Hausschlachten damals - vor 50 Jahren in Koldingen

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Das Schlachtefest – Hausschlachten vor 50 Jahren in Koldingen

Heute hat man ja eine Garage oder ein Carport. Wir hatten früher einen Stall für zwei Schweine (Ötschen), Enten und Gänse (vor meiner Zeit auch Ziegen) und natürlich die Hühner. Der Stall war gleich neben dem Misthaufen und noch vor unserem Klo. Fließend Wasser mit WC kam erst 1957. Bis dahin wurde aus der Pumpe vor dem Haus das Wasser in spezielle Wassereimer gepumpt. Das Stroh kam auf den Stallboden und die Schweinekartoffeln waren in einem extra Schuppen ebenso wie die Briketts oder die Steinkohle. Das Brennholz war auf unserem Hausboden sowie draußen in zwei großen Holzdiemen geschichtet. Mein Opa Gottlieb hatte selbst mit 90 Jahren noch Holz gehackt und die Diemen geschichtet.
Dickes knorriges Holz wurde extra für den Schlachtekessel aufgehoben. (Hohe Heizkraft). Das Viehzeug musste natürlich jeden Tag ordentlich gefüttert werden, bekam Wasser zu saufen und der Stall wurde wöchentlich ausgemistet. Ein Schweineeimer stand immer bereit. Nach den Hühnereiern wurde täglich gekuckt. Sonst wurde in den Kesseln Wäsche gekocht und gewaschen. –
Ja früher war das anders!
Hatten die zwei Schweine ihr Schlachtgewicht von ca. 3 ½ Zentner, wurde ein Schwein verkauft und eines geschlachtet. Mein Vater nahm meistens ein Maßband und konnte anhand der Körpermaße in etwa das Gewicht schätzen, dann kam das Schwein in einen besonderen Pferch und wurde mit dem Trecker zu Strubes Waage gebracht und gewogen. In den dann leeren Stall kamen sofort wieder zwei neue kastrierte Ferkel und die Prozedur ging von vorne los. Männliche Kastrierte Schweine hießen Borg (Borch?), weibliche Gelze (Geltzel?), waren aber sehr selten.
Nun aber zum Schlachten.

Ab November ging es meistens los. Da war es nicht mehr so heiß und es gab weniger Fliegen. Man musste mit seinem Hausschlachter einen Termin machen und das Schlachtegeschirr musste bereitstehen.
Im Sommer Mauer (Dachdecker, Zimmermann) im Winter Schlachter„Murker un Huisslachter“ war ein gängiger und ertragreicher trinkfester Beruf.
Ich kann mich zunächst an Heinz Erdner aus Pattensen sowie Horst Dreier und Karl-Heinz (Kalle) Müller aus Koldingen erinnern.

