Es kreiste der Berg und gebar eine Maus

Mir würde da spontan was einfallen... | Foto: M.E.  / pixelio.de

Viel Müll im Hochhaus billig, wenig Müll im Einfamilienhaus teuer. Laut Zweckverband ist das das gerechteste und sinnvollste, was man sich in monatelanger harter Arbeit ausdenken konnte.

Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt

Abgesehen davon, dass die Beschlussdrucksache wohl nur den halben Umfang hätte, wenn man die Stellen gestrichen hätte, an denen der Zweckverband beklagt, dass es ja „Arbeit macht“ ein rechtmäßiges Gebührensystem auf die Beine zu stellen, sind die Argumentationsketten des Zweckverbandes in der Beschlussdrucksache wirr, abenteuerlich und erinnern an „Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt“ à la Pipi Langstrumpf während sie sich im Kreis um sich selbst drehen. Eine Gebührenordnung nach den in der Beschlussdrucksache niedergelegten Plänen des Zweckverbands Abfallwirtschaft würde erneut vor Gericht scheitern. Man stünde genau da, wo wir jetzt auch sind. Die Grundproblematik der überproportionalen Grundgebühr im Verhältnis zur Volumengebühr ist nicht gelöst, sondern verschärft worden.

Man muss sich immer vor Augen halten, dass der Zweckverband jahrelang Gebühren aufgrund einer rechtswidrigen Gebührensatzung erhoben hat, die das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (http://bit.ly/VA1puC) ihm mit Pauken und Trompeten um die Ohren gehauen hat und jetzt hat er nichts anderes zu tun, als zu jammern, das ja alles so kompliziert und unübersichtlich und aufwändig ist? Wenn wenigstens etwas Vernünftiges, Haltbares dabei herausgekommen wäre.

Es ist fast schon putzig. Es drängt sich die Frage auf, ob der Zweckverband das Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg (insbesondere hinsichtlich des Gebührenmaßstabs ab Randziffer 47) überhaupt gelesen hat. Immer wieder (S. 6 und 8 der Beschlussdrucksache) stellt der Zweckverband korrekt fest, dass die Erhebung einer Grundgebühr entsprechend der richterlichen Vorgaben, zu einer Belastung im Bereich der jetzigen Behälterabfuhr und einer Entlastung im Bereich der jetzigen Sackabfuhr führen muss, kommt dann aber zu dem Schluss, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Dabei lag ja genau hier in der Vergangenheit das Problem: Für gleiche Abfallvolumen von beispielsweise 40 Litern wurden im Einzugsbereich der Behälterabfuhr 2,50 Euro fällig und im Bereich der Sackabfuhr 13,40 Euro! Diverse Beispielrechnungen findet man unter: http://www.kitsi.de/Gebuehrenproblem.html. Diese Ungleichbehandlung kann man nur lösen in dem der eine mehr bezahlt und der andere weniger. Das liegt in der Natur der Sache! Für den Zweckverband ist das ein Grund den Unterschied noch zu verschärfen indem er mit einer weiter erhöhten (!) Grundgebühr pro Grundstück davon ausgeht, das Grundstücke den Müll produzieren und nicht etwa die dort lebenden Personen. Viel Müll im Hochhaus billig, wenig Müll im Einfamilienhaus teuer. Laut Zweckverband ist das das gerechteste und sinnvollste, was man sich in monatelanger harter Arbeit ausdenken konnte.

Rechtliche Vorgaben

Die Bemessung der Abfallgebühren hat nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der Einrichtung, also nach einem Wirklichkeitsmaßstab zu erfolgen, der nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Inanspruchnahme stehen darf und soll die Vermeidung und Verwertung von Abfällen fördern (Randziffer 58 des Urteils). Statt sich an diesen Vorgaben zu orientieren, will der Zweckverband das rechtlich unhaltbare Verhältnis zwischen Grundgebühr und Volumengebühr aus der Sackabfuhr nun auch noch für die Behälterabfuhr übernehmen – wenn schon schlecht und rechtswidrig, dann wenigstens überall?

Wie machen es die anderen?

Wie bringen es bloß die umliegenden Kommunen fertig, teilweise ganz ohne Grundgebühren kostendeckend zu arbeiten, ohne dass das gleich den Untergang des Abendlandes bedeutet (s. auch hier http://www.kitsi.de/Gebuehrenproblem.html)? Vielleicht ist der Zweckverband einfach ein kleines bisschen unwirtschaftlich im Vergleich zu ähnlichen Einrichtungen in anderen Kommunen?

Neue Grundsteuer?

