Wilhelm Neurohr: „Geschäftsführende Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen“

Leserbrief an das Medienhaus Bauer zur aktuellen Berichterstattung über spektakuläre Regierungsaktivitäten:

Geschäftsführende Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen“

Sprachlos nehmen wir als Bürger aktuell die überraschenden Alleingänge und „aktionistischen Schnellschüsse“ einiger Bundesminister aus der momentanen „Übergangsregierung“ zur Kenntnis: Obwohl sie nur noch „geschäftsführend“ amtieren bis zur Bildung einer neuen Koalitionsregierung mit parlamentarischer Mehrheit, haben sie sich offenbar selber dazu ermächtigt, vorher bereits vollendete Tatsachen zu schaffen und erhebliche Haushaltsverpflichtungen auszulösen – alles ohne vorherige Parlamentsbeteiligung und ohne einen öffentlichen Diskurs mit der Bevölkerung und den Kommunen, von wegen „parlamentarische Demokratie“. Der Artikel 69 des Grundgesetzes legt nach Auffassung von Verfassungsrechtlern einer nur geschäftsführenden Übergangsregierung größtmögliche politische Zurückhaltung auf. Vor allem darf sie keine Entscheidungen und Beschlüsse treffen, die eine Nachfolgeregierung binden oder erhebliche haushaltswirksame Ausgaben nach sich ziehen – genau das aber passiert derzeit. Die geschäftsführenden Bundesminister überschreiten ihre Kompetenzen!

Die Rede ist einerseits von der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrer alleinigen Festlegung für eine neue militärische NATO-Logistik- und Kommandozentrale in Deutschland am Standort Bonn – als Hauptquartier für die Koordination und Planung der Truppen- und Materialtransporte in Europa - mit erheblichen Kostensteigerungen für den deutschen Verteidigungshaushalt! Zum anderen von dem Trio Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), Verkehrsminister Christian Schmidt (CSU) und Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) mit ihrer unausgegorenen Festlegung gegenüber der EU-Kommission für kostenfreien ÖPNV in lediglich 5 von Ihnen ausgesuchten Modellstädten – derweil in über 70 bundesdeutschen Ballungsräumen die Grenzwerte der Schadstoffbelastung regelmäßig überschritten werden. (Dort bleiben einstweilen arbeitslose Schwarzfahrer, die ihr Strafgeld nicht zahlen können, im Knast…).

Es handelt sich also dabei um einen noch völlig unabgestimmten Vorstoß, einerseits zur Kostenentlastung der Autoindustrie bei deren verweigerter Diesel-Umrüstung und zur Vermeidung von Diesel-Fahrverboten nunmehr durch Verkehrsverlagerung, ohne die Automobilkonzerne (wohl aber die Kommunen) an den erhöhten Kosten für den ticketfreien ÖPNV zu beteiligen. Andererseits zur Besänftigung des EU-Umweltkommissars, der Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der jahrlangen Grenzwertüberschreitung bei den gesundheitsschädigenden Luftschadstoffen verklagen will. Immerhin haben diese zu bislang 70.000 vorzeitigen Todesfällen in Deutschland und 400.000 europaweit geführt – insofern verwunderlich, dass noch kein Bürger die Regierung wegen Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung oder sogar „Meineid“ verklagt hat, da sie laut Amtseid geschworen haben, „Schaden vom Volk abzuwenden“. Doch dieser Eid ist leider juristisch „nicht strafbewehrt“ und damit quasi unverbindlich.

Als bereits in den 1970-er Jahren die Jusos spektakulär den Nulltarif beim ÖPNV gefordert hatten und 1980 ebenfalls die Grünen diese sinnvolle Idee sogar mit einem Praxisversuch in einem Freiburger Stadtteil forcierten, sowie zuletzt auch die Piratenpartei dies forderte, wurde das von den großen Parteien als „unbezahlbare Utopie und Wunschdenken“ abgetan. Dabei verlangen längst mehr als hundert Städte und Regionen weltweit, darunter auch in Estland die Hauptstadt Tallin, kein Geld für den öffentlichen Nahverkehr. Würde man in Deutschland den billigen Diesel-Treibstoff ebenso besteuern wie Benzin, hätte man bereits 8 Mrd. € zur Halbierung der Ticketpreise, so haben Verkehrsexperten errechnet. Das aber sieht der wirkungslose Vorstoß der Minister-Trios nicht vor, sondern man will lieber den Bundeshaushalt und die Kommunen belasten – geschäftsführend….

Wilhelm Neurohr

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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