Renten in Europa - Nachtrag

Lesen Sie in folgendem Bericht, warum es so wichtig ist, rechtzeitig vorzubeugen:

Wer soll Renten der Babyboomer zahlen?

Will Europa nicht den Anschluss verlieren, müssen Europäer ihre Gesundheit fördern und länger arbeiten, sagt Hans Groth, Direktionsmitglied des Pharmakonzerns Pfizer/Schweiz.

In Westeuropa werden bis zum Jahr 2030 auf vier Todesfälle drei Geburten kommen, prognostizieren Demografen.Trotz Zuwanderung wird die westeuropäische Bevölkerung jährlich um über eine halbe Millionen Menschen schrumpfen. Im wirtschaftlichen Wettbewerb, zum Beispiel mit den USA, verliere Europa so dringend benötigte Arbeitskräfte. Lebten im Jahr 2005 in Europa noch rund 100 Millionen Menschen mehr als in den USA, werden es 2030 nur noch rund 35 Millionen mehr sein.

In den nächsten zwanzig Jahren wird in den USA die Gruppe der 16- bis 65-Jährigen - also die der Arbeitsfähigen – um zehn Prozent wachsen. In Westeuropa dagegen wird sie um acht Prozent sinken, in der Schweiz um sieben Prozent. Die Gruppe der über 50-Jährigen wird hingegen um 40 Prozent zunehmen.

Wer also soll die Renten der Babyboomer zahlen, wenn diese nun nach und nach in Pension gehen?

Viele europäische Länder unterschätzen noch immer die Dimension der Herausforderung. Und sie sind der Irrmeinung, dass eine Familienpolitik mit dem Ziel einer höheren Kinderzahl, einer erhöhten Erwerbsquote bei Frauen sowie gezielte Einwanderungsprogramme für Fachkräfte das Problem lösen werden. Dies ist schlicht falsch und verantwortungslos. In den Industrienationen lässt sich ein einmal eingetretener Geburtenrückgang nicht nennenswert umkehren. Die Bevölkerungspyramide wird sich in ein Rechteck verwandeln. Und die Bereitschaft von Fachkräften zur Migration wird überschätzt.

Der einzige „demografische Vorteil“, den Europa hat, ist die Altersgruppe „80 Plus“!

Erstens ist das Gesundheitsprofil der Europäer ein grosser Segen. Die Schweizer zum Beispiel haben gegenwärtig durchschnittlich vier gesunde Lebensjahre mehr als die US-Bürger. Das ist auch Spiegelbild sehr effizienter Gesundheits- und Sozialsysteme für alle Bürger.

Zweitens wird die Gruppe der über 50-Jährigen in nie dagewesenem Ausmass wachsen. Die Lebenserwartung in sehr guter Gesundheit wird weiter steigen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil: Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit wird nun möglich. Darüber sollte man ohne Vorurteile sprechen.

Bereits jetzt stöhnen die Arbeitnehmer, dass die Arbeitsbelastung immer grösser wird. Von den 1960er-Jahren bis zum Jahrtausendwechsel stieg die durchschnittliche Lebenserwartung beispielsweise der Franzosen um rund acht Jahre. Ihr Pensionierungsalter wurde in diesem Zeitraum etwa sieben Jahre vorverlegt. Wie aber soll ein immer längeres „arbeitsfreies“ Leben mit hohen Ansprüchen an die Lebensqualität finanziert werden? Das überfordert jede, auch noch so gute Pensionskasse.

Selbst die üblicherweise angestrebte Lebensarbeitszeit bis 65 Jahre wird nur in wenigen Ländern tatsächlich erreicht. Die Schweiz ist da eine rühmliche Ausnahme. Länder wie Frankreich, Deutschland und Österreich haben die Lebensarbeitszeit wegen kurzfristigen opportunistischen Wahlversprechungen verkürzt – während sich die Lebenserwartung verlängerte. Diese Rechnung geht auf Dauer nicht auf!

Wir sollten Wege und Mittel finden, die „altersspezifische Produktivität“ von Arbeitskräften über 50 Jahre optimal einzubinden. Es müssen Arbeitsmodelle, Arbeitsplatzanforderungen, gegebenenfalls Industriezweige entwickelt werden, die auf die Stärken und Erfahrungen älterer Arbeitskräfte zugeschnitten sind. So könnte die Schweiz trotz stagnierender und alternder Bevölkerung ihren Wohlstand mehren anstatt ihn aufzuzehren.

In Frage kommen vor allem Tätigkeiten im Dienstleistungssektor, etwa solche, bei denen Erfahrung, Urteilsvermögen, Ausgeglichenheit, Bereitschaft zur ständigen Weiterbildung und ein gewisses Mass an Souveränität von Bedeutung sind.

Die Arbeitgeber sind da gefordert. Verdrängung der „Alten“ aus dem Arbeitsleben ist eine Vokabel von gestern für jeden Arbeitgeber, der langfristig plant. Darüber hinaus geht es aber auch um die Wertschätzung und das Gefühl des Gebrauchtwerdens einer rasch wachsenden Bevölkerungsgruppe.

Auszüge aus einem Interview mit Hans Groth. Der Mediziner und Ökonom ist Mitglied der Direktion des Pharmakonzerns Pfizer Schweiz. Zusammen mit Nicholas Eberstadt schrieb er das Buch: Europe's Coming Demographic Challenge.

Wer Interesse hat, Lösungsvorschläge zu diskutieren kann sich bei mir melden unter: info@peter-riske.com

Bürgerreporter:in:

Peter Riske aus Germering

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