„Pfaffenhofen hat die wohl größte Bio-Tradition Bayerns“: Ein Interview mit Wirtschaftsreferent Markus Käser

Wirtschaftsreferent Markus Käser am Sigl-Eck  an der sichtbaren Schwelle zwischen Alt und Neu in der Innenstadt
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  • Wirtschaftsreferent Markus Käser am Sigl-Eck an der sichtbaren Schwelle zwischen Alt und Neu in der Innenstadt
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Seit 2008 ist Markus Käser in der Stadt Pfaffenhofen als Referent für Standortvermarktung, Wirtschaftsförderung und Bürgerdialog zuständig. myheimat unterhielt sich mit dem gelernten Erzieher und Inhaber einer Marketingagentur über den Reiz des Wirtschaftsstandortes Pfaffenhofen, den Strukturwandel in der Landwirtschaft, regionale Wertschöpfung, die neue Service-Gesellschaft der Stadt Pfaffenhofen, die Bedeutung der Modellsiedlung Eco-Quartier Fuchsberg für die Region und über seine Leidenschaft für Raumschiff Enterprise.

myheimat: Herr Käser, wie würden Sie den besonderen Reiz des Wirtschaftsstandortes Pfaffenhofen beschreiben?
Käser: In Pfaffenhofen finden Sie die Vielfalt und Eigenarten der gesamten Region geballt auf einem Fleck. Pfaffenhofen war zwar schon immer eine Marktstadt mit starker München-Orientierung, dennoch sind die Einflüsse aus der unmittelbaren Region, wie beispielweise die Ingolstädter Industrie, der Hallertauer Hopfenanbau und -verarbeitung, kulinarische Köstlichkeiten aus dem Spargelland, Münchner Liberalität, Niveau und Offenheit, sowie ländliche Lebensqualität und Gelassenheit des unmittelbaren Umlandes in Pfaffenhofen manifestiert und spürbar. München, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg – von Pfaffenhofen aus haben Sie einen schnellen Zugang zu diesen Großstädten. Ca. 3 Mio. Menschen in 40 Minuten Reichweite und dennoch alle Vorteile von ländlichen Strukturen, ein eigenes Bewusstsein, eine eigene Identität und vor allem ein funktionierendes eigenständiges städtisches Gemeinwesen. Das muss uns erst mal einer nachmachen. Außerdem gibt es bei uns gutes Wasser und gute Erde im Überfluss. Pfaffenhofen liegt inmitten einer der fruchtbarsten Regionen Bayerns und das Pfaffenhofener Land ist deshalb besonders landwirtschaftlich geprägt. Schon immer wurden bei uns hervorragende landwirtschaftliche Produkte erzeugt und wir sind traditionell stark in der Lebensmittelproduktion und -veredelung. Früher waren es beispielsweise 14 Brauereien, heute sind es eben Erzeuger wie Hipp Babybahrung oder die Unternehmensgruppe Kramerbräu mit deren Bio-Backsaaten.

myheimat:… aber den allgemeinen Strukturwandel in der Landwirtschaft kann man doch nur schwerlich ignorieren, oder?
Käser: Strukturwandel an sich ist kein unbeeinflussbares Naturgesetz.
Ein Strukturwandel basisiert auf veränderten Lebensweisen der Menschen und ist insofern nichts anderes als eine Veränderung der Nachfrage. Und dementsprechend müssen die Verantwortlichen reagieren und den Wandel selbst gestalten. Ich denke dabei nur bspw. an die regionale Wertschöpfung als zusätzliches Standbein für Erzeuger.

myheimat: Aber nicht jeder konventionelle Landwirt kann in die Direktvermarktung oder in die biologische Erzeugung von Lebensmitteln ausweichen…
Käser: …aber regionale Wertschöpfung ist ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Zukunftssicherung und Strukturpolitik. Hier muss vielmehr zwischen Landwirtschaft, Erzeugern und regionalem Handel vermittelt werden.
Ein Beispiel: In der Vergangenheit produzierten die Landwirte für die ansässigen Brauereien: Hopfen und Braugerste. Und nach dem „Strukturwandel“ nach dem 2. Weltkrieg begann die Firma HiPP die Herstellung von Babynahrung aus BIO-Erzeugung. Als Pionier des biologischen Landbaus fuhr Claus Hipp selbst von Landwirt zu Landwirt und leistete mühevolle Überzeugungsarbeit. Nach und nach konnte er die Bauern für seine Idee gewinnen und ein Netz von BIO-Vertragslandwirten aufbauen. Dank Hipp haben wir also hier in Pfaffenhofen die größte Bio-Tradition Bayerns. Man könnte auch sagen, bei uns steht die „Wiege des nachhaltigen Wirtschaftens“. Dieser Tradition sind wir verpflichtet und tragen diese Fackel mit vielen kleinen Schritten weiter. Mit unserem Heizkraftwerk sparen wir 21 Millionen Liter Heizöl pro Jahr und haben bereits seit 2003 die Klimaschutzziele der Bundesregierung erfüllt. Seit 1.1.2010 bezieht die Kommune als größtes bayerisches Mittelzentrum zu hundert Prozent Ökostrom aus Wasserkraft. Demnächst gibt es bei uns Elektrotankstellen am Hauptplatz. Und wir starten nächstes Jahr mit der Entwicklung einer Regionalmarke. Außerdem sind wir als Kommune 2009 dem Bündnis Zivilcourage gegen gentechnische Freisetzungsversuche beigetreten.

