Ein einzelner Baum ist keine Parkanlage; ein Generator allein keine Biogasanlage

... BHKW-Container am geplanten Standort südlicher Schwarzer Koppelweg ...
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Biogasanlagen, BHKW, Einspeisevergütungen und Stichtage – diese Begriffe sind die Treiber von Agrarindustriellen „Energiewendern“ und Helfern. Neue Anlagen müssen ans Netz, auch wenn sie noch nicht fertiggestellt sind. Das Schielen nach der profitabelsten Einspeisevergütung nach dem EEG scheint den Blick für das Wesentliche zu verschleiern. Das führt oft zu dem verbreiteten Irrtum, das allein „die erstmalige“ Inbetriebsetzung des Generators eine höhere Vergütung garantiert, auch wenn das BHKW nicht an einem Fermenter angeschlossen ist. Der konkrete Fall:

In Springe am Deister soll eine Methangasfabrik gebaut werden. Der Bebauungsplan wurde am 29. September 2011 beschlossen. Die Baugenehmigung ist bei der Region Hannover beantragt. Zwischenzeitlich sind von einer Interessensgemeinschaft Zweifel an der Richtigkeit des TÜV-Gutachtens hinsichtlich Lärm- und Geruchsausbreitung geäußert worden. Ein externer Gutachter hat dies bestätigt; das Gutachten liegt dem zuständigen Gewerbeaufsichtsamt zur Beurteilung vor. Es ist davon auszugehen, dass der Bauantrag korrigiert werden muss.

Der Bebauungsplan ist durch die Stadt Springe noch nicht veröffentlicht. Offensichtlich will man damit warten, bis der Bauantrag genehmigt ist. Damit dürfte ein Eilantrag mit dem Ziel der aufschiebenden Wirkung der Baugenehmigung kaum Erfolg haben, da durch dieses Hand-in-Hand-Manöver mit dem Bau sofort begonnen werden könnte.

Allerdings dürfte heute schon klar sein, dass die Biogasanlage in diesem Jahr wegen noch ausstehender Baugenehmigung und absehbarer widriger Witterung nicht mehr fertig werden wird. Damit könnte das angepeilte Ziel, noch in den Genuss der höheren Einspeisevergütung 2011 zu kommen, verfehlt werden. Im Rathaus Springe ist man sich sicher, dass die Investoren – Landwirte und Stadtwerke Springe – dennoch in den Genuss der höheren Einspeisevergütung kommen werden. Wie das?

Der Erste Stadtrat Hermann Aden, der gleichzeitig auch Mitglied des Aufsichtsrats der Stadtwerke Springe ist, verriet in der NDZ vom 26. Oktober, wie man auch ohne Biogasanlage an die höhere Vergütung kommt: „Die Heizkraftwerke könnten auch mit Gas aus Tanks oder großen Flaschen betrieben werden. Entscheidend ist, dass bis zum Stichtag der Beweis vorliegt, dass die Anlage funktioniert.“

Zwei Blockheizkraftwerke, eines steht bereits auf dem Gelände der späteren Biogasanlage, das andere Aggregat ist etwa neunhundert Meter entfernt an einem Bauernhof – angeblich vorübergehend - aufgestellt worden. Von dort soll später, wenn alles gut geht, die DRK-Blutbank mit der Abwärme aus dem BHKW bedient werden. Diese beiden Aggregate sollen bis zum 31. Dezember quasi „fremdgezündet“ werden in der Annahme, dass damit der Nachweis der Funktionsfähigkeit der Biogasanlage in 2011 erbracht sei.

Was ist an dieser Annahme falsch? Die Antwort gibt das BGH-Urteil VIII ZR 308/07, das am 21. Mai 2008 verkündet worden ist. Dieses Urteil behandelt explizit, wann welche Einspeisevergütung nach jeweils geltendem EEG gilt. Das Urteil ist klar gefasst, technisch nachvollziehbar und ist nicht beliebig interpretierbar. Da heißt es:
„Die Inbetriebnahme einer Biomasseanlage setzt voraus, dass die Anlage zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien oder Grubengas technisch betriebsbereit ist.

