60 Das Rätsel um Ronnenbergs Verjüngung

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Das Rätsel um Ronnenbergs Verjüngung
Eine Antwort auf M. Stöbers Altersvergleich der sieben Ronnenberger Stadtteile.
S. Ronnenberg im Calenberger Land, Schriften zur Stadtentwicklung 1, S. 15 ff.

Elementare Auslegungen
Schriftliche Ersterwähnungen sind in der Regel Zufallsfunde. Letztlich beweist die Erwähnung nur, dass der betreffende Ort (oder das Objekt) mindestens so alt sein muss wie der ihn erwähnende Text, sagt Martin Stöber, NIHR*

Hier wird also der Terminus Ersterwähnung zweifelsfrei mit dem Begriff Mindestalter verknüpft.
Aber wie stabil ist eine Altersbestimmung, wenn bei sehr frühen Ersterwähnungen Jahrhunderte bis zum nächsten Papierbeleg oder einer archäologischen Datierung vergehen und überdies noch die Lokalisierung als solche zweifelhaft ist? (S. Empelde)

Und im Übrigen lässt die Bezeichnung Mindestalter möglicherweise eine erheblich frühere Besiedlung und auch ein höheres Alter der belegten Orte zu. Um dieses zusätzliche Alter zu bewerten, bedient sich die Wissenschaft vornehmlich der Archäologie und der Toponymik bzw. Linguistik.
Der Archäologe bewertet dazu Datierungen aus Grabungsfunden oder Befunden sowie möglicherweise eine Siedlungs- oder Platzkontinuität.
Die Linguisten orientieren sich an der probaten Regel, dass die ersten Siedler sich bei der Namengebung an natürlichen Gegebenheiten orientiert haben. Durch die Bebauung sieht man die heute möglicherweise nicht mehr.> J. Udolph
Die ersten Siedler haben also dem Ort einen Namen gegeben, stellen auch die Sprachforscher " Dr. Doris Marszk und Prof. Annemarie Pieper** fest. "Und wenn sie vor 2000 Jahren kamen, entspricht der Name einem ebenso alten Sprachzustand".
Bleibt also festzuhalten, dass sich aus dem Alter des Namens schließen lässt, wann Siedler sich dort niedergelassen haben, um in Zusammenarbeit mit den Archäologen möglicherweise eine Siedlungskontinuität festzustellen.

Die hiesigen Problemfelder

Ersterwähnung
Die frühe Ersterwähnung 530 bleibt bis auf weiteres eine These, für 800 und 1030 fehlen die Primärbelege. Die Zeitspanne von der Zeitenwende bis 968 steht den Archäologen und Linguisten als Spielwiese zur Verfügung.

Archäologische Datierungen
Die ältesten Eckwerte sind mit „Spätlaténezeit“ bzw, „römischer Kaiserzeit“ mehrperiodisch datiert. Aber die vorhandenen Datierungen erlauben derzeit noch keine lückenlose Siedlungskontinuität.
Dagegen warten tausende von Befunden und Funden aus Grabungen der dreißiger Jahre des letzten Jh. auf eine Bewertung und Datierung.

Toponymik
Die Linguisten U. Ohainski und J. Udolph geben sich in ihrem Ortsnamenbuch mit der germanischen Rune/Runa/Runi als Bestimmungswort (BW) nicht zufrieden, bevorzugen statt eines selbstständigen Wortes eine Wurzel und verlegen sich auf einen Wortschatz aus dem Italienischen, der allerdings wiederum auf einritzen, ritzen, kerben hinausläuft. Daraus nun wiederum unter Berufung auf ein italienisches Vokabularium eine geografische Verknüpfung etwa mit Tal, Klamm, Einschnitt zu konstruieren, wirkt ausgesprochen abstrakt ohne Bezug zur Örtlichkeit. Das Grundwort (GW) wird als -berg verstanden und liefert somit bereits einen geografischen Begriff.

