Ich habe einen Traum....
... und das sogar während der Autofahrt. Während ich also nach getaner Arbeit die gut 500 km über die A5, vorbei an Frankfurt und dann auf die A7 bis zum Salzgitter Dreieck bewältige – da hat man viel Zeit zum Nachdenken wenn der Streß nicht zu groß ist....
Ich spule gedanklich den Film zurück bis ich wieder im Büro sitze.
Noch bevor ich meinen PC herunterfahre hole ich meinen Kommunikator aus der Tasche und wähle „Transport“ aus, dann „1-2 Personen“ und „Handgepäck“ und aus dem Speicher das Ziel – mein Zuhause. Zeit: „Sofort“. Durch das Navigationssystem im Kommunikator weiß das Fahrzeug die Adresse wo es mich erwarten soll.
Ich arbeite am Flugplatz, da ist der nächste Bereitstellungsplatz nicht weit; geeignete Flächen gibt es reichlich und kaum 4 Minuten später zeigt ein Signal daß mein Fahrzeug da ist, Größe Mittelklasse-Pkw. Ich entriegele die Türen mit dem Kommunikator, verstaue meine Reisetasche und steige durch die breite Mitteltür ein – die gibt es beidseitig. Ich wähle den Sitz in Fahrtrichtung, es gibt nur zwei, der andere befindet sich schräg gegenüber – so können sich die Insassen gut unterhalten, dazwischen ein klappbarer Tisch für Speisen oder den Laptop. Internetanbindung gibts über das fahrzeugeigene WLAN. Je nach Passagierzahl und Gepäck gibt es verschiedene Fahrzeugausführungen. Der „GO“ Schalter setzt das Fahrzeug in Bewegung, mit eigenem Elektromotor setzt es sich in Bewegung und gleitet in Richtung Autobahn. Mit dem STOP-Schalter kann ich es jederzeit zum Halten bringen; viel mehr Bedienelemente gibt es nicht. Die Frage „Mitfahrer erwünscht“ beantworte ich mit „Nein“, ich bin ziemlich müde. Andernfalls hätten wir noch einen Passagier unterwegs aufgenommen der dieselbe Route fahren möchte, das spart Energie und ermöglicht wie in der Eisenbahn früher oft überraschend gute Unterhaltungen..
Vor der Autobahn überqueren wir die Eisenbahntrasse; hier fahren nur noch lange Güterzüge, die Gleise wurden um die Städte herum gelegt, Gefahrgut wird, abgesehen vom unvermeidlichen Verteilerverkehr nicht mehr durch bewohnte Gebiete befördert, die Gleisbette leicht in der Landschaft eingesenkt um den Geräuschpegel weiter zu senken. Zumindest werden die Bewohner kaum noch durch quietschende Bremsen geweckt; Bahnübergänge gibt es garnicht mehr.
Der Autobahnzubringer führt uns neben eine ununterbrochene Fahrzeugschlange bis sich neben uns langsam eine Lücke auftut in die sich das Auto behutsam hineinschiebt und kaum merklich an das vordere Fahrzeug andockt, das hinter uns fahrende schließt sich an. Die Ausformung der Karosserien hilft bei dieser Fahrweise den Luftwiderstand zum minimieren; er beträgt nur noch ein Bruchteil dessen eines einzeln fahrenden Autos. Der Antrieb wird leiser, wir fahren im Verbund, es wird nur noch der Rollwiderstand ausgeglichen.
Auf dem Display habe ich Musik ausgewählt, ich schalte den Sitz auf „Flach“, die Fenster auf „Verdunkeln“, nehme meine Decke aus der Tasche – die gibts an Bord nur gegen Aufpreis- und schlafe fast sofort ein. Ich würde automatisch 10 Minuten vor Ereichen des Ziels geweckt. Sonst liebe ich es die Landschaft zu betrachten oder einfach zu lesen oder meinen Gedanken nachzuhängen, oder ich nutze die Zeit um vor allem Schreibarbeit zu erledigen – haben Sie eine Vorstellung davon wieviel Stunden, Monate, Jahre Sie in ihrem Leben damit verbracht haben ein Steuerrad in der Hand zu halten, drei Pedale und einen Schaltknüppel zu bedienen anstatt etwas SINNVOLLES zu tun, wieviel produktive Arbeitskraft und damit Volksvermögen quasi auf der Straße liegen blieb während dieser Zeit – und wieviele Menschen deshalb sterben mußten?
