Achterbahn des Lebens (11)
Knapp ein Vierteljahr nach meinem Debüt bekam ich von der obersten Heeresleitung den Lohn – ich wurde zum Kolonnenführer ernannt. Übrigens war ich der jüngste Leiter in der Vertriebs-Geschichte des Hauses K. in Darmstadt.
‚Klinkenputzen’ gehörte für mich von dem Zeitpunkt an der Vergangenheit an. Die Auftragsausbeute der anderen Drücker einzusammeln und zu kontrollieren, das war plötzlich meine Aufgabe. I
ch hatte noch nie zuvor so viele Friedhofsadressen zu Gesicht bekommen.
‚Friedhofsadressen’ nannten wir die Scheine, auf denen erfolglose Werber einfach die Namen von schon Verstorben eingesetzt hatten, um die geforderte Norm zu erfüllen.
Da ich das Gewerbe von einer anderen Warte aus betrachtete – ja sogar für Schwächere einsprang, um deren Soll zu erfüllen – nahm ich in kurzer Zeit eine Sonderstellung unter den Kolonnenführern ein.
Mein Ruf reichte von Nord nach Süd – wer mich von den einfachen Drückern kannte, wäre am liebsten in meiner Kolonne tätig gewesen. Dann hätte ich aber wohl mit einem ganzen Eisenbahnzug durch die Lande reisen müssen.
Mein Traum vom Reichtum nahm Formen an – am deutlichsten zeigte er sich in der Form von Spiel- oder auch Roulettetischen.
Mein Chef führte mich großzügig in die Welt der ‚beschlipsten’ Zocker ein. ‚Beschlipst’ deswegen, weil in den Spielhöllen für Reiche eine bestimmte Kleiderordnung beachtet werden musste.
Die Casinos in Wiesbaden und Aachen waren immer häufiger unsere Wochenendziele. Ich machte die Erfahrung, daß Roulettekessel ganz schön gefräßig sein können. Der allwöchentliche, leichtverdiente Nachschub an Provisionstalern ließ mich da aber nicht groß drüber nachdenken. Zumal ich nach einem gelungenen Spielabend von meinem Chef einen „Orden“ bekam.
Für meine Verdienste um die Firma verehrte er mir einen „ROLEX“ Zeitmesser – sechstausend Mark verlangte jeder Juwelier dafür.
Ich schwebte in dem Moment im siebenunddreißigsten Kolonnenführerhimmel. Und genau da wollte mein gerissener Chef mich offenbar auch hinhaben – es war ihm gelungen - zumindest für eine geraume Weile.
Nach weiteren vier Wochen in meiner Führungsstellung – in der ich mit einem Kleinbus aus der Wolfsburger Autoschmiede meine Kolonne in die Einsatzgebiete kutschierte – stand mir als gönnerhafte Gabe meines Chefs ein nagelneuer Opel-Ascona zur Verfügung.
Gegen den Chevrolet-Camaro des Bosses war selbst dieses Benzinkutsche aber nur der berühmte Spatz in der Hand, mit dem ich mich zufrieden geben musste, während er die Taube auf dem Dach verspeiste.
Wenn ich heute so zurückschaue, kann ich nicht mehr verstehen, warum ich die Allüren meines Chefs nachahmte. Auf jeden Fall fuhr ich in meinem Ascona dem Fußvolk, das sich auf den Plätzen im VW-Bus drängelte, voraus. An den ausgemachten Treffpunkten mußte sich jeder beim Statthalter im Ascona – der ich nun ja war – seine Weisungen abholen. Die Kontrolle der Mitarbeiter wurde dadurch immer effektiver. Erfolglosigkeit eines ‚Drückers’ bemerkte man sofort.
Wir logierten immer in Gemeinschaftsquartieren – so konnte man am besten Querschlägern in der Mannschaft ausweichen oder besser noch vorbeugen.
Eines Abends saß ich alleine im Fernsehzimmer der Gruppenunterkunft. Die Mitternacht hatte sich schon aus dem Staub gemacht. Trotzdem fand ich noch keinen Schlaf. Ein Kriminalfilm vertrieb mir die Langeweile, als ich plötzlich Wärme an meiner Seite spürte. Es war eine Wärme der ganz besonderen Art – Wärme, wie sie nur von einem verführerischen weiblichen Körper ausgeht.
Brigitte – ein Mitglied unserer Truppe – heizte mir ein. Seit Wochen hatte mein kleiner Prinz in der Hose nicht mehr gejubelt – jetzt tränten ihm plötzlich vor soviel naher Weiblichkeit die Augen.
Brigitte hatte nur einen Hauch von Nachthemd über ihre süßen Verlockungen gestreift. Die schimmernden Kugeln der Brüste, der flache Bauch und die sanfte Erhebung des Hügels der Venus schienen durch den Stoff und machten meine Sinne betrunken.
Seit Monaten hatte ich an keinem Honigtopf mehr genascht – in dieser Nacht bekam ich reichlich Gelegenheit meinen Hunger auf Süßes zu stillen.
Brigittes Lustzentrum war anscheinend genauso ausgehungert wie das Meine. Morgens hingen wir daher ziemlich groggy in den Seilen. So intensive und lang andauernde Nahkämpfe waren für mich eine ganz neue und ungewohnte Erfahrung.
Unser nächtliches Kampfgetümmel hatte das ganze Logis mobil gemacht. Brigittes Lustschreie waren überall gehört worden. Uns fragen, ob wir gut geschlafen hätten, brauchte uns am Morgen keiner. Diese Schlachten wiederholten wir beide nun regelmäßig – Brigitte war für längere Zeit ‚mein Mädchen’.
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Fortsetzung folgt
Bürgerreporter:in:Ewald Eden aus Wilhelmshaven |
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