Gedanken
Fallstricke der Migrationspolitik - Asylrecht auf dem Weg zur Randerscheinung?

Foto: Pixabay

WELCOME REFUGEES und WIR SCHAFFEN DAS, so hallte es vor etlichen Jahren in Deutschland. Und viele Deutsche erfüllte die darin zum Ausdruck gebrachte humanitäre Haltung mit Stolz. Ja, das war einmal. Inzwischen hat sich vieles geändert.

Die Kommunen als diejenigen Körperschaften, denen letztendlich Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge obliegen, breiten angesichts der nicht abreißenden Flüchtlingszahlen und der daraus resultierenden Zuweisungen verzweifelt ihre Arme aus und schreien es geradezu heraus, sie seien an ihre Belastungsgrenzen gestoßen.

Und die Deutschen? Ja, es gibt weiterhin engagierte Helfer und Helferinnen, es gibt aber auch Zweifel, ob das alles gut gehen kann. Und dann gibt es natürlich den immer größer werdenden Anteil der deutschen Bevölkerung, bei dem das Gefühl der Überforderung längst umgeschlagen ist in eine immer rigoroser werdende Ablehnung von Zuwanderern.

"Welcome Refugees", "Wir schaffen das", "Stolz" auf unsere Flüchtlingspolitik - all das, Geschichte!

Und die Bundespolitik reagiert mit Vorschlägen und Absichtserklärungen zur Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme.

Die Frage drängt sich auf:

Laboriert unsere Asylgesetzgebung an Konstruktionsfehlern, die erst jetzt erkannt werden?

Dazu zunächst einmal das BAMF unter Bezugnahme auf den Artikel 16a des Grundgesetzes:

"Asylberechtigt und demnach politisch verfolgt ist eine Person, die im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung ausgesetzt sein wird, aufgrund ihrer Rasse (der Begriff "Rasse" wird in Anlehnung an den Vertragstext der Genfer Flüchtlingskonvention verwendet), Nationalität, politischen Überzeugung, religiösen Grundentscheidung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (als bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet), ohne eine Fluchtalternative innerhalb des Herkunftslandes oder anderweitigen Schutz vor Verfolgung zu haben.
...
Berücksichtigt wird grundsätzlich nur staatliche Verfolgung, also Verfolgung, die vom Staat ausgeht. Ausnahmen gelten, wenn die nichtstaatliche Verfolgung dem Staat zuzurechnen ist oder die nichtstaatliche Verfolgung selbst an die Stelle des Staates getreten ist (quasistaatliche Verfolgung).
Notsituationen wie Armut, Bürgerkriege, Naturkatastrophen oder Perspektivlosigkeit sind damit als Gründe für eine Asylgewährung gemäß Artikel 16a GG grundsätzlich ausgeschlossen."

So weit, so gut - ja, wirklich gut, wie ich finde, dieses Asylgesetzgebungsverständnis. Unmittelbare Konstruktionsfehler lassen sich nicht erkennen.
Wer tatsächlich unter heftiger staatlicher Verfolgung leidet oder sie befürchten müsste, würde er nicht rechtzeitig fliehen, dem soll doch der Asylstatus gewährt werden, zumindest so lange, wie die Verfolgungsbedrohung besteht.
Aber wie groß ist diese Gruppe unter den gesamten Zuwanderern eigentlich?
Kann das BAMF sie eindeutig feststellen?

Und dann ist da die große Menge an Zuwanderern, die andere Aufenthaltstitel erhalten, Flüchtlingsstatus nach Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiären Schutz oder Aufenthaltsrecht aufgrund eines Abschiebungsverbotes.

Und darüber hinaus all die Zuwanderer ohne Aufenthaltstitel, denen humanitäre Konventionen wie die europäische Menschenrechtskonvention die Bleibemöglichkeit sichern. Das Wort Abschiebung hat inzwischen Worthülsencharakter bekommen.

All die Möglichkeiten der Aufenthaltsberechtigung in Deutschland abseits des eigentlichen Asylrechts haben sich außerhalb Europas längst ebenso herumgesprochen wie die Möglichkeit, sich in der EU sein Zielland praktisch aussuchen zu können, weil manche bestehenden EU-Regelungen (Dublin-Abkommen) das Papier kaum wert sind, auf dem sie geschrieben sind, und die EU vor Uneinigkeit nur so strotzt.
Unterdessen gilt für Migranten: Nur irgendwie EU-Boden erreichen, dann hast du es geschafft.

Bei einem Teil der Flüchtlinge dürfte tatsächlich staatliche Verfolgung oder eine solche Bedrohung als Grund für die Flucht vorliegen, bei der Mehrheit vermutlich nicht, die nur bessere wirtschaftliche Lebensbedingungen sucht. Das ursprüngliche Asylrecht bzw. seine Inanspruchnahme steht m.E. nicht mehr im Mittelpunkt der Migration nach Europa, ist längst an den Rand geschoben worden. Das spricht keinesfalls gegen das Asylrecht, allerdings gegen den Umfang aller rechtlich verankerten, gut gemeinten humanitären Ansprüche Deutschlands und der EU an sich selbst, Ansprüche, die sich zunehmend als Fallstricke entpuppen.

Und es verwundert nicht, Deutschland von den Migranten als Zielland favorisiert zu sehen, bietet es doch ein soziales Netz, das es in anderen Ländern so nicht gibt. Außerdem werden Migranten in Deutschland, wie man hört, besser behandelt als in manchen anderen EU-Ländern.

Die Migration Richtung EU, insbesondere Richtung Deutschland, könnte noch manche Verwerfungen mit sich bringen. Man möchte nicht in der Haut mancher Politiker stecken, die ihre vielleicht vernünftigen Absichten immer wieder an europäischem Recht scheitern sehen. Unruhige Zeiten.

Bürgerreporter:in:

Helmut Feldhaus aus Rheinberg

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