Tage vorher musste der Schlachtetrog gebracht werden, der Schlachtetisch wurde geschrubbt, ebenso wie das Schlachtegeschirr, das Hackbrett und die Mollen. Die Wurst- und Fleischdosen wurden zu Fritz Sparenberg gebracht, damit er sie nach Größe sortiert abschneiden und umbörteln konnte. Danach wurden sie gescheuert und mit einigen neuen Dosen bereitgestellt. Außer in Dosen kam die Wurst auch in Einmachgläser und in die Schweinedärme. Unsere Wasch-und Schlachteküche, ein Anbau am Haus, wurde so langsam vollgestellt. Wichtig war aber, dass der am Boden eingesetzte Ring frei war und der Haken oben an der Wand. Abends wurde immer ins „Wasser“ geschlachtet, das Schwein über Nacht aufgehängt und am nächsten Morgen wurde die Wurst gemacht. Die Wustmaschine, den Drehwolf, die Schöpfkelle und die Messer, die Schabeglocken, die Messer und das Bolzenschussgerät mit der Munition brachte der Schlachter mit.
So wurden die beiden Kessel mit Wasser gefüllt und am morgen schon angeheizt damit das Wasser auch richtig heiß wurde. Die Schweine bekamen schon ein Tag vorher nichts mehr zu fressen, damit Magen und Darm einigermaßen leer waren.
Der Schlachter, mein Vater unser Nachbar Hellmut Querfeld, mein Bruder und meine Mutter legten sich Kittel und Schürze an und los ging es. Zunächst mit dem Schweinestrick in den Stall und den Strick um den rechten Hinterlauf binden. Dann Aufpassen das das Schwein den Weg in die Schlachteküche nimmt und nicht wegläuft. Soll schon vorgekommen sein. So ein Schwein hat immer so eine Ahnung und kann ganz schöne Kräfte entwickeln. Da müssen manchmal auch ein paar mehr Nachbarn mit zupacken. Dann muss es schnell gehen. Der Schlachter bindet das Schwein selber mit dem Strick an dem Ring fest und gibt ihm den Betäubungsschuß mit dem Bolzenschussgerät zentral oberhalb der Augen in die Stirn. Mein Vater steckte den Krummstock in den Hals und das Schwein wurde vom Schlachter in die Halsschlagader abgestochen. Meine Mutter war schon mit der Schüssel bereit zum Blut rühren. Es durfte ja nicht gerinnen und wir brauchten es noch für die Wurst. Ich durfte immer den Schwanz halten und war so immer mit dabei. Das Quieken hat mich nie gestört.
Frauen oder Mädchen die ihre „Tage“ hatten durften beim Blutrühren oder Wurstmachen nicht helfen. Nach dem Ausbluten wurde das Schwein in den Brühtrog gerollt und mit heißem Wasser abgebrüht. Der Schlachter prüfte dann das Abbrühen indem er an den Borsten zupfte, und ein Helfer musste mit dem Krummstock das Schwein so bewegen, dass das Wasser überall hinkam. Anschließend wurde es mit den Schabeglocken (Schellen) gekratzt („rasiert“) und die Fußnägel mit den an der anderen Seite befindlichen Haken entfernt. Nachdem es im Trog gedreht wurde, gab es zwei Eimer kalt Wasser und das Schwein wurde auf den Schlachtetisch gewuppt. Da bekam so mancher noch eine Ladung Wasser ab. Mit dem Messer machte der Schlachter noch einmal eine Feinrasur und legte die Sehnen der Hinterläufe frei. Der Krummstock wurde durchgesteckt und mit einem Flaschenzug wurde das Schwein mit „Hau-ruck“ am Haken aufgehängt.
„Wenn das Schwein am Haken hängt wird erstmal einer eingeschenkt“, so heißt ein Schlachtespruch. Der erste Korn war immer für den Schlachter. Wir hatten bei uns „Kölles Alferder Korn“ den wir im Kaufmannsladen bei „Büthe“ kauften, ebenso wie die Gewürze und Zutaten für die Wurst. Die Gewürzliste, meist 12 Gewürze wie Majoran, Thymian, Muskatnuss, Nelken, weißer Pfeffer, schwarzer Pfeffer, Senfkörner, Kümmel, Kochsalz, Zucker usw. wurde mit dem Schlachter abgestimmt. Eingelegter Knoblauch in Schnaps wurde bei uns nicht benutzt. Lagerbier holten wir von „Tante Marie“ Sparenberg.
Wenn der Schlachter nun das Schwein öffnete und in zwei Teile hackte, mussten auch zwei die Molle halten. Die Helfer putzten die Vorderpfötchen, Ohren und den Rüssel. Die Schweineborsten wurden aus dem Trog gefischt (wurden für Borstenpinsel und Bürsten gebraucht) und der Trog rausgebracht. Der Schlachter reinigte Magen und Därme und machte manchen Spaß dabei, wenn er es durch die Salz und Essiglauge spülte. Die Schweineblase wurde von ihm aufgeblasen und an das Fenster gehängt, die Innereien in den Kessel gebracht. Die Augen kamen auf die Miste und ich durfte den „Pesel“ in unseren Apfelbaum für die Vögel aufhängen.

