Wilhelm Neurohr: „POLITISCH GEWOLLTE PLÜNDERUNG DER ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE“ (Leserbrief)
Leserbrief zum Leitartikel vom 2. März: „Herten will 100 Mio. € sparen“:
„POLITISCH GEWOLLTE PLÜNDERUNG DER ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE“
Der Hertener Bürgermeister Dr. Uli Paetzel beklagt zu Recht die „griechischen Verhältnisse“ in unseren verarmten Städten im Kreis Recklinghausen. Wenn er nun die drastischen Konsequenzen durch das geplante oder verlangte Kaputtsparen der öffentlichen Dienste und Einrichtungen aufzeigt, dann sollte er sich allerdings fragen, ob er noch in der richtigen Partei ist. Denn wenn er nicht nur an Symptomen kurieren will, dann müsste er auch nach den Ursachen und Urhebern der Misere fragen und die findet er vor allem in der zurückliegenden Regierungsära seines Parteifreundes Gerhard Schröder (SPD). Denn mit der „Jahrhundert-Steuerreform“ seines Finanzministers Hans Eichel (SPD) begann bereits 1999 schlagartig der rasante Niedergang der Kommunalfinanzen, verschärft durch die rot-grüne Hartz-IV-Gesetzgebung von Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) und durch die Finanzmarktkrise infolge der Deregulierung der Finanzmärkte durch die SPD-Finanzminister Eichel und Steinbrück. Mit dem „größten Sparpalet in der Geschichte der Bundesrepublik“ zu Lasten der Armen und zugunsten der Reichen setzte die schwarz-gelbe Regierung Merkel dann noch eins drauf, und der Koalitionspartner FDP mit seiner neoliberalen Ideologie „Privat vor Staat“ sorgte nochmals für Steuergeschenke zugunsten der Wohlhabenden und für steuerliche Einnahmeverluste zu Lasten des Staates, der Kommunen und der bedürftigen Bevölkerungsteile und ihres demokratischen Gemeinwesens. Alles das zusammen hat verfassungswidrig dafür gesorgt, dass die Normalbürger und die öffentlichen Haushalte „geplündert“ wurden zugunsten der Umverteilung in private Taschen, die sich seither nicht mehr an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen. Dazu nur einige Zahlen als Beleg: Dass die deutschen Kommunen mit 128 Mrd. € verschuldet sind, ist Folge der dauerhaften Absenkung des Spitzensteuersatzes um 14% und der Körperschaftssteuer um 15%, bei gleichzeitigem Verzicht auf eine verfassungsgemäße Neufestsetzung der Vermögenssteuer, einer unterbliebenen deutlichen Erhöhung der Erbschaftssteuer und der verhinderten Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die Folge dieser politisch gewollten „Plünderung“ der öffentlichen Plünderung der öffentlichen Haushalte: Jährlich 52 Mrd. steuerliche Einnahmeverluste der öffentlichen Hand. Die politisch offenbar gewollte Armut der öffentlichen Hand ist die Kehrseite des steigenden privaten Reichtums: Im selben Zeitraum ist durch die Steuergeschenke das Privatvermögen um 240 Mrd. € gestiegen. Allein die 500 reichsten Deutschen besitzen mit 3.300 Mrd. € mehr als 10 mal soviel wie der gesamte deutsche Bundeshaushalt von 306 Mrd. €, ohne dass eine Milliardärssteuer erhoben wird. Darum steht Jetzt das örtliche Gemeinwesen und die lokale Demokratie vor dem Bankrott und vor einem sozialen Scherbenhaufen. Darüber habe ich am 28. Februar in der Marler VHS „die insel“ einen Vortrag gehalten mit der Aufforderung an die Zuhörer, von ihrem Widerstandsrecht gemäß Grundgesetz Gebrauch zu machen, denn die Verfassung und Kommunalverfassung werden missachtet, ohne dass irgendein Verfassungsschutz eingreift oder der Kreis Recklinghausen und seine 10 armen Städte vor dem Verfassungsgericht Recht bekommen. Die Folge: Wir werden zur benachteiligten Armutsregion und ganze Generationen werden von gleichwertigen Lebensverhältnissen abgeschnitten. Doch wie sagte Urheber Gerhard Schröder in seiner ersten Regierungserklärung: „Der Staat hat der Wirtschaft zu dienen“ - Basta! Dem hat kein Sozialdemokrat bis heute widersprochen, obwohl sie angetreten sind, das Wohl der Bevölkerung zu mehren und Schaden von ihm abzuwenden… Doch höhere Diäten für sich selber scheinen wichtiger als Korrekturen am himmelschreiend ungerechten Steuersystem mit zerstörerischer Wirkung für das soziale Zusammenleben und die Demokratie vor Ort.
Wilhelm Neurohr
Bürgerreporter:in:Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen |
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