Versunkene Stadttore, Großbrand und Straßenmusik damals in Peine
Die Eisenbahn , die seit 1848 die Stadt Peine berührte , lud nun zum öfteren Aussteigen und Bleiben ein.
Das nahm auch die "neue Zeit" wahr, denn nun konnte man in Peine seit der Gleisverbindung mit der übrigen Welt, von einer neuen Zeit sprechen. Nach mehreren kleinen Erneuerungen und Umgestaltungen in den früheren Jahren, machte man jetzt einen Großangriff, damit noch im alten Jahrhundert das Gesicht der Stadt Peine völlig verändert wurde.
Die Vorbedingungen waren schon vor längerer Zeit erfüllt, als die "neue Zeit" nicht gerade zimperlich mit einigen Einrichtungen der alten Stadt umgesprungen war.
Damals hatte sie, um der Stadt bei seinem Drang nach Ausdehnung zu helfen, die alten Stadttore so kräftig aufgestoßen, daß diese samt Torwächterhäuschen völlig nieder sanken. Es fand sich auch niemand, der durch Wiederaufrichten, die Sicht in die Weite erneut versperren wollte.
Wo waren diese Stadttore ?
Das "Hohe Tor" stand vor dem Gröpern, ungefähr zwischen den heutigen Häusern Farben Hansen und Korbmacher. Ab hier hieß die Straße vor dem Bahnbau noch "Landstraße nach Ilsede", war demnach noch unbebaut und führte erst weit draußen an der "Belvedere", heute Peiner Festsäle, vorbei.
Peines erster Bahnhof wurde weit außerhalb des Hohen Tores angelegt. Dieses Tor hatte allerdings früher weiter zurückgelegen und zwar vor Stegen, am Anfang der Wallstraße und des Pulverturmwalles.
Das "Dammtor" stand vor der Fuhse auf der Kniepenburg. Ein drittes Tor, das sogenannte "Stederdorfer Tor" befand sich am Ende des Rosenhagens, etwa bei Kaufmann Meyer. Das vierte Tor, das "Schloßtor" stand nach Telgte hinaus vor der Fuhse. Nach Erinnerungen der ältesten Einwohner Peines, hat das "Dammtor" die längste Zeit ausgehalten, wie z.B. aus Jugenderinnerungen des Altmeister Rump hervorgeht.
Nach seinen Erzählungen hatten die Einwohner des Dammes und der Stadt außerhalb des Dammtores ihren Torf. Damit die oberen Schichten nicht vom Torbogen abgestreift wurden, war es wichtig die Ladehöhe des Wagen zu beachten.
Die Bengels oben auf dem Torffuder taten sich wichtig, wenn sie den Bogen über sich mit den Händen greifen konnten. Zur Bedeutungslosigkeit dieses kindlichen Spiels war die Existenz des Tores seinerzeit schon herabgesunken.
Im Herbst 1879 war das letzte Großfeuer auf dem Damm, welches noch mit Fuhsewasser bekämpft werden mußte. Dieses Wasser wurde mit ledernen Feuereimern aus dem Fluß geschöpft und in langer Menschenkette nach der Handspritze befördert. Meister Rump hat damals selbst bei diesem schwer zu bezähmenden Großbrand des Hauses Seckel, in dem viele Vorräte an Flachs lagerten, als ca. 11jähriger Bengel in der Kette gestanden. Natürlich war er wie alle Jungens von oben bis unten plitschnaß. Wiederum ein äußeres Mithelfermerkmal, mit dem sie prahlen konnten . Dafür kam aber mancher Eimer bei Spritze halbvoll an.
"Junge, Junge, war das ein Feuer !"
"Wie Raketen schossen die Flachsballen nur so durch die Luft ," erzählte eine Frau vom Damm. Manchmal landeten einzelne Ballen auf umliegende Dächer und brachte dadurch Nachbarhäuser in Gefahr. Gegen Abend war der Brand ausgekommen und die Bekämpfung dauerte bis zum anderen Morgen. Manches Bauern Flachsernte war vernichtet. Auf der Brandstätte erstand bald das neue gelbe Seckelhaus.
Dank der verdienstvollen Männer, Senator Voges und Bürgermeister Roer, bekam Peine 1884 Kanalisation und Wasserleitung, sodaß die ledernen Feuereimer museumsreif wurden.
Der altersschwache Damm hatte offensichtlich die Richtfeste am Nötigsten , denn einige Jahre später brannten am anderen Ende des Dammes einige Häuser ab. Auch schien es, das vom Bau Seckel noch genügend Steine übrig geblieben waren.
Die Zeit dieser alten Häuschen auf dem Damm war um, zu sehr lockten die neuen Häuser, sodaß nach wieder wenigen Jahren auch andere Häuser auf dem Damm abbrannten. Dazu auch noch an einem Freischießentag.