Es gibt mehrere Aussagen in der Beschlussvorlage die einem jede Menge Fragezeichen auf die Stirn zaubern und zu unwillkürlichem Kopfschütteln beim Lesen führen – hier nur Auszüge:
S. 6 „Bei einem zukünftigen Gebührensystem (…) kann eine weitgehend ausgewogene Verteilung der Gebühren (…) nur mit einer einheitlichen Grundgebühr erreicht werden!“ – Wie bitte? Das Gegenteil ist der Fall! Eine einheitliche (und dann auch noch grundstücksbezoge) Grundgebühr erreicht eben keine ausgewogene Verteilung nach dem Verursacherprinzip, sondern macht den Müll da billig, wo viele Menschen auf einem Grundstück wohnen und da teuer, wo wenige auf einem Grundstück wohnen. Man könnte meinen, der Zweckverband will eine zweite Grundsteuer erheben.

„Wiege-Identsystem“ nach dem Wirklichkeitsmaßstab

Das gerechteste System kennt der Zweckverband sogar auch, das „Wiege-Identsystem“ nach dem Wirklichkeitsmaßstab. Hört sich doch gut an Wirklichkeitsmaßstab. Jeder bezahlt nur den Müll, den er auch produziert. Chip an der Tonne. Monatsrechnung online. Vollautomatsich. Gibt es schon seit Jahren. Ist dem Zweckverband aber zu kompliziert. Das wäre ja auch zu schön, wenn es in der Stadt der weltweit größten Messe zur Darstellung digitaler Lösungen aus der Hightech-Industrie (CeBIT) RFID-Chips an den Tonnen gäbe.
Witzig: Der Zweckverband lehnt dieses einzige wirklich gerechte System ab, weil es den „Bereitstellungsvorteil“ nicht vergütet – will sagen, weil es keine Grundgebühr hat. Ja, liebe Leute wir gestalten uns ja gerade ein neues System und da darf man sich was wünschen! Wie wäre es mit einer Grundgebühr im „Wiege-Identsystem“ von 5,00 Euro pro Nutzer? Jeder Haushalt kriegt seinen Chip und die Tonne(n) für 5,00 Euro im Monat und mit dem Chip – kennen vielleicht viele von der Zeiterfassung oder jetzt auch vom kontaktlosen Zahlungsverkehr – kann man die Tonnen öffnen und seinen Krempel zum Wertstoffhof bringen und was weiß ich nicht alles. Geradezu verrucht innovativ wäre an der Stelle ja die Verwendung des elektronischen Personalausweises (nPA), den bald eh jeder hat. Braucht man nicht mal Chips kaufen. Alles bargeldlos und vollautomatisch. Apropos wünschen: Bei einem solchen System wäre es auch problemlos möglich Familien zu entlasten – für jedes Kind für das Kindergeld bezogen wird, gibt’s Rabatt – wie wär’s damit? Ist aber dem Zweckverband zu kompliziert und zu teuer. Kostet zwar weniger als der Zweckverband für die O-Tonne schon zum Fenster rausgeschmissen hat, aber wer will da schon so spitz abrechnen.
Noch witziger: Der Zweckverband hat die Sorge, dass es mit dem „Wiege-Identsystem“ nur noch so wenig Müll gäbe, dass das Müllauto die Mülltonnen suchen muss (echt, S. 10 der Beschlussdrucksache). Ist klar. Denn beim „Wiege-Identsystem“ stellen alle ihre Tonne an die Straße, wann es ihnen passt oder verstecken sie gleich im Vorgarten. Das wäre dann wie jetzt schon, wenn die Leute im Urlaub sind, da irren die Müllautos hilflos durch die Straßen auf der Suche nach Müll. Bin sprachlos.

Fazit

Da hat jemand einfach keine Lust auf was Neues und setzt auf die Fortführung der bewährten Rechtswidrigkeit mit anderen Mitteln. Glückwunsch.
Da darf man sich schon mal fragen, wer den Laden eigentlich führt und warum und ob der da wohl richtig ist.
Übrigens weiß noch kein Mensch wie es um die Umsetzung der politischen Ziele: Erleichterung für Kleingewerbe, Familienfreundlichkeit und soziale Gerechtigkeit, Belohnung für Abfallvermeidung und Recycling und Reduzierung der wilden Abfallentsorgung bestellt ist. Denn bei dem ganzen Bohai vergisst man ganz, dass der Zweckverband im Grunde noch nicht mehr gesagt hat, als das er eine Grundstücksgebühr von 14,40 Euro für seine Diente erheben will. Daher: Es kreiste der Berg und gebar eine Maus.

Hintergrundinformationen

aha Pressemitteilung: http://bit.ly/VswLkN
Beschlussdrucksache: http://bit.ly/VzrsWc
Urteil des Oberverwaltungsgerichts: http://bit.ly/VA1puC
Wiege-Ident-System: http://bit.ly/W7h84i
Hintergrund Gebührenproblematik: http://bit.ly/XsC5Gc

Bürgerreporter:in:

Christian Springfeld aus Springe

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