Das war vielleicht eine Umstellung damals – zuerst mußten ja die „normalen“ Fahrzeuge und die neuen, fahrerlosen nebeneinander existieren. Dann wurden die Fahrspuren nach und nach mit Leitsystemen umgerüstet (dadurch wurden die elektromagnetischen Emissionen verringert) und immer mehr Leute entschieden sich für die bequemere Art des Reisens und gaben ihr Auto zurück, es gab großzügige Prämien dafür. Die Autos wurden in den Gegenden eingesetzt wo es mit der Umrüstung noch dauerte – man kann sie dort mieten wo die Fahrspur der Fahrerlosen noch nicht weiterführt.
Und natürlich waren auch Einige gegen die Umrüstung, sie wollten lieber selber fahren, lehnten das Ausgeliefert sein ab. Auch heute noch gibt es viele Strecken wo auch Privatfahrzeuge fahren können – man kann sie auch mieten wenn einem danach zumute ist – ich fahre gern ab und zu mal wieder Motorrad.
Nach und nach verschwanden Verkehrsschilder und Ampeln; was notwendig ist wird in den Privatfahrzeugen direkt angezeigt, die Straßen in den Orten wurden durchgängig dreispurig, nach und nach verschwanden dann die Parkplätze, es entstanden dort Parks oder neue Geschäfte und Wohnungen.
Welch ein neues Ortsbild!
Gewöhnungsbedürftig sind die Kreuzungen - die Steuerung läßt jeweils ein Fahrzeug längs und quer passieren, wie ein Reißverschluß sozusagen. Die ersten Male hat man das Gefühl daß es unweigerlich "krachen" müßte -aber es passt. An den Kreuzungen sind die Fahrbahnen leicht eingesenkt sodaß die Fußgänger und Radfahrer nur sehr leichte Steigungen überwinden müssen.
Wer etwas einkaufen will gibt die Adresse ein, das Fahrzeug hält während der laufende Verkehr drumrum geleitet wird, das System verhindert daß gegenüber ein weiteres Fahrzeug halten kann. Nach dem Aussteigen fährt das Fahrzeug in die nächste Bereitstellung, das Gepäck kann im Fahrzeug bleiben und die Türen öffnen dann nur mit dem passenden Kommunikatorcode mit dem es auch aus der Bereitstellung wieder abgerufen wird. Um den Verkehrsfluß nicht zu behindern fährt das Fahrzeug nach 2 Minuten vergeblichen Wartens wieder in die Bereitstellung zurück.
Das Bauen ist jetzt auch billiger – die Wenigsten bauen noch eine Zufahrt auf dem Grundstück, höchstens noch eine Art Vordach gegen den Regen, Garagen sind fast völlig aus der Mode., und dennoch gibt es reservierte Autos – das sind die z.B. von Handwerkern die ihre Werkzeuge und Material darin haben. Da die Bereitstellungen jedoch abgesichert sind verzichten die meisten darauf das Fahrzeug auf ihrem Grundstück stehen zu haben, sie müßten es sonst extra versichern. Nach anfänglicher Skepsis sind auch diese zufrieden. Werkzeug oder Material vergessen? Kein Problem – das Auto fährt auch allein zurück zur Firma oder zum Lieferanten der das Teil nur hineinzulegen braucht...
Natürlich hatte die Umstellung für einige auch negative Folgen: Es gibt weder LKW- noch Taxifahrer, Fahrschulen, Tankstellen, Fahrzeugzubehörhändler und Automobilclubs haben praktisch aufgehört zu existieren, die Autoindustrie mußte auf andere Produkte umstellen, ganze Versicherungssparten sind weg, Automobilmessen gibts nur noch für Exoten und die Autowerkstätten reißen sich um die wenigen Privatfahrzeugbesitzer; Politessen, Verkehrspolizisten und der Verkehrsunfalldienst sind längst in Rente, die Starenkästen verschrottet.
