Geschichten, die das Leben schreibt - Begegnungen in Soltau
Manchmal ist es einfach nur zum Staunen, wie das Leben so spielt und die schönsten Geschichten präsentiert. Eine Geschichte vom Leben selbst leicht und harmonisch orchestriert ist hier entstanden über Ahnensuche, Ahnenfindung und quicklebendige Begegnungen.
Diese Geschichte beginnt mit einer Vorgeschichte auf myheimat: Am 30.10.2011 las ich dort den Beitrag "Gesang in St. Jakobi" von Ewald Eden über ein Chor-Konzert in Neuende bei Wilhelmshaven. Ich erinnerte mich dabei an meine Zeit in der Kantorei der Schlosskirche Ahrensburg bei Hamburg und schrieb davon in meinem Kommentar. Im weiteren Kommentarverlauf gesellte sich Roswitha Bute aus Soltau dazu und es entstanden mit ihr Dialoge - wie es so bei myheimat mancherorts geschieht. Wir entdeckten über die Musik Zusammenhänge in unseren Lebensgeschichten. Roswitha´s Avatarbild war mir vorher schon bei anderen Kommentaren aufgefallen und ich hatte im Sinn, sie gelegentlich auf ihren Wohnort Soltau anzusprechen. Denn in Soltau da war doch was - da kam doch meine Großmutter Anna her. So kam mir der Gedanke, Roswitha hier zu fragen, ob sie womöglich jemanden aus der Familie Mackenthun kenne - jene Familie, aus der Anna stammte. Und das tat ich dann mit meinem Kommentar vom 31.10.2011. Und siehe da, was sich daraus ergab ...
Roswitha schrieb am 01.11.2011:
"Der Name Mackenthun ist in meinem Gedächtnis, und zwar ein Horst Mackenthun, der bei der Stadtkasse beschäftigt war und sich im Sport engagiert hat. Er ist jedoch schon lange nicht mehr."
Und ich antworte daraufhin:
"Liebe Roswitha, lieber Ewald, der Horst Mackenthun ist tatsächlich ein (verstorbener) Bruder meiner Großmutter Anna - das hat mir meine Mutter bestätigt. Sie kann sich noch sehr gut an einzelne Namen erinnern. Ich werde meine familiäre Spurensuche fortsetzen und die Ahnenforschung gemeinsam mit meiner Mutter vertiefen. Ganz besonders herzlichen Dank, liebe Roswitha, für Deine persönlichen Mails an mich und für unser heute geführtes Telefonat."
Und dann schrieb Roswitha mir folgende Mail:
Liebe Kirsten, die Spurensuche geht mit Spannung weiter - nach einem Telefonat mit meiner Freundin Ingrid um Recherche nach dem Namen Mackenthun. Ingrid war über 20 Jahre Schriftführerin in dem großen Sportverein MTV Soltau mit 2.600 Mitgliedern, in dem ich 10 Jahre lang die Wirtin war. Kirsten, dadurch ist man irgendwie mit der halben Stadt bekannt und kann so ratz-fatz Verbindungen zu Menschen herstellen, die weiter helfen können. Ingrid hat den Horst gekannt und gemeint, ich solle doch Walter L. ansprechen - Walter würde sicher mehr wissen!! Nun stell´ Dir vor liebe Kirsten, heute auf dem Rückweg vom Job sehe ich den Walter - vor seinem Haus auf einer Leiter stehend, um Zweige vom Baum zu schneiden. Walter kennt die ganze Stadtgeschichte und auch die dazugehörigen Menschen. Er arbeitet noch ehrenamtlich als Stadtführer usw. und er konnte mir viel von Deiner Familienwurzel-Geschichte erzählen. Ganz begeistert war ich nun, als er mir von einer geborenen Ulla Mackenthun erzählte, die mit einem Gerd R. verheiratet ist. Meine Güte Kirsten, ist das eine Freude, die ich Dir erzählen kann!! Gerd ist mir nämlich bestens bekannt - er ist in der Marinekameradschaft und war Chorleiter im Shanty-Chor - ein ganz lieber Gast bei uns. Was sagst Du nun??? Ich glaube die Wurzeln sind fast ausgegraben. Jetzt seid Ihr dran - Deine Mutter und Du ... - hier die Adresse und Telefonnummer ... Alles Gute liebe Kirsten - wir hören von einander - ich bin total gespannt !!!! Herzlichst Roswitha
Mit diesen mich sehr erfreuenden Neuigkeiten rief ich meine Mutter Jutta an. Sie war mindestens genauso überrascht und erstaunt wie ich. Der letzte Brief an ihre Cousine Ulla wurde von ihr in den 1990er Jahren geschrieben. Gesehen hatten sich die beiden Cousinen zuletzt in den 1950er Jahren. Und dann ging alles ganz flott - ein Anruf meiner Mutter bei ihrer Cousine in Soltau und ein Treffen am 24.11.2011 war verabredet.
