Ronnenberg lag einst auf dem Meeresgrund
In Benthe plätschern die Wellen eines subtropischen Meeres, in Empelde pfeifen Stürme über eine arktische Wüste, dampfende Sumpfwälder strecken ihre Wurzeln in Ihme-Roloven aus. Pure Phantasie? Nein. Alles ist schon einmal dagewesen. Die Geologen drangen mit ihren Forschungen weit in die Vergangenheit vor. Verblüffend, was sie ermittelten. Oft genug versank das heutige Ronnenberg in den Fluten eines Meeres. Allein in den letzten 250 Millionen Jahren schwappten die Wellen von vier Meeren über die Stadt hinweg.
Wie genau die heutigen Calenberger Landschaften in der Urzeit der Erde von etwa 4,6 Milliarden Jahre bis 530 Millionen Jahre ausgesehen haben, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Immerhin: Feststellbar ist, dass bereits im Algonkium genannten Zeitalter ein Weltmeer existierte. Damals dürften aber wohl nur höchstens Algen die Fluten bevölkert haben. Zum Ende dieses Erdzeitalters sorgte eine Gebirgsbildung dafür, daß sich der Meeresboden hob. Ronnenberg wurden zur Festlandwüste. Einige Wissenschaftler glauben, daß im folgenden Abschnitt des Präkambriums dann eine Eiszeit herrschte.
Sicher ist dann wieder, dass zu Beginn des Erdaltertums vor etwa 570 bis 500 Millionen Jahren - im Kambrium - es in unserer Gegend wieder maritim zugegangen ist. Bis in den Silur hinein (diese Epoche dauerte etwa von 430 bis 395 Millionen Jahren vor heute) erstreckte sich ein Flachmeer über Niedersachsen. Ronnenbergs Einwohnerzahl stieg in dieser Zeit. Sogenannte Dreilappkrebse, auch als Trilobiten bekannt, suchten hier ihr Futter. Es gab daneben Schnecken, Korallen, Schwämme und schließlich tauchten im Silur die ersten Fische auf.
Etwa vor 410 Millionen Jahren entstand dann das kaledonische Gebirge. Es reichte von England bis Norwegen und verband Europa mit Amerika. Die hannoverschen Lande wurde dadurch wieder em-porgehoben. Old-Red-Festland heißt das Gebilde, zu dem auch Ronnenberg im Unterdevon gehörte. In den folgenden 50 Millionen Jahren eroberte sich das Meer des Devons das Land jedoch zurück. Heiße vulkanische Lösungen strömten aus dem Meeresboden, reicherten das Meer mit metallischen Erzschlämmen an und schenkten den Menschen so den Reichtum des Rammelsberges im Harz. Zurück nach Ronnenberg: Am Ende des Devon gibt es hier ein tropisches Flachmeer mit Korallenriffen. Ammoniten schwammen durch das warme Wasser und streckten ihre Fangarme nach Nahrung aus.
Szenenwechsel: Karbon, etwa 345 bis 280 Millionen Jahr vor unserer Zeit. In Mitteleuropa faltet sich während dieser „Steinkohlenzeit“ das variskische Gebirge auf, unser Flachmeer wurde immer seichter. Im feuchtheißen Klima entstanden üppige Sumpfwälder, die später zur Kohle werden sollten. Die Tiere in diesen Wäldern könnten aus Hollywood stammen: Tausendfüßler wurden bis zu einem halben Meter lang. Ur-Libellen, Insekten mit Flügelspannweiten von 70 Zentimetern flogen auf der Jagd nach Fleisch durch den Sumpf.