Das ergab Katzenjammer auf beiden Seiten. An langen Stangen, welche man an die Fenster lehnte, retteten die sich vor Feuernot jammernden Katzen ins Freie und wurden unten von den freiwilligen Feuerwehrleuten empfangen, die noch vom Freischießen her einengewaltigen Kater hatten.
Statt Flachsballen flogen bei diesen Bränden fette Speckseiten durch die Luft, denn in einem der brennenden Häuser war eine Schlachterei.
Zeitgenossen verdächtigten einen der drei Hausbesitzer der Brandstiftung, indem dieser anlässig der Königsillumination die Kerzen sehr nahe an die Gardinen geschoben haben soll.
Es heißt doch, man soll die Feste feiern wie sie fallen , warum sollten nach diesem Freischießen nicht bald wieder einige Richtfeste fällig sein ?
1887 mußte ein Wohnhaus in der Echternstraße dem Durchbruch der Hagenstraße weichen. Dieser Vorstoß in die feuchten Hagenwiesen war der erste Versuch , sie für die menschliche Besiedlung zu gewinnen. Zweimal sank das erste Gebäude, ein größerer Schuppen, in sich zusammen. Erst nach dem dritten Aufrichten konnte das Richtefest ohne Zwischenfälle gefeiert und die Flaschen ohne Ärger geleert werden.
Wahrscheinlich hat die Burgmühle auf der Kniepenburg durch ihre Stauungen viel zur übermäßigen Feuchtigkeit und stehendem Wasser in den Hagenwiesen beigetragen.
Erst als die Mühle ihre Tätigkeit einstellte, wurden auch die Hagenwiesen trockener.
Um 1896 war es, als dem schmuckarmen Peine ein wirklicher Naturschmuck genommen wurde. Die mit beträchtlichem Alter beladenen Linden auf dem Burgberg, deren Stämme so dick waren, daß einige Männer ihre Arme zum Maßband vereinigen konnten, und die gleich domtragenden Säulen mit ihren dichten Kronen ein halbdunkles zur stillen Einkehr ladendes Gewölbe schufen - - - fielen Axt und Säge zum Opfer.
Heute noch überkommt den Meister Rump und andere Zeitgenossen eine ehrliche Trauer, wenn sie an diese vermeintliche Fehlentscheidung der Verantwortlichen zurückdenken. Der herliche grüne Dom auf dem Schloßberg war ihnen allen immer wieder zum eindrücklichsten Erlebnis geworden. Als die Bäume lagen, zersägt und in verschiedenste Werkstätten abtransportiert waren, wurde mit Spitzhacke, Schaufel und Karre der Burgberg abgetragen und in den Keller geschüttet.
Dieses aber war der Zweck der vielleicht unverantwortlichen Zerstörung einer Idealstätte , die des Naturschutzes würdig gewesen wäre.
Man hatte gehofft mit den Erdmassen, den ganzen Keller füllen zukönnen, aber ein breiter Graben war unersättlich , daß nach verschwinden des Burgberges kaum die Hälte zugeschüttet war. Der Zweck war somit nicht erfüllt, aber eine Idealstätte unnötig zerstört ! Viele Fuhren mußten noch anderweitig beschafft werden, um den Restgraben zu schließen.
Auch die "neue Zeit" war mit dieser verfehlten Maßnahme des kurzsichtigen Rates der Stadt Peine nicht einverstanden und schalt sie Räuber und Bilderstürmer. Leidtragende waren auch Kinder und Jugendliche, die mit dem verschwinden des Burgberges die schönste Rodelbahn verloren.
Mit der Zuschüttung des Restgraben verlor auch eine alte Brücke, welche die Stederdorferstraße mit dem Rosenhagen verband, ihre Existenzberechtigung.
Auf dem alten Wasserlauf selbst entstand die heutige Burgstraße, welche die Stadt im Norden mit den Schulgebäuden abschließt.
Weiter ließ die "neue Zeit" alle vier Pumpen auf den Ecken des Marktplatzes verschwinden, sie vermochten den Wind dieser Zeit nicht standzuhalten. Nach dem Verschwinden der Pumpen kamen die Peiner zwar nicht in Verlegenheit, denn sie hatten ja dafür die Wasserleitung in ihre Häuser bekommen.
Aber nun verblieb es leicht die Zugtiere unterwägs zu tränken.
Um der Tiere willen stiftete ein hochherziger Mensch, die tierliebende Frau des Kommerzienrates Meyer einen eisernen Brunnen mit großem Saufbecken. In der warmen Jahreszeit spendet er immer frisches Wasser. Unter dem großen Becken, dicht über dem Boden, bietet ein kleines Becken den Hunden Erfrischung.
Als krönender Abschluß trägt der Brunnen noch eine Schale für die Vögel des Himmels.
