Und dann hätte ich nur noch meinen Hut ziehen können ...
Geist und Kultur
Und dann hätte ich nur noch meinen Hut ziehen können …
Hingegangen bin ich nur meinem Freund Hajo zum Gefallen, weil er mir gesagt hatte, dass sein Gesangverein Sonntagnachmittag bei uns in der Neuender Jacobi Kirche singen würde.
Na ja, ich gebe es ja zu – ein wenig neugierig war ich auch, von wegen des Singenkönnens der Damen und Herren.
As Hajo mich tags zuvor auf die Veranstaltung aufmerksam machte, da hatte er – geradeso wie es meine Großmutter vor Zeiten hatte, wenn sie bei mir ein schlechtes Gewissen erzeugen wollte, weil ich nach ihrer Meinung schon viel zu lange etwas Gutes links liegengelassen hatte – ein hintergründiges Schauen in den Augen.
Das hat damals bei mir schon immer gut geklappt – und das hat jetzt auch wieder grandios hingehauen, denn ich bin mit meinem weichen Herzen und der guten Seele über die Jahre derselbe Mensch geblieben. So hat es jedenfalls einmal jemand zu mir gesagt.
Gewundert hatte ich mich zwar ein wenig über die Zeit – Sonntagnachmittag um 5 Uhr – und denn Gottesdienst?
Na ja – ich habe nichts gesagt, denn bei meinem Freund Hajo wundere ich mich nämlich über gar nichts mehr.
Ich habe dann nach der Mittagsstunde um halb fünf mein altes rostiges Damenrad aus dem Stall geholt – hab noch ein wenig Luft in die Speichen gepustet und bin nach Neuende zu Sankt Jacob hingekrüdelt.
Als ich um den letzten Dreh bog, habe ich mich über das Bild unterhalb der alten Kirchenwarft gewundert, welches sich meinen Augen darbot.
So viele Autos und Zweiräder auf einmal hatte ich in den letzten Jahren in dieser abgelegenen Ecke des Kirchspiels Neuende nicht mehr gesehen.
Es dauerte eine Weile, bis ich einen Platz gefunden hatte, an dem ich meinen Drahtesel diebstahlsicher anketten konnte. Dazu musste ich wohl dreimal den alten Krug gleich neben der Kirche umrunden.
Die ureingessene Frau Schmidt, die nach meiner dritten Runde jüüst aus ihrer Haustür trat, und meine Suche nach einem Ankerplatz für mein Fiez sicher durchs Fenster beobachtet hatte, meinte trocken zu mir, ich solle mein Stahlross doch einfach mit in die Kirche nehmen – da würde es auch von keinem gemopst werden.
Wenn ich Tant’ Schmidt nicht schon über ein halbes Jahrhundert als eine ernsthaftige Person kennte – ich hätte wohl meinen können, sie wolle mich veräppeln.
In der nun folgenden Stunde habe ich mich denn doch noch ein paar Mal über das, was da ablief im Kirchenschiff, gewundert. Die hohe Geistlichkeit und all die Helfer der Gemeinde waren komplett anwesend.
Sollte das etwa so etwas wie das jüngste Gericht werden, schoss es mir in den Sinn – aber nein, das konnte ja nicht sein, denn ich lebte ja noch.
Nach geraumer Weile fiel bei mir aber der Groschen – das Ganze sollte eine Bedanktfeier sein. Eine Bedanktfeier für das alte Küsterpaar für die vielen vergangenen Jahre, in denen sie immer für die Kirche, den Kirchhof und die Gemeinde da waren. Und eine Bedanktfeier für die gesamte Gemeinde, dafür, dass jederzeit der Eine für den Anderen, dass Jeder für Jeden allzeit da ist. Was mich auch noch sehr verwundert hat – und das sage ich geradeheraus – das war die nur schwer überschaubare Zahl von jungen Menschen in einer Kirche, in der die Bänke bis auf die letzte Hinternbreite besetzt waren.