Das Gebiet von Ronnenberg blieb im nachfolgenden Perm vor etwa 290 bis 245 Millionen Jahren anfangs noch Festland. Weil es sehr heiß war, trocknete das Gestein aus und färbte sich rot. Deshalb heißt der ältere Zeitabschnitt dieser Epoche auch "Rotliegendes". In der anschließenden Zechsteinzeit dringt aber das Meer erneut vor und bildet über Nord- und Mitteldeutschland eine weite Bucht. Dank des heißen Klimas verdunstet das Wasser allerdings wieder. Deshalb entstanden damals Gips, Kochsalz und die wertvollen Kalisalzlager im hannoverschen Raum, etwa bei Empelde. Der Vorgang wiederholte sich. Vier bis fünf Meereseinbrüche gab es in dieser Zeit.
Vor 245 Millionen Jahren beginnt dann das Erdmittelalter, das auch das Zeitalter der Saurier genannt wird. Am Anfang steht die Trias genannte Epoche. Immer wieder entbrannte in unserer Gegend der Kampf zwischen Land und Wasser. 12 Millionen Jahre lang herrschte das Muschelkalkmeer in Bente, Emeplde und all den anderen Stadtteilen. In der Epoche des Jura (vor 205/210 bis 140/130 Millionen Jahren) zogen Fischsaurier ihrer Kreise, dort wo heute der die Michaeliskirche steht. Im Übergang von der Jura in die Kreidezeit herrschte dann eine Lagunen- und Sumpflandschaft vor, durch die Landsaurier stapften. Nachgewiesen sind die Iguanodon genannten Echsen, die sich den Raum zwischen Deister und Bückebergen erwanderten. Aus dem Abschnitt Malm (etwa vor 140 Millionen Jahren) gibt es einen aufsehenerregenden Fund: Im damaligen hannoverschen Flachmeer schwammen auch Minisaurier. So ein Tier wurde bei Ahlem wieder ausg¬buddelt. Es machte wohl dereinst Jagd auf Fische und an-deres Getier, vielleicht trieb es sich auch einmal im Ronnenberger Raum umher.
70 Millionen Jahre lang schwappte dann allerdings in diesem Erdzeitalter das Kreidezeitmeer über Ronnenberg hinweg. Vom vielfältigen Leben in dem Ozean berichten die Fossilien aus Hannover-Misburg. Erst am Ende der Kreide zieht sich das Wasser bis zur Nordsee und Dänemark zurück. Die Erdneuzeit bricht vor etwa 65 Millionen Jahren an. Der Südwesten Hannovers bleibt Festland. Noch lange herrschten in unseren Graden warme Temperaturen und viele Säugetierformen breiten sich aus. Im Oligozän, (so um die 35 Millionen Jahre in der Vergangenheit) und im Pliozän (vor 3 Millionen Jahren) dürften indes wieder Wellen über Ronnenberg hinweggeschwappt sein. Dann aber verabschiedete sich die See zwar endgültig. Aber während der Elster (vor 480.000 Jahren) und Saale-Eiszeit kommt das Wasser doch zurück - als Gletscher. Ein Findling auf dem hannoverschen Messegelände - heute als Naturdenkmal geschützt - berichtet vom rauem Klima damals. Der schwere Brocken, der mit dem Eis der Saale-Eiszeit vor 200.000 Jahren ins hannoversche wanderte, stammt aus Südschweden. Es muss ein unwirtliches Klima damals geherrscht haben. Andere Findlinge aus dieser Zeit im benachbarten hannoverschen Stadtteil Kirchrode wurden nämlich von Sandstürmen im arktischen Wüstenklima regelrecht glattpoliert. Während des dritten Eisvorstoßes, der Weichseleiszeit (vor 75.000– 10.300 Jahren), wurde Ronnenberg dann zwar nicht mehr unter Gletschern begraben. Dafür trotteten die zotteligen Mammuts hier über eine Art Tundrasteppe. Zwischen den Kiesen der Leineaue kamen ihre Knochen und viele ihrer anderen tierischen Zeitgenossen wieder zum Vorschein. Erst nach der Eiszeit bildete sich unsere heutige Landschaft heraus.
Bürgerreporter:in:Jens Schade aus Hannover-Döhren-Wülfel-Mittelfeld |
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