Ein Himmel auf Erden – myheimat-Gottesdienst in Engelbostel

Aus dem Heimatbaum wachsen viele Äste
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Engelbostel | Für die Martinskirchengemeinde Engelbostel-Schulenburg ist am 24. August schon einmal ein vorgezogener Heiligabend gewesen. Weit mehr als 300 Protestanten, so viele wie sonst normalerweise nur zu Weihnachten, haben sich am Sonntagabend den ersten Gottesdienst nicht entgehen lassen, der in Niedersachsen dem Thema "myheimat" gewidmet war.
Wie kontrovers die Idee von Pastor Lothar Podszus, der selbst ein aktiver Fan des Mitmachportals myheimat.de ist, unter den evangelischen Gläubigen diskutiert wurde, zeigte sich noch während des Kirchgangs. Eine 80-jährige Dorfbewohnerin machte aus ihrem Unmut keinen Hehl und schimpfte über diese Schnapsidee des Seelsorgers. "Wir leben doch in Deutschland", sagte sie ziemlich verärgert zu ihrer Begleitung. Sie hätte sich lieber einen anderen TItel für den Heimatgottesdienst gewünscht, der die Festwoche "Engelbostel – 975 Jahre und mehr" mit einem Auftakt beschloss. Mit dem ersten niedersächsischen myheimat-Gottesdienst begann die Martinskirchengemeinde auch ihre neue Abendgottesdienstreihe SonnTakt.
Pastor Podszus war sich bewusst, dass er mit seiner Entscheidung für die englisch-deutsche Wortschöpfung nicht gerade einen populären Titel ausgewählt hatte. "Aber warum tut der Begriff myheimat so weh?, fragte er in seiner Predigt. Was stört? Was passt nicht? Das schöne deutsche Wort Heimat – ist damit nicht alles gesagt? Idylle pur ..." Podszus findet hingegen: "Das idyllische Wort Heimat schreit geradezu nach einer unpassenden Vorsilbe!! Damit deutlich wird: Heimat ist für alle da, für alle offen, eben keine geschlossene Gesellschaft – auch das Unbekannte – der Fremde und die Fremde gehören dazu." Für den Seelsorger müssen das einheimisch Vertraute und das Fremde organisch zusammenwachsen, das Fremde dürfe nicht widerwillig mitgeschleppt werden wie eine künstliche Prothese.
Wie sich die Zeiten wandeln, machte Podszus an einer Redenswendung deutlich, die vor allem den Älteren noch sehr vertraut ist, wie das Murmeln in der Gemeinde belegte. Früher sagte man: "Grün und Blau, das schmückt die Sau." Und heute fügten sich diese beiden Farben nicht nur bei den Modeschöpfern der Haute Couture prächtig zusammen.
My steht aber nicht nur für Fremdes, sondern auch für sehr Vertrautes. Schließlich bedeutet es meine Heimat und “wo es um meine Heimat geht, wird's immer ganz persönlich", sagte der Pastor. "Was ist Deine Heimat? Wo ist Deine Heimat? Wo sind Deine inneren Wurzeln?"
Wie vielschichtig der Begriff Heimat gedeutet werden kann, beleuchten ein paar Zitate: "Wie ein Vogel, der aus dem Nest flüchtet, so ist ein Mann, der aus seiner Heimat flieht", heißt es in den Sprüchen Salomos. Und Herbert Grönemeyer findet: "Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl!" Ach, da gibt es auch noch eine Volksweisheit: "Die ursprüngliche Heimat ist eine Mutter, die zweite eine Stiefmutter!?" Bei Sofie Scholl entdeckte der Pastor den aus seiner Sicht emotionalsten Ausspruch: "Ich drücke mein Gesicht an seine dunkle, warme Rinde und spüre Heimat - und bin so unsäglich dankbar in diesem Augenblick." Der Dichter Christian Morgenstern setzt hingegen einen ganz anderen Akzent: "Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird." Und bei dem Philosophen Friedrich Nietzsche fand der Seelsorger die ergreifende lyrische Klage "Weh dem, der keine Heimat hat!" Dass die Worte Himmel und Heimat die gleiche sprachliche Wurzel haben, hat den Prediger nicht wirklich überrascht. Schließlich kann auch eine Kirche myheimat sein. So wünschte sich der Pastor zum Abschluss, dass im hektischen Alltag viele Menschen nicht nur die Schönheiten der alten Dorfkirche in Engelbostel neu entdecken, sondern "hier auch ganz zaghaft wieder etwas heimisch werden".
Frische Lieder, eine gespielte Szene, in der ein myheimat-Rundfunkreporter Gemeindemitglieder nach ihrem Heimatbegriff fragte und die Vorstellung der neuen Konfirmanden rundeten eine gelungene Premiere ab.

Lieber Markus Christian Maiwald, jetzt haben wir bei der nördlichen Schwester unserer Community auch unseren myheimat-Pastor. Und so weit liegen Meitingen und Engelbostel auch nicht auseinander.

Bürgerreporter:in:

Clemens Wlokas aus Springe

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