So fuhren meine Mutter und ich mit dem Zug nach Buchholz i. d. Nordheide und stiegen dort in den "Heide-Express" nach Soltau. Wir waren gespannt darauf, wie das Treffen wohl werden würde. Für meine Mutter sollte es eine Begegnung nach etwa 60 Jahren werden und für mich die erste Begegnung mit unseren Verwandten seit ich drei, vier Jahre alt war. In Soltau wurden wir vom Zug abgeholt - und alle freuten sich sichtbar und spürbar über dieses Zusammentreffen.
Auf unserem Weg lag die St.-Johannis-Kirche und die besuchten wir als Erstes. Hier also war meine Großmutter Anna getauft und konfirmiert - hier war der Mittelpunkt des kirchlichen Lebens unserer Familie Mackenthun - hier wurden auch Ulla und Gerd als Hochzeitspaar getraut und meine Eltern waren beide dabei - das alles war für mich ein besonders berührendes Empfinden.
Wir gingen weiter den Weg über den Bullerberg zum Haus, in dem meine Großmutter früher lebte und in dem unsere Verwandten heute immer noch leben. Bei einer Führung durch die Räume erinnerte sich meine Mutter (Jg. 1925) daran, wie sie früher als Kind in den Ferien dort spielte - in der Küche, in der Waschküche, im Stall, im Garten, am Bullerberg. Sie erzählte von Mahlzeiten, bei denen zu besonderen Anlässen gebratene Tauben auf großen Platten serviert wurden - so war es damals bei Taubenzüchtern.
Nun saßen wir zu Viert am Esstisch zum Mittagsmahl mit selbstgekochter leckerer Kürbissuppe und später bei Kaffee und feinem selbstgebackenen Kuchen. Ich lauschte den Worten, die vergangenes und gegenwärtiges Leben beschrieben in einer Zeitspanne von mehr als 100 Jahren. Dazu haben wir Fotoalben angeschaut und ich konnte mir Bilder davon machen, wie es früher bei unseren Verwandten war und wie sie heute leben. Aus dem Gesicht meiner Großtante Ulla (85 J.) schien meine Großmutter Anna mir entgegen zu schauen.
Eine Freude war für mich, die Lebensgeschichte meines Großonkels Gerd (89 J.) als Berufsmusiker zu hören. In seinem Musikerleben führten seine Wege im Krieg mit seinem Musik-Corps nach Wilhelmshaven zur Verabschiedung der U-Boote, die auf Kriegsfahrt gingen. Seine militärischen Musikwege führten auch auf die Nordseeinsel Norderney. Wilhelmshaven und Norderney - zwei Orte, die mit unserem Heimatdichter und Heimaterzähler Ewald Eden in Beziehung stehen - wie seine Erzählung "Nordwehen - Ein Inselsommer" - woran ich beim Betrachten der Fotos denken musste. Wir erfuhren mehr von der Marinekameradschaft und vom Shanty-Chor in Soltau sowie aus der Zeit, als später die Familie R. 30 Jahre lang in München lebte und wo Gerd als Orchester-Musiker tätig war. Und wie unsere Familienzusammenführung nun durch Roswitha zustande kam, wurde wahrlich bestaunt. Bei Gerd war Roswitha in bester Erinnerung. Ulla - von Beruf her Buchhändlerin, ehrenamtlich für den Deutschen Hausfrauenbund und für das Spielzeugmuseum in Soltau tätig - und Roswitha als frühere Wirtin vor Ort kannten sich bis dahin nicht persönlich.
