Rebecca: Die Geschichte einer Entführung

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Quelle: NDR "Am 16. Oktober liegt Mario B. mit Schläuchen verkabelt in einem Blutspende-Zentrum in der Rostocker Innenstadt, es ist ein Dienstagnachmittag. Mit einer Blutplasmaspende will er Geld verdienen. Über sein Smartphone verfolgt er die Nachrichten im Internet. Dann kommt die Eilmeldung: Die seit vier Tagen vermisste Rebecca ist gefunden worden. Als er das liest, reißt er sich alle Schläuche ab, das Blut fließt über seine Arme und Kleidung. Blutüberströmt rennt er aus dem Haus, berichtet ein Mitarbeiter.
Wenig später ortet die Polizei sein Handy und nimmt ihn in der Rostocker Innenstadt fest. Er ist dringend tatverdächtig, die 17 Jahre alte Schülerin Rebecca H. vergewaltigt zu haben. Er soll sie fast vier Tage in seine Wohnung eingesperrt und mehrfach missbraucht haben.

"Er war betrunken und frustriert"

Am Freitagabend vor Rebeccas Verschwinden ist Mario B. mit Freunden verabredet. Mit ihnen hat er bis vor einem dreiviertel Jahr in einer betreuten Wohngemeinschaft zusammengelebt. Philipp R.* ist einer von ihnen. Dem Panorama 3-Reportern berichtet er, dass sein Freund Mario an dem Abend viel trinkt. Er versucht einer jungen Frau näherzukommen, wird penetrant, sie weist ihn ab. Als die anderen weiter zu einer Party ziehen, fährt er offenbar nach Hause - "betrunken und frustriert", so Philipp R.
Gleichzeitig feiert Rebecca mit Freunden bei einer Abi-Party im "Bacio", einem Club am Hafen. Ihre Freundin Lena* arbeitet an dem Abend an der Bar. Gegen 1:45 Uhr verlässt Rebecca die Disko, weil sie sich mit einem Freund treffen will. Beide gehören zur alternativen Hardcore-Musik-Szene von Rostock. Weil sie die Straßenbahn verpasst, macht sie sich zu Fuß auf den Weg zum Treffpunkt. Sie nimmt die Abkürzung über die Brücke am Petridamm. Neben dem schlecht beleuchteten Fußweg fahren nur Straßenbahnen, keine Autos. Sie hat Kopfhörer auf und hört Musik.

Mit einem Messer bedroht

Mario B. hat sich mittlerweile wieder von Zuhause aufgemacht, ist mit dem Fahrrad unterwegs. Zigaretten holen, erzählt er später. Auf der Brücke fährt er Rebecca an und bedroht sie mit einem Messer, das er meistens bei sich trägt. Im Gebüsch vergewaltigt er sie und zwingt sie anschließend mit in seine rund 400 Meter entfernte Wohnung. Dort sperrt er sie ein.
Am nächsten Tag wird Rebecca von ihren Eltern als vermisst gemeldet. Ihre Familie und ihre Freunde beschreiben die 17-Jährige als zuverlässig, machen sich große Sorgen. Die Polizei beginnt mit Suchtrupps, Hubschraubern und Tauchern nach ihr zu suchen. Rebeccas Freunde drucken Vermisstenanzeigen und hängen sie an Laternen, Hauswänden und Litfaßsäulen in der ganzen Stadt auf. Die Jungs aus Rebeccas Freundeskreis nehmen sich Taschenlampen und durchforsten eigenständig Industriebaracken.