myheimat: Was erhoffen Sie sich von der neuen Wirtschafts-Service- Gesellschaft?
Käser: Ausgangspunkt unserer Überlegungen war, dass wir die Vermarktung und Außendarstellung des Wirtschaftsstandortes Pfaffenhofen auf professionellere Beine stellen müssen. Weder die Standortvermarktung mit Services für Unternehmen, noch die Außendarstellung des Standortes oder die „eventorientierte“ Innenstadt-Betreuung können auf Dauer von Ehrenamtlichen oder von der Stadtverwaltung als Nebenaufgabe geleistet werden. Eine Stadt, die jährlich ca. 1200 Neubürger bekommt, braucht einfach professionellere Strukturen. Deshalb schaffen wir 2010 2 ½ neue Stellen. Die Gesellschaft ist zunächst einmal auf 4 Jahre mit 1 Mio. Euro insgesamt abgesichert.

myheimat: Wird sich die Stadt dann irgendwann Schritt für Schritt aus der Gesellschaft zurückziehen?
Käser: Wieso zurückziehen?
Wirtschaftsförderung muss als kommunale Pflichtaufgabe zur Existenzsicherung verstanden werden! Entscheidend ist dabei die Rolle des ”Lotsen” in Verwaltungs- und Behördenverfahren. Wir müssen aber auch mehr qualifizierte Arbeitsplätze hier am Standort Pfaffenhofen schaffen. In diesem Zusammenhang sind auch die „weichen Standortfaktoren“ von großer Bedeutung. Wir müssen auch für die Mitarbeiter der Firmen ein Wohlfühlklima herstellen und ein hochwertiges kulturelles Angebot auf die Beine stellen bzw. dauerhaft absichern. Die Gesellschaft muss dabei aber nicht alle Leistungen selbst erbringen, sondern eher als „Lösungsvermittler” auftreten. Insofern wird die Gesellschaft immer mehrheitlich in den Händen der Stadt bleiben.

myheimat: Die Modellsiedlung Eco-Quartier Fuchsberg gilt als Vorzeige- und Renommierprojekt in puncto Siedlungspolitik. Können Sie uns in knappen Sätzen die Bedeutung dieses Projektes für die Stadt Pfaffenhofen und die Region erläutern?
Käser: Das Eco-Quartier ist ein ganz wichtiger Baustein im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklung und die „Perle“ in unserem Nachhaltigkeitskonzept. Diese modellhafte Siedlung wird nicht nur zu einem wichtigen Imagefaktor, sondern dort wird ein mustergültiges Lebens- und Arbeitsumfeld entstehen oder wie ich manchmal gerne plakativ sage, entsteht dort: „ein Stück bessere Welt“. Das Besondere ist, dass die dort bestehende Landwirtschaft voll in das zukünftige Lebensumfeld integriert wird. Ein wenig läuft uns nun allerdings auch die Zeit davon. Bis deutsche Verfahren abgeschlossen sind, haben sich unter Umständen die technologischen Grundlagen schon wieder verändert. Wobei man fairerweise hinzufügen muss, dass viele Fragestellungen bei der Planung komplett aufgetaucht sind, die in normalen Planungsverfahren bisher keine Rolle spielten. 2010 sollen jedenfalls nun die Bagger rollen. In drei oder vier Jahren werden wir aber sicher mehr sagen und bilanzieren können. Wir stehen ja noch ganz am Anfang.

myheimat: Nach all den wirtschaftspolitischen Gesprächsgegenständen noch eine private Frage: Bei welchen Tätigkeiten können Sie am besten entspannen?
Käser: Ich denke gerne über die Zukunft nach und gucke deshalb ebenso gerne Science-Fiction-Filme. Eine besondere Leidenschaft hege ich für Raumschiff Enterprise. Außerdem spiele ich gerne Gitarre und beteilige mich gerne an Freizeitprojekten für Kinder und Jugendliche.

Bilder: privat

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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