In den Schluchten des Bolzberges
Nur wenige Eingeweihte kennen ein besonders attraktives Ausflugsziel im Peiner Land. Zu jeder Jahreszeit aber lohnt sich eine Wanderung durch den uralten Steinbruch Bolzberg in Gadenstedt. Ob als lange Rodelbahn im Winter, oder zum Frühlings-Spaziergang, der Bolzberg ist irgendwie „besonders“ und verblüfft jeden Erstbesucher wegen seine Einzigartigkeit und Vielfalt. Gegenüber dem Parkplatz vor dem Bolzberg-Bad „steigt“ man hinab in eine urige, fast vergessene Welt.
Wahrscheinlich schon in mittelalterlicher Zeit wurde der Bolzberg in Gadenstedt als Steinbruch (Muschelkalkstein) genutzt. Diese ehemalige Nutzung ist es, die dieses landschaftliche Juwel im Peiner Land so interessant macht, weil dadurch seine erdgeschichtliche Entstehung sichtbar wird. Vom Kessel des Steinbruchs her kommend drängen leicht schräg aufgestellte, gewaltige Muschelkalksteinplatten an die Oberfläche. Es handelt sich um alten, fossilen Meeresboden aus einer Epoche, in der schon erste Dinosaurier „unterwegs“ waren.
An den steilen Abbruchkanten klammern sich haltsuchend bizarre Hainbuchen und der Wald mit seiner interessanten Begleitflora lädt auf seinen Wegen zum Spaziergang ein. Wählt man den oberen Rundweg, so schützen inzwischen feste Geländer den Wanderer und eine Bank, aufgestellt vom Förderverein Heimatpflege Gadenstedt, lädt zum Verweilen ein. Für Rad-Sportler sind hölzerne Rampen angelegt auf denen sie mit ihren Gelände-Bikes trainieren können. Am Rastplatz erkennt man noch die Fundamente einer alten Flak-Stellung aus dem Zweiten Weltkrieg.
Auch kulturhistorisch hat der Bolzberg einiges zu bieten. So erstreckt sich an seiner südlichen Hangschulter ein Hohlweg, heute ein Kulturdenkmal, dessen Entstehung im Zusammenhang mit dem Abtransport des gebrochenen Steinmaterials zu sehen ist. Dieses wurde nicht nur in und um Gadenstedt verbaut (Kirche, Gut, Burg Steinbrück usw.), sondern auch u.a. als Sockelmauerwerk in der Peiner Altstadt nachgewiesen. Die erste Pflasterung des uralten Handelsweges B1 bestand um Anfang des 19. Jahrhunderts ebenfalls aus Bolzbergestein, wie Protestschreiben der dienstleistenden Bauern belegen, die der Oberger Alexander Rose gesichtet hat.
In Mitteleuropa entstanden in einem flachen Meeresbecken fossilienführende, überwiegende kalkige Ablagerungen, die später verfestigt und zum Muschelkalk (im Sinne einer Gesteinseinheit) wurden. Allerdings enthalten diese Gesteine nicht nur Muscheln, sondern auch Armfüßer. In manchen Lagen sind sie sogar häufiger als die namensgebenden Muscheln. Oft sind in manchen Teilen des Muschelkalks auch Reste von besonderen Stachelhäutern, die sogar einzelnen Unterabteilungen des Muschelkalks ihren Namen gaben („Trochitenkalk“ bzw. heute Trochitenkalk-Formation, nach den Trochiten = Stielglieder von Seelilien; keine Pflanzen, sondern Tiere). Die Ablagerung der Sedimente des Muschelkalks fand vor etwa 243 bis 235 Millionen Jahren (jeweils mit einer Unsicherheit von etwa 2 Millionen Jahre) statt. Dies entspricht den internationalen Stufen Anis und dem Unteren Ladin der Mittleren Trias. Die Gesteine des Muschelkalks sind in der Regel durch hellgraue bis beige Farbtöne charakterisiert.
Diese uralten Ablagerungen sind für unsere Gegend sehr außergewöhnlich. Sie sind ansonsten viel häufiger in den südlichen Regionen Deutschlands anzutreffen.
Bürgerreporter:in:History 4 free aus Peine |
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