Es ist nicht das erste Mal, dass Mario B. ein Mädchen vergewaltigt. Im Alter von 14 Jahren soll er eine 13-Jährige mit einem Gürtel stranguliert und zum Oralverkehr gezwungen haben. Das bringt ihn das erste Mal in die Jugendhaft. Später würgt und vergewaltigt er wieder ein Mädchen. Mittlerweile ist Mario B. 28 Jahre alt. 10 Jahre seines Lebens saß er bereits im Gefängnis, zuletzt wegen Raubes. Früh ist er in ein Heim gekommen. Seine Eltern haben sich von ihm abgewandt. "Ich habe keinen Sohn mehr." Mehr will sein Vater den Panorama 3-Reportern am Telefon nicht sagen. Vor seiner letzten Inhaftierung 2009 hatte Mario B. eine längere Beziehung. Doch er wird oft aggressiv, schlägt seine Freundin, wenn er betrunken ist. Mit ihr hat er einen Sohn, um den er sich kaum kümmert. Sie trennt sich und bricht den Kontakt ab: "Ich bin aus Rostock weggezogen, damit ich meine Ruhe vor ihm habe", sagte die Ex-Freundin.

Mario B., der Unberechenbare

Wenn er mit seinen Freunden aus seiner ehemaligen WG zusammen ist, nimmt er oft Drogen: Speed, Kokain. Sie erzählen, dass er unter Alkohol- und Drogeneinfluss unberechenbar wird. Regelmäßig verprügelt er dann sogar seine Freunde, schlug einmal mit einem Spaten auf einen von ihnen ein. Er ist einer, "der nochmal zutritt, wenn der andere schon am Boden liegt", berichtet Philipp R.
Doch zuletzt habe er immer wieder beteuert, dass er sich bessern will. Er wohnt seit einiger Zeit in einer eigenen Wohnung und meldet sich regelmäßig bei seinem Bewährungshelfer. Mit seinen Nachbarn versteht er sich gut. Er ist freundlich, arbeitet im gemeinsamen Garten und lädt im Frühjahr alle aus dem Haus zum Grillen ein. Im Gefängnis hatte er eine Kochlehre angefangen. Die setzt er in Rostock fort. Er besteht die theoretische Prüfung. Vor dem letzten Praxistest macht er die Nacht durch, vermasselt die Prüfung und bricht die Ausbildung ab.

Blut in der Waschmaschine

Besonders gut versteht sich Mario B. in den letzten Monaten mit seinem Nachbarn René S.*. Der macht sich nun große Vorwürfe, dass er nichts von Rebeccas Entführung bemerkt hat: "Unser Haus ist eigentlich sehr hellhörig, aber auch die anderen Nachbarn haben nichts gehört." Einiges kam ihm dennoch komisch vor. Er hatte Mario B. erlaubt, seine Waschmaschine im Keller zu benutzen. An der Wäsche, die Mario gewaschen hat, konnte er Blut erkennen. Auch das kaputte Fahrrad wunderte ihn.
Während Mario B. Rebecca gefangen hält, sie bedroht und missbraucht, mimt er für seine Mitmenschen ein normales Leben. Er trifft seinen Bewährungshelfer und geht einkaufen. Er besucht seinen Nachbarn René S.. Gemeinsam beobachten sie die Suchaktion nach Rebecca aus dem Fenster. Im Nachhinein für René S. eine bizarre Situation: "Er hat sich nichts anmerken lassen, meinte nur 'krass' und guckte wieder weg."

Während er Blut spendet, kann Rebecca fliehen

Am Tag vier der Entführung geht Mario B. dann Blut spenden. Rebecca nutzt die Gelegenheit und kann sich von ihren Fesseln befreien. Sie springt aus dem Fenster der Parterrewohnung und kann den Autofahrer Franz Z. anhalten. Sie ist halb nackt, stammelt: "Ich bin Rebecca." Er bringt sie sofort zur Polizei.
Rebeccas Leben soll sich nach und nach wieder normalisieren. Sie sucht den Kontakt zu ihren Freunden und lädt alle zu sich ein. Sie wollen für sie da sein, erzählen sie. Denn der dicke, weiße Verband an ihrem Arm verdeckt nur die harmloseste Verletzung."

Quelle:NDR
Rebecca

Bürgerreporter:in:

Norbert Höfs aus Schwerin (MV)

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