Der Analytiker
Der Historiker M. Stöber setzt sich in seinem Beitrag zu dieser Broschüre mit dem Alter der sieben Stadtteile auseinander und begründet seine Thesen schwerpunktmäßig mit der Sprachforschung.. Er betont das hohe Alter der Orte mit der Endung „ithi“ Empelde, Benthe, Weetzen und „ingen“ für Roloven und bezeichnet gar die ithis als die älteste Ortsnamenschicht. Dagegen ordnet er den Namen Ronnenberg als Ort mit einer Berg-Endung dem zehnten Jh. zu. Ohne nähere Begründung stellt er damit die überlieferte Altershierarchie auf den Kopf. Ronnenberg wird zum jüngsten Mitläufer degradiert.
Auch bezweifelt er nur in Ronnenberg eine Siedlungskontinuität bis ins zehnte JH., beachtet weder den neuen Ersterwähnungsbeleg 968 noch die neuen archäologische Datierungen, s. meine Broschüre „Von Runibergun bis Ronnenberg“. Immerhin meldet er für das Bonifatiusportal Forschungsbedarf an.

Fazit
Der Namensbestandteil „ithi“ ist germanischen Ursprungs und als Suffix ein Wortanhängsel, etwa in der Bedeutung-heit/-keit, das zur Bildung von Wörtern wie z. B. Siedlungs- oder Versammlungsmöglichkeit oder in Empelde Wasserverfügbarkeit beiträgt. Orte auf „ithi“ und „ingen“ sind zwar sehr alt, aber eben auch häufig anzutreffen, (s, vier Ronnenberger Stadtteile) besaßen als Siedlungseinheit einen Treffpunkt (Thie) oder eine zentrale Quellteichmulde. (Empelde) Auch Ronnenberg besaß diese Attribute und gleich mehrere Quellteichmulden, obwohl der Namensbestandteil „ithi“ hier fehlt. Es ist anzunehmen, dass diese Merkmale hier in Ronnenberg angesichts bedeutenderer Institutionen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielten. Ähnlich argumentiert der Namenforscher H.A. Prietze. Denn unser Ort führt einen Doppelnamen mit dem BW „Runi“ und dem GW „Berg“. Die ältesten Erwähnungen lauten Runibergun bzw. Runiberc. Der Ursprung des BW ist also der Kundige/Seher ***, des GW höchstwahrscheinlich Beck (H.A.Prietze), also Hügel/Anhöhe. Demnach haben die ersten Siedler wohl den Thing auf dem Hügel für bemerkenswerter gehalten und damit dürfte auch hinlänglich begründet sein, dass Ronnenberg eben kein junger Mitläufer sondern zumindest gleichaltrig mit den „ithi/ingen“ Orten, augenscheinlich aber erheblich älter ist. In wie weit das sog. Vernersche Gesetz (Lautverschiebung zur Zeitenwende) einen Beitrag zur Altersbestimmung leisten kann, ist noch zu prüfen.

Nachdem auch die Deutung des BW nach Ohainski/Udolph ein hohes Alter signalisiert, und selbst A.v. Bötticher eine vergleichbare These vertritt, bleibt es rätselhaft, wie M. Stöber aus dem heutigen GW „Berg“ eine Besiedlung im zehnten Jh. ableitet. Es scheint, das hier wieder einmal ein Historiker aus dem Steinbruch der Geschichte sich explizit der Stücke bedient, die sein persönliches Geschichtsbild von Ronnenberg prägen. Aus hiesiger Sicht muss dieser Darstellung mit aller Deutlichkeit widersprochen werden.
*
Niedersächsisches Institut für Historische Regionalforschung e.V., Hannover
**
Bei den Autoren handelt es sich um freischaffende Wissenschaftler, s.
Beitrag für die „Welt am Sonntag“, Nr 16, v. 17.4.2005, Den Namen nahmen sie mit.
***
U.W. Dieterich, „Das Runen-Wörterbuch“

Karl-Fr. Seemann

NS
Vorabdruck von Auszügen der in Arbeit befindlichen Ortschronik und Buchkritiken, hier Stadtbroschüre 1, Ronnenberg im Calenberger Land.

Bürgerreporter:in:

Karl-Fr. Seemann aus Ronnenberg

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