Eine bronzene Kopie steht noch heute an diesem Platz in der Bahnhofstraße.
Die Pferde haben allerdings ihrer Konkurenz, den LKW´s und Zugmaschinen weichen müssen und man sieht nun kaum noch einen vierbeinigen Freund seinen Durst dort löschen, wo sich früher die Gespanne an der runden "Tankstelle" ablösten.
Andere, den alten Peinern bekannte Örtlichkeiten, die nach und nach teils bebaut, oder in Anlagen umgewandelt wurden, waren der Nachtanger, auf dem der Schafmarkt abgehalten wurde und später die Kaiserstraße ( heute Beethovenstraße) entstand, der Wilhelmsplatz (Friedrich-Ebert-Platz), wo damals Pferde- und Viehmärkte stattfanden, ferner die Pferdespüle, quer vor den Ausgängen der Wall- und Lindenstraße, am Fuße der damaligen Windmühle. Allen Peinern war es damals ein vertrautes Bild, wenn die Knechte nach Feierabend ihre Pferde dort durchs Wasser führten.
Um 1910 überragte die erwähnte Windmühle noch das ganze Stadtbild von Peine und war die größte des ganzen Hannoverlandes. Sie war 1278 von der Stadt erstmals erbaut, oft zerstört und zuletzt 1849 abgebrannt. In den letzten Jahrzehnten irer neidlos zugegebenen Größe und Schönheit war sie als Töpfersche Windmühle in der ganzen Provinz als Zierde der Stadt Peine bekannt.
Auf dem Schützenplatz am Stadtpark wird seit Jahrhunderten alljährig anfang Juli das historische Freischießen abgehalten.
Ganz früher waren selbst noch die Scheibenstände auf dem Schützenplatz, ungefähr dort wo die Reichsbank war, standen die Schützen und legten ihre Flinten an.
Wie gemütlich die Schießerei von statten ging, mag folgende Beschreibung veranschaulichen :
Zu beiden Seiten der Schießbahn wurde je eine Schnur über die Straße gespannt, damit der "Verkehr" nicht in das Schußfeld geriet. Kam ein Wagen des Weges, machten die Hüter an der Leine ein Zeichen, und die Schießerei ruhte ein Weilchen, bis der Wagen vorbei war. Danach konnte die Ballerei weitergehen , fürwahr , gemütlicher ging es nicht mehr.
Peine hatte damals auch seine regelmäßige Straßenmusik.
Der alte Ihle war durch einen Unfall erblindet. Nach diesem tragischen Unfall stellte die Fabrik dem Geschädigten eine Drehorgel zur Verfügung. Dadurch war der in den Straßen mit seiner Orgel erscheinende Blinde als "Onkel Ihle" zum Begriff geworden.
Froh und ausgelassen tanzten die Kinder um den Straßenmusikanten. Auch in den Wohnungen tanzten erwachsene Paare nach den Walzer- und Schlagermelodien.
Während der Vater orgelte, sammelte seine Tochter in verschlossener Büchse die freundlichen Spenden ein.
Dann zog das Mädchen den Orgelwagen eine Strecke weiter, wodurch sie auch den blinden Vater weiterführte und Onkel Ihle brachte seine Lieder auch dort zu Gehör.
Am Schluß seiner musikalischen Wanderung durch die Straßen, wurde die Sammelbüchse auf dem Rathaus geöffnet , - , und ihm daraus sein "Honorar" gezahlt !
Eine andere bekannte regelmäßige Erscheinung war in Peine der Sandmann Giesholt.
Er war der Sandmann von dem die Kinder in ihrem Lied sangen :
" Der Sandmann der ist da !
Der Sandmann der ist da !
Er hat so schönen weißen Sand,
ist allen Leuten wohlbekannt.
Der Sandmann der ist da !"
Ja , er hatte tatsächlich wunderbaren weißen Sand und die ganze Metze(altes Hohlmaß) kostete nur 5 Pfennige. Wenn die Bürger am Freitag Giesholts langgezogenen Ruf :
"Weißer Saannd !"
in den Straßen hörten gaben sie den Ruf weiter mit der Bemerkung , der Giesholt kommt .
Giesholt und sein Sand waren gedanklich für die Peiner ein Begriff.
Mit Eimer und Kästen gingen die Leute zu seinem Pferdewagen, von welchem Giesholt den weißen Sand verkaufte. Je nach Größe der Wohnung und wie oft man den Sand wöchentlich erneuerte, kaufte man eine oder mehrere Metzen.
In der Woche wurden die Zimmer einige Male mit samt dem Schmutz ausgefegt , um danach wieder neuen Sand zu streuen.
In diesen Jahren waren die Fußböden noch ungestrichen und Bohnerwachs war unbekannt.
Quelle : Heimat unterm Rauch
Bürgerreporter:in:ADOLF Stephan aus Peine |
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