Ukraine, Luise u.a.
Wann sind wir eigentlich wirklich erschüttert?
Es gibt vieles in der Welt, was wir für falsch halten, und das zumeist wohl zurecht. Wir finden den russischen Überfall auf die Ukraine falsch, wir empören uns, wenn ein 12-jähriges Mädchen von zwei 13- und 12-jährigen Mädchen getötet wird, manche von uns geben sich erschüttert. Vieles Empörungswürdiges erreicht aber überhaupt nicht unser Gehirn, ist zuweilen weit weg. Erschütterung ob des weltweiten Leids? Kaum. Hervorgehobene Nachrichten bestimmen unsere Reaktionen. Und da ist natürlich immer noch der über ein Jahr anhaltende Ukrainekrieg, der aber m.E. keine Erschütterungen auslöst, sondern nur rationale Auseinandersetzung und Positionierung. Die getöteten Zivilisten und Soldaten, sie erscheinen eher als statistische Daten. Bei der getöteten Luise, obwohl wir sie nicht kannten, genauso wenig wie die beiden Täterinnen, geben wir uns mitunter anders, geben uns erschüttert, sind jedenfalls entsetzt. Wäre es ein erwachsener Täter gewesen, hätten manche von uns noch geschaut, ob Migrant oder nicht, und hätten entsprechend tendenziös reagiert, hätten die Getötete und ihre Eltern bedauert. Hätten der Strafverfolgung getraut, die so lange bedurft hätte mit welchen Ergebnissen auch immer, bis der Fall schon ganz aus unserem Fokus geraten wäre. Aber im Fall Luise stößt die Strafunmündigkeit der Täterinnen auf, dem unwillkürlichen Vergeltungs- und Rachegedanken wird keine Berücksichtigung geschenkt. Besonders deshalb gibt man sich erschüttert.
Aber wann sind wir eigentlich wirklich erschüttert? Ich behaupte, kaum bei Schicksalen, die uns nicht unmittelbar betreffen, weder bei den Toten in der Ukraine noch bei Luise. Auch verständlich, wie ich finde, würden wir Menschen doch ansonsten vor Kummer und Erschütterung zugrunde gehen müssen. Erschütterung ist m.E. nur auf das persönliche Umfeld beschränkt, wenn einem lieb gewordenen Mensch etwas zustößt, ihn etwas bedroht, oder einem selbst etwas nicht vorgesehenes Bedrückendes widerfährt.
Die Toten in der Ukraine, wir bedauern sie und stürzen uns in Vorstellungen einer Agenda, die dem Sterben ein Ende setzen. Und Luise, wir sind entsetzt, irgendwie wütend und auch ratlos, aber erschüttert? Ich habe meine Zweifel, auch wenn manche erschüttert tun.
Der Mensch, dieses komplizierte Wesen, hat viele Schutzmechanismen.
Bürgerreporter:in:Helmut Feldhaus aus Rheinberg |
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