Dafür haben der Forschungs- und Entwicklungssektor deutlich zugelegt. Ständig werden Leit- und Antriebssysteme verbessert, durch die hohe Fahrleistung werden die Fahrzeuge wesentlich intensiver gewartet und viel früher ausgewechselt wobei viele Verschleißkomponenten in Modulbausweise gewechselt und überholt werden anstatt daß ganze Fahrzeuge auf dem Schrottplatz landen. Viele Arbeitsplätze wurden in diesem Sektor geschaffen, von der arbeitsintensiven Fahrzeugpflege ( jedes wird nach Abgabe durch den Vornutzer durchgesehen und gereinigt) und Instandsetzung bis zur Komponentenüberholung, -entwicklung und -bau. Mutwillige Schäden im Innenraum werden dem letzten Nutzer in Rechnung gestellt. Die Arbeit durch die Modernisierung der Fahrspuren läßt natürlich langsam nach, aber auch hier reißt der Faden nicht ab – schließlich müssen auch immer wieder Verbesserungen eingerüstet und Schäden ausgebessert werden, auch wenn diese deutlich weniger geworden sind was sowohl den Staatshaushalt enorm entlastet als auch den km-Preis für die Fahrzeugnutzung deutlich günstiger macht als noch zu den alten Zeiten.. Mineralöl, -Öko- oder Kfz-Steuer sind Begriffe von gestern, auch die betreffenden Sachbearbeiter habe ihren Stuhl räumen müssen.
Mehr Netto vom Brutto wurde so Realität.
Am meisten zurechtgestutzt wurde die Mineralölindustrie – statt vieler praktisch machtloser Verbraucher steht nun eine Überproduktion zur Verfügung und nur noch wenige Abnehmer wie die Luftfahrt die jedoch auch Einbußen hinnehmen mußte, denn Flugreisen unter 1000km gibt es praktisch nicht mehr was die Flughäfen, den Luftraum und auch Lärm und Emissionen deutlich entlastet bzw. verringert hat . Dadurch wurde auch der Zubringerverkehr zu den Flughäfen weniger, die Bahnhöfe wurden längst umgewidmet.
Die Fahrzeuge werden überwiegend durch erneuerbare Energien und Brennstoffzellen versorgt, durch die Fahrzeugkopplung auf den Fernstrecken wird enorm gespart, die berabfahrenden Fahrzeuge schieben sozusagen die bergauffahrenden mit an.
Unfälle hat es Anfangs schon gegeben, aber die Technik ist jetzt sehr ausgereift und der größte Störfaktor – der Mensch am Steuer – ist raus aus der Loop.
Die Frage „Wer fährt?“ stellt sich bei der Feier nicht mehr denn es hat kaum jemand noch einen Führerschein, ein Sekundenschlaf kommt nicht mehr vor, Rasen geht auch nicht mehr, überholen – was ist das? Wir kommen schneller, ausgeruhter und besser gelaunt ans Ziel – und mit ganz wenigen Ausnahmen ohne Stau und Wartezeit. Durch die gleichmäßige Belastung halten die Straßen ein Mehrfaches, keine tonnenschweren LKW zertrümmern Fahrbahn und Unterbau. Die Autobahnen sind heute alle fünfspurig ohne Mittel- oder Pannenstreifen, die Fahrspuren deutlich schmaler. Gefahren wird auf den zwei rechten und linken Spuren; die Mittlere ist Sonderfahrzeugen vorbehalten oder falls doch einmal etwas passieren sollte; dann wird die Mittelspur mit benutzt. Und sollte etwas Größeres passiert sein oder die Fahrbahn erneuert werden müssen greift automatisch ein Umleitungskonzept bei dem der Fernverkehr über mehrere Nebenstrecken geführt wird um den Ziel- und Quellverkehr so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.
Nach Abgabe wird der Fahrpreis nach gefahrenen km automatisch abgebucht, abzüglich einer Teilung bei einem weiteren Fahrgast.
Das Fahrzeug hält vor meinem Haus, ich lade mein Gepäck aus. Eigentlich wollte ich das Signal geben daß ich das Fahrzeug nicht mehr benötige – doch ich habe nur den Schlüssel von meinem Auto in der Hand und nicht den Kommunikator. Der Peugeot steht unterm Carport und ich träume – genervt und übel gelaunt von 5 Stunden Streß von besseren Zeiten...
Bürgerreporter:in:Edgard Fuß aus Tessin |
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