Nun kam die große Stunde von Ernst Offenhausen aus Harkenbleck. Er war der Fleischbeschauer und kam mit einem Mikroskop. Er nahm verschiedene Fleischproben, und damit er klar durch die Linsen blicken konnte, brauchte er erstmal einen Korn. Da er mehrere Stücke überprüfen musste brauchte er auch dementsprechend mehrere „Klare“. Da keiner auf einem Bein stehen kann und keiner gern allein trinkt, war die Flasche meist leer, bis er die gesetzliche Trichinenschau mit seinen Stempeln auf den Schinken beendete. Wir hatten nie Beanstandungen.
Anschließend wurde bei ordentlichem Abendbrot mit Geschlachtetem vom letzten Jahr besprochen, wie die Leberwurst, Knappwurst und Sülze gewürzt werden sollte, was in die Rotwurst kommt, wie viel Mett und Brägenwurst aus den Vorderschinken und was mit Herz und Nieren gemacht wird. Für die Leberwurst hatte meine Mutter immer Rinderleber dazugekauft, um einen besseren Geschmack und eine dunklere Farbe zu erreichen.
Am nächsten Morgen ging es weiter. Der Fleischwolf wurde an dem Schlachtetisch festgemacht und die Mollen und das Hackbrett bereitgestellt. Der Kessel wurde gleich ganz früh angeheizt und mit der großen Schaumkelle wurde das Kesselfleisch gerührt. Der Schlachter prüfte mit Fingerdruck, ob das Fleisch auch gut war. Einige Fleischstücke, wie Nieren, Mandeln, Drüsen oder Kerne wurden extra gekocht oder gebraten. Dann ging es mit frischen Schürzen ans Wurstmachen. Der Fleischwolf trat in Aktion. In den ersten Jahren mit Handbetrieb, dann mit einem laut kreischenden Motor.
Bei den Kinkeln für die Rotwurst durfte ich mitschneiden. Das Gemenge für die Leberwurst und Knappwurst kam wie die Rotwurst in verschiedene Mollen. Dazu wurden auch die Zwiebeln tränenreich zerhackt und mit den Gewürzen vom Schlachter vermengt und abgeschmeckt.
Auf den Geschmack des Schlachters und seine eingesetzten Gewürze kommt es besonders an, damit die Wurst auch hinterher gut schmeckt. Geschmäcker sind nun mal verschieden, deshalb bevorzugen eben bestimmte Leute auch bestimmte Schlachter und ihre Ware.
Nachdem das erste frische Mett fertig war, wurde erstmals kräftig gefrühstückt.
Zu einem Pott Kaffee (neben „Lindes-Kaffee“ gab es da schon mal echten „Bohnenkaffee) und Gersterbrot von Bäcker Bolte kam dann auch schon mal ein Korn zum Nachspülen.
Danach kam die Wurst in den Darm und zum Teil auch in die Dosen. Mein Bruder musste immer die Wurstebänder zuschneiden und den Darm so mit einer Schleife zu einer Öse abbinden, dass die Würste da auf einen Wurstestock geschoben werden konnten.
Zuerst also die Leberwurst, verfeinert mit Kalbsleber, dann die Knappwurst die mit etwas Hafergrütze( oder „Kölln-Haferflocken“) gestreckt wurde, damit sie leichter verdaulich wurde. Dann ging es an die Sülze und die Rotwurst. Die Rotwurst kam in den Dickdarm, die Sülze u.a. auch in die Schweineblase. Die Piepwurst war eine dicke Rotwurst mit Zunge. Die Augen tränten vom Zwiebel durchdrehen und ein gewaltiger Brieten war in der Waschküche und zog durch das Fenster. So um die 20 kleine Knappwürstchen wurden auch gemacht und die habe ich dann mit der Brühe für bestimmte Leute mit ausgetragen.
Jeder in unserer Strasse bekam eine halbe Milchkanne voll mit Brühe und besondere Freunde oder der Lehrer oder Küster bekamen dann noch eine kleine Wurst oder eine Scheibe Steg dazu. Wen die Nachbarn schlachteten gab es ja auch frische Brühe zurück.
War der Kessel leer, wurde frisches Wasser heiß gemacht, um die Darmwurst darin zu baden. Das Wasser durfte nicht kochen, und man musste aufpassen, dass die Würste nicht platzen. Schwamm die Wurst oben, war sie gut und wurde mit kaltem Wasser abgeschreckt und auf einem langen Stock in unsere Wurstekammer auf dem Hausboden zum trocknen gebracht. Unsere Nachbarn hatten auf ihrem Boden neben der Wurstekammer einen Räucherschrank. In unserer Familie bevorzugten wir aber die ungeräucherte Ware, alles luftgetrocknet, was aber mehr Pflege brauchte.

