Melker, Milch und Molkereien – Der Milchbock gilt als ausgestorben!
Die „Null-Bock-Generation“ ernährt sich angeblich gern von Milch-Schnitten und glaubt an lila Kühe. Nun, das mag ein abwertendes Vorurteil sein, aber in früheren Zeiten war die Organisation der Milchwirtschaft ein fast rituelles Dorf-Ereignis. Das fing beim Beruf des Melkers an, der damals noch echte Handarbeit mit viel Fingerspitzengefühl leistete! War die Milch erst einmal im Eimer, musste sie möglichst frisch und steril weiterverarbeitet werden. Viele Ortschaften im Peiner Land hatten früher einst eine eigene kleine Molkerei (auch Käserei oder Meierei bezeichnet).
In jedem Bauern-Dorf gab es vor den Höfen mit Kuh-Haltung besondere Gestelle. Man nannte sie Milchböcke, Milchbänke, oder selten auch Milchtische. Der gemeine Milchbock ist jedoch kein lästiges Ungeziefer, wie man annehmen könnte, sondern es handelt sich um erhöhte hölzerne Bohlen-Bänke, auf denen Milchkannen aufgestellt wurden, um in die nächste Molkerei gebracht zu werden. Das übernahm einst der Milchkutscher. Er spannte seine zwei starken Pferde vor einen offenen Anhänger, um bei jedem Wetter die Milchbehälter der Bauern abzuholen. Wenn die meisten noch schliefen, sammelte er die Kannen auf den Milchböcken ein, um sie früh morgens in die nächste Molkerei zur Weiterverarbeitung abzuliefern; am späten Nachmittag holte er oft ein zweites Mal ab. In der Molkerei wurde aus der Milch Käse, Sahne oder Quark gefertigt. Die Produkte konnten dann direkt in der Molkerei erstanden werden.
Flirts, Klatsch und Tratsch am Bock!
Die Milchböcke waren damals auch die „Dorf-Zeitung“. Bereits in aller Herrgottsfrühe kamen Frauen, Männer oder kräftige Burschen mit ihren vollen und schweren Milchkannen an den Milchbock. Und in der Zeit, in der sie warteten, gab es viel zu erzählen. Klatsch und Tratsch, aktuelles Geschehen und manche Neuigkeit wurden ausgetauscht. Bei warmen Wetter, natürlich erst nach der Schule, nahm oft die Dorfjugend die Bänke in Beschlag. Zumeist barfüßig, die Beine baumelnd, spielte man z.B. Auto-Kennzeichen-Raten oder Quartett; das PC-Spiel und der „grippale Infekt“ waren damals bekanntlich noch Fremdwörter! Gegen Abend waren es dann auch schon einmal die jungen Dorfschönheiten, die man damals noch Backfische nannte, die kichernd auf den Bänken den Jungs auflauerten.
Auch wenn dann Jahre später bereits ein modernes Molkereiauto kam, setzte geschäftiges Treiben ein. Schwere, volle Milchkannen wurden auf den Wagen gehievt, leere scheppernd abgeladen. In späteren Jahren saugte der Fahrer mit einem Schlauch die einzelnen Milchkannen leer, maß den Fettgehalt der Milch, notierte sorgfältig, wie viele Liter in den einzelnen Aluminiumkannen waren und händigte dem liefernden Bauern einen Lieferschein aus. Sorgfältig verwahrte dieser ihn, im Kopf still rechnend, welchen Geldbetrag er dann gegen Monatsende von der Molkerei bekommen könnte. Anfang des 20. Jahrhunderts unterstützten bereits erste elektrische Melkmaschinen die Melker, die aber stets noch per Hand nach-melken musste.
Auf den Deckeln der Kannen stand meist die Nummer des Milchbocks oder der Name des Ortes, und seitlich an der Milchkanne wurde die Nummer des Landwirtes angebracht, die auch für die Abrechnung durch die Molkerei zuständig war.
Jeder Bauer achtete peinlich genau, dass "seine" Milch gut gekühlt war, damit sie nicht sauer wurde, sonst bekam er einen roten Zettel an die Kanne geklebt. Das bedeutete erheblichen Geldverlust. Zum Kühlen stellte man die Kannen auch im Keller ins kalte Wasser.
Doch der Fortschritt raste. Mit den modernen Milchautos war es bald nicht mehr sinnvoll, für eine oder zwei Milchkannen zu einem Milchbock zu fahren. Auch die hygienischen Anforderungen an das Lebensmittel wurden immer strenger. Das Aussterben der kleinen landwirtschaftlichen Betriebe ging weiter. Die Zeit, in der mit dem "Milchauto" die Milch in Kannen bei den Bauern abgeholt wurde, ist längst vorbei.
Auch die vielen Peiner Molkereien sind Geschichte
Ein Dachbodenfund aus einem alten Fachwerkhaus in Adenstedt deutet auf die ehemalige Molkerei im Ortskern hin. Bei Aufräumarbeiten fanden sich kürzlich 3 schön verzierte Abgabeflaschen für Milch aus der Zeit um 1900. Sie tragen den Eigentümer-Schriftzug des einstigen Adenstedter Großbauern „Aselmann II Adenstedt“ (Foto). Zumindest in Adenstedt steht noch das alte Molkereigebäude in der Molkereistraße, 1892 begründet gegen großen Widerstand insbesondere der Bäuerinnen, die die Milchverarbeitung ungern abgeben wollten, da sie an ihre eigenen Satten, Butterfässer und Hand-Zentrifugen gewohnt waren, berichtet Ortsheimatpfleger Hans-Joachim Wolff! Der lange Schornstein ist längst abgerissen und 1967 erfolgte die Übernahme durch die Molkerei Bekum/Stedum. „Ihr gegenüber gab es früher 2 „Milchbuden“, die das Dorf mit Frischmilch versorgten. Ein spezieller Milchschlitten in der Heimatstube Adenstedt belegt den einstigen Kannen-Transport bei Eis und Schnee, oft gezogen von größeren Hunden“, erinnert Wolff, der die 3 seltenen Flaschen für die Heimatstube Adenstedt erwarb. Im Kreisgebiet wurden u.a. die Molkereien in Peine, Rosenthal, Meerdorf, Stederdorf, Woltorf, Edemissen, Vöhrum, Klein-Ilsede, Bettmar, Groß Lafferde, Neubrück, Wendeburg (2 Betriebe), Bortfeld und Woltwiesche-Barbecke zumeist bis in die 1970er Jahre betrieben, seither dominierte die Molkerei Dedenhausen (Altkreis Peine) das regionale Geschäft mit der Milch, bis 2004 auch hier die Produktion eingestellt wurde.
Die alten Original-Milchböcke jedoch sind verschwunden. Und die silbernen, oft verbeulten Milchkannen desgleichen - allenfalls stehen sie noch aus Nostalgie als Dekoration in Fluren und Wohnstuben.
Bürgerreporter:in:History 4 free aus Peine |
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