Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! Müller, Mehl und alte Mühlen im Peiner Land
Der häufigste deutsche Nachname lautet bekanntlich „Müller“. Allerdings übt kaum noch jemand diesen Beruf in der Tradition aus, in der er in früheren Zeiten eine wichtige Rolle spielte. Neben den von Müllern betriebenen Wassermühlen, die auf ein Fließgewässer angewiesen waren, prägten früher sehr viele Windmühlen das hiesige Landschaftsbild. Für das 12. Jahrhundert sind bereits drehbare Bockwindmühlen belegt, die durch Hebelwirkung mit dem sogenannten Steert („Schwanz“) in den Wind gedreht wurden. Das Kernmerkmal dieses ältesten Mühlentyps in Europa ist, dass das gesamte Mühlenhaus auf einem einzelnen dicken Pfahl (dem „Hausbaum“) steht, der senkrecht in einem unterhalb der eigentlichen Mühle befindlichen hölzernen Stützgestell (dem namengebenden „Bock“) befestigt ist. Die Dreh-Methode ist jedoch bei wechselnden Windrichtungen nicht optimal und sehr beschwerlich.
Das verbreitetste Bannrecht des Mittelalters war der Mühlenbann oder auch Mühlenzwang, bei dem die Einwohner eines Gebietes verpflichtet waren, ihr Getreide ausschließlich bei einer bestimmten Mühle (Bannmühle) mahlen zu lassen. Zuwiderhandlungen wurden empfindlich bestraft. Wer beispielsweise heimlich daheim mahlte und dabei erwischt wurde, dem wurden die Mahlsteine von der Obrigkeit bei Strafe zerbrochen!
In den Heimatstuben der Region Peine finden sich noch häufig die weißen, alten Mehlsäcke, die die Bauern um 1900 verwendeten. In der Regel sind sie mit dem Besitzernamen und dem Wohnort beschriftet. Zu Stoßzeiten (Ernte) dürfte an den Mühlen großer Andrang geherrscht haben, daher galt stets: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!“
Ende des 16. Jahrhunderts kamen in den Niederlanden die Holländermühlen auf, bei denen sich nur noch die Turmhaube dreht. Vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren Windmühlen in immenser Zahl über Europa verbreitet. Sie waren im Wesentlichen im windigen nordeuropäischen Tiefland, mit Schwerpunkt Niederlande als Küstenland (das einst 10.000 Windmühlen zu verzeichnen hatte), sowie in Frankreich, Belgien, Großbritannien, Polen, den Baltischen Staaten, Nordrussland und Skandinavien zu finden.
Dampf contra Wind
Nachdem in Preußen die Gewerbefreiheit eingeführt wurde, kam es Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem deutlichen Aufschwung der Windmühlenindustrie. Mit der Zahl der selbständigen Meister stieg sprunghaft auch die Anzahl der Windmühlen. Nach Zählungen waren im Deutschen Kaiserreich 1895 noch 18362 Windmühlen und 54529 Wassermühlen in Betrieb! Ihnen standen damals aber bereits 58530 Anlagen gegenüber, die mit Dampfkraft arbeiteten. Da der Betrieb der Windmühlen vom Wetter abhängig war und nicht die Leistung großer Dampfmaschinen erreichte, war der Einsatz der Dampfmaschine trotz oftmals höherer Kosten gerade für große Unternehmen praktischer und die Zahl der Windmühlen ging stark zurück. Das sogenannte „erste Mühlensterben“ setzte ein. Für die noch bestehenden Windmühlen wurde der Umbau auf elektrischen Antrieb angeboten, um den Klein- und Mittelbetrieben die Existenz zu sichern. So wurde 1936 auf einer Ausstellung in Berlin eine Mühle mit elektrischem Antrieb gezeigt.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg erlebten die noch bestehenden Windmühlen eine kurze Blütezeit, da mangels Treibstoff, Elektroenergie und intakten Antriebsmaschinen keine Alternativen bestanden, die benötigten Maschinenleistungen zu erbringen. Dieser Aufschwung ging jedoch in Westdeutschland in den 1950er Jahren vor allem durch das Mühlengesetz zu Ende, mit dem sich die Großbetriebe der unliebsamen Konkurrenz der Windmühlen durch Prämien für die Stilllegung entledigten („zweites Mühlensterben“). Demzufolge ging die Zahl der gewerblich betriebenen Windmühlen dramatisch zurück.
Peine-Vöhrum, Handorf und Stederdorf haben noch eine Windmühle
1891 ließ der Müllermeister Karl Lüttgerding in Vöhrum eine Holländerwindmühle durch die Peiner Mühlenbaufirma Wilhelm Tiedt errichten. Zuvor stand hier wie so häufig eine Bockwindmühle.
Ursprünglich trieb die Mühle 3 Steinmahlgänge nebst zugehörigen Siebmaschinen an. 1924 sind die Flügel der Mühle zerstört worden. Nach einer erhaltenen Bauzeichnung der bekannten Mühlenbaufirma Wetzig aus Wittenberg / Elbe ist die Mühle danach mit neuer Technik, u. a. zwei Walzenstühlen, versehen worden, auf die Wiederinbetriebnahme des Windantriebs wurde jedoch verzichtet. Der Sohn Karl Lüttgerding betrieb die Mühle bis 1953 per Motorkraft. Weiterhin wirkte Lüttgerding über etliche Jahre als Obermeister der Müller-Innung für den Kreis Peine.
Nach Stilllegung und Jahren des Zerfalls wurde die Mühle zu Wohnzwecken umgebaut und zur Wiederherstellung des äußeren Bildes wieder mit einer nachgebildeten Kappe und Flügelimitationen versehen. Nördlich von Stederdorf steht noch die hölzerne, 1997 restaurierte Bockwindmühle aus dem Jahr 1884. Diese sogenannte „Woltersche Bockwindmühle“ ist seit Frühjahr 2011 Teil der Niedersächsischen Mühlenstraße. Die Handorfer Mühle ist dagegen ihres Kopfes vollständig „beraubt“.
Töpfers Mühle – Gebastelte Historie in Peine Stadt
Die sogenannte Töpfers Mühle in der Peiner Kernstadt befindet sich am historischen Standort der einstigen Ratsmühle aus dem 14. Jahrhundert. Diese wurde 1945 bei einer Explosion beschädigt. Als Ersatz des alten Peiner Wahrzeichens kaufte die Stadt eine Mühle gleichen Typs von der dänischen Insel Bornholm. In der neu erbauten Mühle befindet sich bereits seit 1985 ein Jugendfreizeitzentrum.
Alte Mühlen sind Kult
Ob von Individualisten zu Wohnzwecken genutzt, oder einfach nur als romantisches Fotomotiv, Mühlen als technische Denkmäler sind in unserer Epoche zu raren Kultobjekten geworden. Wer sich einen Überblick über die vielen Varianten verschaffen möchte, der braucht nur einen Ausflug in das benachbarte Gifhorn zu machen, denn dort befindet sich das einzigartige Internationale Mühlenmuseum.
Bürgerreporter:in:History 4 free aus Peine |
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