Als denn aber der Chor anhob zu singen – in diesem Moment habe ich mich nicht mehr über die vielen Gottesdienstbesucher in diesem Hause zu einer fremden Zeit gewundert. In diesem Moment hätte ich vor dem Können der Sänger nur noch meinen Hut gezogen – wenn ich denn einen aufgehabt hätte.
ewaldeden
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Un denn har ikk blods noch mien Hoot trekken kunnt ...
Hengoahn bün ikk mien Frünnd Hajo to Gefall’n, wiel de mi sächt har, dat he un sien Gesangsvereen Sönndachnoamiddach üm fief bi us in d’ Neeänner Kaark sing’n würn. Najoa, ikk geev dat joa to – son spierke neeschierich wee ikk ok, vanwägen dat singen köänen van de Wichters un Keerls.
As Hajo mi dat Spill dachvöördem wiesmook, dor har he netso een Kieken in sien Oogen, as mien Oma dat fröer jümmers har, wenner see mi een schlecht Geweeten anschünen wull, blods wiel ikk noa hör Meenen all laang wat Goodes versüümt har. Dat hett domoals bi mi all jümmers henhaun un nu hoo dat n’türlich ok wäär hen, denn ikk mit mien weeked Haart un mien groode Seel bün joa över de Tieden de sülvige Minsch blääven, hett mi moal een sächt.
Wunnerd har ikk mi woll een spierke över de Tied – Sönndachsnoamiddachs üm fief – un denn Gottsdennst? Na joa – ikk hevv niks sächt, denn bi mien Frünnd Hajo wunner ikk mi nämich över ganniks mehr.
Ikk hevv noa d’ Middachstünnen üm Klokk halv fief mien oled rüsterk Doam’nrad ut Peerstaal hoalt – hevv dor noch een bietji Lücht in de Speekens puust un bün noa Neeännen henkrüdelt. Wunnerd hevv ikk mi över dat, wat dor los wee, as ikk üm de letzde Drei booch. Soveel Kraftwoagens und Peddmansülvsen har ikk in dat verloaten Hörn in de letzde Joahren ni nich sehn. Bit dat ikk mien Droahtäsel irgendwons Deeffast antüddern kunn, muß ikk eers Stükk ov wat dreemoal üm de ole Kroch, dor stuuv tägen de Kaark, ümtojükeln.
Oal Tant Schmidt, de jüüst üm de Ekk drei, un mi dor noa Bott föör mien Fiez söken seech, meen drööch to mi, ikk schull dat Deert doch mit in de Kaark näämen – dor wür dat denn ok wiers nümms klauen. Wenn ikk dat Froominsch nich all över een halved Joahrhunnerd as een ernsthaftiged Minschke kennen wüür – denn har ikk woll meenen kunnt, dat see mi vergöäkeln wull.
In de tokoamen Stünnen hevv ikk mi denn noch een poarmoal wunnerd över dat wat dor so ovleep in d’ Jacobi Kaark. De heele hooge Geistlichkeit un aal de Hülpslüü van us Gemeend ween heel un dall verträden. Schull dat hier sowat as dat jüngst Gericht warden, schoot mi dat in d’ Sinn – oaber näää, dat kunn d’ joa nich wääsen, ikk lääv joa noch. Ikk bün denn oaber noa een Tied dorachter koamen, dat dat Uptrekken een Bedanktfier wääsen schull – een Bedanktfier föör dat ole Kösterspoar föör veele verleeden Joahren, in de see jümmers föör de Kaark, de Kaarkhoff un de Gemeend dorwäst sünd. Un een Bedanktfier föör de heele Gemeend dorföör, dat to alltied de een föör de anner, dat jeden föör jeder alltied dor is. Wat mi noch wunnerd hett – un dat säch ikk so liekrut – dat wee dat groode Drufel van halfwussen Minschen in een Kaark, in de de Banken bit up de letzde Morsbakkenbretde besett weesen.
As denn oaber de Chor anfung to singen, in disse Momang hevv ikk mi nich mehr wunnerd över de Vullichkeit in dat Huus to disse frömmde Tied – in disse Momang har ikk föör dat Köänen van de Sängers blods noch de Hoot trekken kunnt – wenner ikk denn een up d’ Kopp hat har.
ewaldeden
Bürgerreporter:in:Ewald Eden aus Wilhelmshaven |
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