Erforderlich dafür ist, dass die Anlage über eine Einrichtung zur Gewinnung und Aufbereitung des jeweiligen Energieträgers verfügt, was bei einer Biogasanlage einen angeschlossenen Fermenter voraussetzt.“

In § 3 Nr. 5 Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG 2009 / 2012 wird die Inbetriebnahme definiert als „die erstmalige Inbetriebsetzung des Generators der Anlage nach Herstellung der technischen Betriebsbereitschaft der Anlage, unabhängig davon, ob der Generator mit erneuerbaren Energien, Grubengas oder sonstigen Energieträgern in Betrieb gesetzt wurde;…“

Was die Verfasser des EEG getrieben hat, den Wortlaut des BGH nicht wörtlich zu übernehmen, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Doch inhaltlich sagt § 3 Nr. 5 EEG nichts anderes aus als das BGH-Urteil. Allerdings geht das EEG sehr großzügig mit dem Begriff Anlage um. Das bedarf einer Klarstellung.

Als Anlage wird in der Technik eine planvolle Zusammenstellung von in räumlichem Zusammenhang stehenden Anlagenkomponenten bezeichnet. Ein BHKW in einer Biogasanlage ist nichts anderes als eine Anlagenkomponente. Ein BHKW als Anlage zu verstehen, ist also falsch. Es ist vielmehr ein Aggregat, das der Definition nach eine Gruppe von zwei oder mehreren gekuppelten Maschinen ist; beim BHKW Gasmotor und Generator. Ins Bild gesetzt: Ein einzelner Baum ist keine Parkanlage. Noch deutlicher: Ein Schiff ohne Hauptmotor würde zwar schwimmen, aber nicht fahren. Ein Hauptmotor ohne Schiff würde auf der Stelle absaufen.

Wie sind BGH-Urteil und EEG sachgerichtet zu interpretieren? Dazu muss man sich den Prozess der Biogasanlage näher anschauen: Ist eine Biogasanlage komplett fertiggestellt und „gefüttert“, ist sie aus sich heraus nicht arbeitsfähig. Dazu bedarf es des Anstosses von aussen – die Anlage muss mit Fremdhilfe „angefahren“ werden. Mit Strom aus dem allgemeinen Versorgungsnetz wird die elektrische Betriebsbereitschaft hergestellt. Das BHKW wird mit Fremdgas aus Tanks oder Flaschen gestartet und betrieben, und zwar so lange, bis mit der Abwärme des Gasmotors die Fermenter soweit aufgeheizt sind, das die Gasproduktion einen von Fremdgas unabhängigen Betrieb des BHKW ermöglicht. Dieser Anfahrprozess könnte auch über den Stichtag hinaus andauern, doch das BHKW ist „am Netz“. Die bis zum Stichtag geltende Einspeisevergütung könnte zu Recht beansprucht werden.

Natürlich gibt es andere Möglichkeiten, trotz unfertiger Anlagen an höhere Einspeisevergütungen zu kommen. Wie aus gut unterrichteten Fachkreisen der Biogasanlagenindustrie verlautet, wird davon aber dringend abgeraten. Es wird im Gegenteil dazu geraten, angefangene Biogasanlagen noch 2011 fertig zu stellen und in Betrieb zu nehmen. Es sei zweifelhaft, heißt es, ob bei einer nicht fertiggestellten Biogasanlage die Stromproduktion mit Fremdenergie ausreiche, um die Einspeisevergütung 2011 beanspruchen zu können.

Das Springer Modell, mit einem vorgetäuschten Echtstart der BHKWs mit Fremdgas an profitablere Einspeisevergütungen zu kommen, muss vor diesem Hintergrund scheitern. Es dürfte mehr als zweifelhaft sein, ob auf diese Weise das Vergütungsjahr 2011, so wie Herr Aden es sieht, im Einklang mit den einschlägigen Gesetzen gesichert werden kann.

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Bürgerreporter:in:

Friedrich Schröder aus Springe

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