Römerlager Wilkenburg - Varus oder Tiberius? Wer lagerte bei Hannover ?

Aufmarsch einer römischen Legion
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Die Entdeckung eines römischen Militärlagers südlich von Hannover wird neben dem Schlachtfeld am Harzhorn als weitere archäologische Sensation mit Römer-Bezug in Niedersachsen gefeiert.
Das römische Marschlager befand sich südlich der heutigen Stadt Hannover zwischen den Hemminger Ortsteilen Wilkenburg und Arnum. Es lag auf einer leichten Geländeerhebung etwa 2 km westlich des heutigen Verlaufs der Leine und etwa 1,2 km westlich des heutigen Altarms der Leine. Das Areal des früheren Lagers ist heute im Süden, Osten und zum Teil im Norden von Teichen umgeben, die in jüngerer Zeit durch den Kiesabbau in der Leineniederung entstanden sind. Altfunde aus den angrenzenden Kiesgruben wurden schon vor Jahrzehnten von Hobby-Forschern beobachtet. Als römischer Import z.B. fand sich der Rest eines Siebgefäßes für die Wein-Herstellung. Bemerkenswert sind auch 2 menschliche Schädelfragmente mit Spuren von Hiebwaffen, die mit etlichen Keramiken der römischen Kaiserzeit im Spülkopf der Kiesgewinnungsanlage auftauchten. Sie deuten auf eine gewaltsamen Auseinandersetzung hin.

2 römische Legionen lagerten bei Hannover

Bei dem Lager handelte es sich um eine fast quadratische Anlage von etwa 500 bis 600 Meter Seitenlänge mit einer Fläche von rund 30 Hektar, die von einem Spitzgraben in der üblichen römischen Bauweise umgeben war. Von den ehemals vier abgerundeten Ecken (Spielkartenform) der Anlage haben sich drei im Boden erhalten, während die vierte, nordwestliche durch jüngere Wohnbebauung in Wilkenburg zerstört wurde. Derartige Spitzgräben waren ungefähr 1,20 bis 1,50 Meter tief und 90 Zentimeter breit. Mit dem gewonnenen Bodenaushub wurde auf der Innenseite ein schützender Erdwall mit beidseitig angespitzten Pfählen angelegt. Vor ihrem Abzug ebneten die römischen Soldaten diese Anlagen wieder ein. Das Marschlager bei Wilkenburg verfügte über zwei Torbereiche bisher unbekannter Bauart, von denen sich das südwestliche Tor an der höchsten Stelle des Lagers befand. Man geht von 20 000 Soldaten aus, die dort kurzzeitig stationiert waren. Das entspräche etwa 2 vollständigen Legionen mit Hilfstruppen und Tross. Münzfunde datieren in das Zeitalter des Augustus. Prägestätten im heutigen Südfrankreich legen eine Bezug zu den Operationen des Varus nahe, der dieses Gebiet als römische Provinz ebenfalls verwaltet hatte.

Römische Heere unterwegs in Niedersachsen

Unter Augustus umfaßte das römische Heer 25 Legionen. Experten gehen von einer Tages-Marsch-Leistung von etwa max. 30 Km aus. Das befestigte Römerlager Hedemünden wurden einst über einen längeren Zeitraum genutzt liegt etwa 130 Km südlich von Hemmingen/Wilkenburg, die Zeitstellung paßt zum jetzt entdeckten Lager-Komplex bei Hannover. Von dort aus wäre eine weitere denkbare Station das südliche Hildesheim, wenn man denn gen Süden zieht, denn es liegt knapp 30 Km entfernt, im ehemaligen Kerngebiet der Cherusker. Gen Hedemünden wären demnach theoretisch weitere Marschlager im Verlauf der heutigen A7 (einer uralten Nord-Süd-Verbindung) nötig, um die Stecke nach römischen Maßgaben mit einem Landheer zu bewältigen. Der Hildesheimer Silberfund (Fundort Galgenberg südöstlich der Stadt), mit mutmaßlichem Ursprung der Stücke aus Südfrankreich erscheint nach dieser neuen Entdeckung gleichfalls in einem besonderen Licht.

Nachtrag:

Die Auswertung der Fundmünzen legt einen Bezug zum Feldzug des Tiberius nahe. Die Schädelfunde mit Hiebverletzungen sind insofern auch als Relikte von Kampfhandlungen zu sehen. Ferner wurden auf dem Areal Spuren älterer und jüngerer Besiedlung festgestellt.

Tiberius in Germanien

Tiberius übernahm 4 n. Chr. im Zuge des immensum bellum erneut den Oberbefehl in Germanien und zog im folgenden Jahr von Gallien aus bis ins Mündungsgebiet des Rheins (Rhenus). In seinem Gefolge befand sich der Historiker Velleius Paterculus, der die Position eines praefectus equitum innehatte. Tiberius drang bis zur Weser (Visurgis) vor und errichtete an den Quellen der Lippe (Lippia) ein Winterlager. Dies war das erste Mal, dass eine große römische Armee in Germanien überwinterte. Im Frühjahr des Jahres 5 n. Chr. besiegte er zusammen mit der römischen Flotte die Langobarden an der Unterelbe. Er zog daraufhin weiter elbaufwärts und gelangte an der mittleren Elbe (Fluvius Albis) zu den Semnonen und schließlich zu den Hermunduren, wo er ein Lager aufschlug und germanische Gesandte empfing. Der Feldzugteilnehmer Velleius Paterculus beschrieb die Situation zu diesem Zeitpunkt folgendermaßen: „Nichts blieb mehr in Germanien, das hätte besiegt werden können, außer dem Stamm der Markomannen“.
Im Jahr 6 rüstete Tiberius gegen Marbod, den König der Markomannen. Es wurden insgesamt zwölf Legionen mit Hilfstruppen aufgestellt, was die Hälfte des gesamten Militärpotentials der Römer zu der Zeit darstellte. Kurz nach Beginn des Feldzugs im Frühjahr des Jahres 6 brach Tiberius ihn wieder ab, als er die Nachricht vom Pannonischen Aufstand erhielt. Allerdings schloss Tiberius noch einen Freundschaftsvertrag mit Marbod, um sich vollkommen auf die schwere Aufgabe in Pannonien zu konzentrieren.

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