Mit dem Auto kutschierte Gerd uns durch die Straßen, um uns die Stadt und Umgebung zu zeigen. Auf dem Weg kamen wir an einem Haus vorbei, in dem aus der weiteren Familie Cousin Bernhard lebt. Im Vorbeifahren bemerkte ich zufällig jemanden mit einem weißen Haarschopf am Fenster stehend. Gerd wendete den Wagen, hielt auf dem Grundstück an und klingelte an der Haustür. Die Tür öffnete sich und wir begegneten tatsächlich Bernhard. So wurden hier bei sich neigendem Tag noch zwischen Tür und Angel Erinnerungen an frühere Zeiten lebendig.
Ein Tag mit viel zwischenmenschlichem Verstehen klang aus - und dann hieß es wieder Abschiednehmen. Es war ein sehr liebevoller Abschied auf dem Bahnsteig, der mich noch mit einer Überraschung beschenkte und beehrte: Roswitha erschien am Zug, um uns zu sehen und uns zu verabschieden. Ich hatte ihr unsere Reisezeiten geschrieben. Diese erste Minuten-Begegnung kurz vor Abfahrt des Zuges gab dem Ganzen noch einen speziellen Pfiff.
Elf Monate später am 19.10.2012 haben wir uns alle wiedergetroffen. Ich nahm meinen da noch jungen 66. Geburtstag zum Anlass, meine Angehörigen und Roswitha zum Mittagessen in den Soltauer Ratskeller "Medaillon" einzuladen. Und da wurde wieder erzählt - diesmal viel von dem, was es an Verbindendem aus den Lebensgeschichten von Roswitha und meinen Verwandten gab. Da gab es im Bahnhof die Bahnhofsgaststätte in der 11-jährigen Bewirtschaftung von Roswitha und ihrem Mann - eine gastliche Stätte, die auch Vereinslokal für die Marinekameradschaft und für den Shanty-Chor unter der Leitung von Gerd R. war. Aus dieser Zeit (1990 bis 2001) waren sich Roswitha und Gerd vertraut und so manche Erinnerung wollte freudig mitgeteilt werden.
Nach dem Mittagessen gingen meine Herrschaften vorweg nach Hause. Roswitha und ich genossen noch einen Bummel zu Zweit durch die Mitte des Städtchens. Bei einem italienischen Eiscafé draußen im Sonnenschein gab es ein kleines Eis-Dessert zu einem Espresso. Diese wunderbare Zeit verstanden wir beide als unser kleines persönliches myheimat-Treffen in Soltau. Gemeinsam im Zuhause meiner Verwandten genossen wir alle das Zusammensein beim gemütlichen Kaffeetrinken und einem regen Fließen des Gedankenaustausches.
Im Anfang war es ein Spiel der Worte und aus seiner Mitte heraus hat alles auf wunderbare Weise zusammengespielt. Man kann auch meinen, hier hat die Musik in einem wunderbar orchestrierten Zusammenspiel gewirkt. Wie heißt es doch so schön: Musik verbindet - was sich in unserem Exkurs auf ganz eigene Weise zeigt.
Mit herzlichen Grüßen
Kirsten Mauss
Siehe auch: Zum Großmuttertag - Erinnerungen an meine Großmutter Anna aus Soltau
http://www.myheimat.de/soltau/kultur/zum-grossmutt...
Diese Fotos sind am 19.10.2012 / 24.11.2011 entstanden.
Bürgerreporter:in:Kirsten Mauss aus Hamburg |
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