schaute mich aus großen, leeren Augen lange an und erwiderte:
„Ich meinte das mehr so global“.

Nun schaute ich mit großen Augen dumm aus der Wäsche, und es dämmerte mir langsam, dass ich es hier mit einem Fall von Fremdwortlegasthenie zu tun hatte. Ich kam mir ob meiner Reaktion plötzlich ziemlich schäbig vor und zog mich mit einem „Aber sonst bin ich ganz zufrieden“ aus der Affäre.

Merkwürdigerweise hatten sich solche und ähnliche Begegnungen in letzter Zeit gehäuft. Mich erfüllt zunehmend die Sorge, dass unser reicher Fremdwortschatz gedankenlos missbraucht wird. Seine Anwendung erfolgt sozusagen vermehrt verkehrt. Ich bin da manchmal in einer Zwickmühle. Soll ich eingreifen, wenn ein Segelkamerad, der an seinem Holzboot schuftet von einem Passanten zu hören bekommt: „ Na, so ’ne Neurenovierung is’ aber auch ’ne Syphilisarbeit, wa?“

Und was soll ich davon halten, wenn mein Blumenhändler, über dessen Laden in Leuchtschrift „Le Fleurist“ prangt, mir eröffnet, dass er jetzt die Initiative „Tree must be“ gegründet habe und mich fragt, ob ich mich nicht auch für diese gute Sache arrangieren möchte.
Ich gab mir einen Ruck und machte ihm behutsam klar, dass „engagieren“ vielleicht netter wäre. Er nahm mir meinen Einwand überhaupt nicht übel und entschuldigte sich sogar mit der Bemerkung, dass er in Fremdwörtern noch nie eine Konifere gewesen sei.
Im Übrigen gehe es ihm sogar selber so, dass er Herrschaften manchmal verbessern müsse. Zum Beispiel die Dame, die jüngst bei ihm einen Strauß Gladiatoren kaufen wollte.
Nachdem er sie zart darauf hingewiesen hatte, dass sie wohl Gladiolen meinte, habe sie gerufen: „Stimmt! Das andere sind ja Heizkörper.“ Er verabschiedete mich, nicht ohne mir noch zu dem von mir erstandenen Rosenengagement zu gratulieren.

Meine Nachbarin hat mir bestätigt, dass ihr dieses Phantom mit den Fremdwörtern auch schon aufgefallen sei. Sie habe ihrer Frisöse erzählt, dass man in ihrem Vorgarten ein prähistorisches Skelett gefunden habe. Die Haarkräuslerin habe daraufhin gefragt, ob die Polizei schon einen bestimmten Verdacht hege.
„Warum haben Sie ihr denn keinen reinen Wein eingeschenkt?“ wand ich ein. Sie tippte sich bedeutungsvoll an die Stirn: „Ich bin doch nicht clever! Nachher ist die noch sauer und okuliert meine Haare falsch.“

Nachdem ich neulich hörte, dass ein Geflügelbauer auf eine Reporterfrage nach den Zuchterfolgen und der Eierproduktion seiner Hühner antwortete: „Mit der Brutalität und der Legalität von die Viechers is’ dat auch nich’ mehr so wie früher“, wundert mich nix mehr.
Da kann man nur noch mit G.B. Shaw ausrufen: „Errare humanum est!“ (Auch Iren sind Menschen).

P.S. Der Frisörladen meiner Nachbarin ist letzte Woche neu eröffnet worden. Er heißt jetzt „Biostetik Hair Styling Saloon“. Ich nehme an, sie hat zur Eröffnung herzlich onduliert.

Bürgerreporter:in:

Uli Holste aus Wunstorf

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