Weiter ging es. Das Schwein wurde nun auf dem leergeräumten Schlachtetisch auseinandergehackt. Die Flomen wurden abgezogen, die Rippen und der Kotlettstrang kamen in die Dosen oder wie die Hinterschinken mit den Speckseiten, den Pötchen, Rüssel und den Ohren in den Salztrog als Pökelfleisch.
Die Schinken wurden besonders behandelt. Der Schlachter drückte mit größter Anstrengung das letzte Blut heraus und tupfte sie mit einem Geschirrhandtuch ab. Beim Einsalzen kam dann noch etwas Salpeter über die Knochen. Ein richtiger Sack Salz wurde hierbei schon verbraucht. Unsere große Söhle, so wurde unser Salztrog genannt, befand sich im Keller.
Wir hatten noch so einen richtigen Gewölbekeller mit einer einzigen Glühlampe, der so richtig schön schaurig war. War ich ungezogen, wurde ich da schon mal eingesperrt. Das war nicht so schön. Eine tracht Prügel war mir da schon lieber.
So weiter nun. Die Flomen wurden später zu Schmalz oder Griebenschmalz gebraten. Die Fleischstreifen wurden zu Mett für die Mettwurst und Brägenwurst durch den Wolf gedreht. Brägenwurst ist eine prima Delikatesse. Egal ob zu Braunkohl oder aus der Dose. Der Brägen (das Gehirn)wird bei Aufhacken des Kopfes rechts und links herausgeholt und bereitgestellt.
Für die Mettwurst, ob grob oder fein, muss nach dem durchdrehen die Fleischmasse gut durchgeknetet werden, damit alle Luft rausgeht und die Wurst später nicht verdirbt. Das Mett kam gut gestopft in einen Perlondarm (ein extra Mettwurstdarm) und es wurden mit einer Gabel kleine Löcher rein geprickt. Beim Lufttrocknen wurden sie öfter mit Salzwasser abgerieben, damit sie nicht hohl oder schlackig wurden. Sie schmeckte in etwa so wie heute die Eichsfelder Mettwurst oder die Göttinger Stracke. Für die Dosenmettwurst hatten wir noch eine Besonderheit. Bei uns gab es auch Mett mit Schnauze oder Nieren. Lecker war das.
Waren die Dosen gefüllt, kam Sparenbergs Dosenmaschine dran. Die Deckel mussten zugedreht werden. Danach kamen sie in den heißen Kessel zum Kochen.
Die Dichtigkeit wurde nach dem Abschrecken mit kaltem Wasser mit einem „Knacktest“ überprüft. Damit war das Schlachtefest gelaufen. Das Geschirr wurde gewaschen, die Waschküche gereinigt und Freunde und Helfer mit Naturalien und einem Korn entlohnt.
„Ist das Schwein in Stücke, gibt es viele Schlücke“.
Fleisch und Wurst sollten nun wieder für ein Jahr halten.
Immer nur selbstgeschlachtetes mochten wir aber auch nicht essen. Ich bin immer gern auch zu Schlachter Höppner in Pattensen gefahren, wo es ja immer ein kleines Würstchen dazu gab.
Nach (3 -6) Wochen kamen die Schinken aus der Söhle und wurden frisch abgerieben in einem speziellen Schinkenbeutel auf dem Boden aufgehängt. Mein Opa Gottlieb hatte auf dem Boden vor den Fensterluken extra eine Vergitterung angebracht, damit er nicht gestohlen werden konnte. Das soll in Koldingen auch schon vorgekommen sein.
Unsere Haustür wurde damals im Allgemeinen nie abgeschlossen.
Im Frühjahr, wenn der Kuckuck schreit, war dann die Zeit, wo er dann angeschnitten wurde. So lange musste der alte Schinken am Knochen halten.

Nach jedem Schlachtefest bekamen wir Besuch aus der Stadt. Mit der „Strassenböahn“, der 21 kamen dann Onkel und Tanten die immer „öbern spitzen Staan“ stolperten. Ich bekam dann so manchen Groschen den ich sofort bei „Tante Marie Sparenberg“ gegen Bolschen, Riesen oder Schnecken tauschte. Da mein Vater im Oktober Geburtstag hatte, war das für die Verwandtschaft immer eine gute Gelegenheit mit vollen Taschen wieder nach Hause zu fahren.

Eine weitere Besonderheit geschah mit dem Schweineschwänzchen. An einer Sicherheitsnadel befestigt, wurde es am nächsten Schultag mit in die Schule mitgenommen, und man versuchte es dem Lehrer unbemerkt hinten an seinem Rock zu befestigen. Das gab dann immer ein Mordsgeschrei, wenn es geklappt hatte.

Zu den Bildern: Die Bilder mit den Schlachtegeräten habe ich in der Heimatstube Pattensen aufgenommen. Hier kann man mittwochs ab 18.30 immer mal vorbeischauen. Die farbigen Fotos habe ich von Heidi Fröhlich aus Reden bekommen, und das schwarz-weiß Bild ist eine Aufnahme von unserem Hausschlachter Heinz Erdner bei der Schlachtebesprechung mit meinen Eltern vor 50 Jahren. Wir hatten eine Agfa-Box Rollfilm-Kamera ohne Blitzlicht. Deshalb gibt es von „Damals“ auch nur schwarz-weiß Fotos meistens in der Sommerzeit.

Bürgerreporter:in:

Karl-Heinz Mücke aus Pattensen

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