Verspätetes Begräbnis
Ein bemerkenswertes Ereignis beim Tod des Reichsgrafen von Ortenburg Georg Reinhard ist dessen späte Beerdigung. Er wurde erst 13 Jahre nach seinem Tod beerdigt! Bis dahin blieb der Leichnam unbestattet auf einem Lehnstuhl sitzend auf Schloss Alt-Ortenburg. Ein Grund für die verspätete Beerdigung könnte der Streitpunkt des Begräbnisses gewesen sein. Er selbst wuchs protestantisch auf und ließ seine Kinder in diesem Glauben erziehen, jedoch trat er 1624 zum katholischen Glauben über. Die Ehefrau samt Kindern wollten somit ein protestantisches Begräbnis, Bruder Christian hingegen eine katholische Beerdigung. Ein weiterer Grund könnte die abrupte Flucht seiner Familie aus Ortenburg gewesen sein. Es ist anzunehmen, dass Christian hoffte die Flüchtlinge bald wieder stellen zu können und dass diese daraufhin an der Beerdigung seines Bruders teilnehmen würden. Wie dem auch sei, über den Grund lässt sich heute nur noch spekulieren, sicher ist hingegen, dass der Leichnam einbalsamiert wurde und anschließend auf einen Lehnstuhl gesetzt und zurückgelassen wurde.
Erst im Jahre 1679 veranlasste Graf Christian die Beisetzung. Diese geschah am 2. November 1679 unter seinem Beisein in der Sixtuskaplle, der katholischen Begräbnisstätte der Ortenburger Grafen im Passauer Dom. Dabei wurde Georg Reinhard auf seinem Stuhl sitzend beerdigt. Dies alles geschah anscheinend vor der Rückkehr der Kinder nach Georg Philipps Volljährigkeit. Christian wollte wahrscheinlich der Witwe und den Kindern den schrecklichen Anblick ersparen. Gräfin Esther Dorothea und ihrem Sohn Georg Philipp verblieb es nur noch, einen Gedenkstein in der evangelischen Marktkirche zu Ortenburg anzubringen.
Jedoch laut diesem Epitaphen wurde Georg Reinhard am 2. Februar 1679 in der Marktkirche bestattet. Dies führte zu jahrhundertelangen Verwirrungen um die Beerdigung Georg Reinhards.
Im gräflichen Archiv der Grafen im heutigen Tambach existiert aber eine Rechnung über 924 Gulden und 48 Kreuzer für einen Maurermeister für zwölf Männer, welche drei Tage lang im Passauer Dom gearbeitet haben. So musste anscheinend der Maurermeister den Grufteingang erweitern, um eine Beerdigung Georg Reinhards mit allem gebührenden Prunk auf dem Stuhl zu ermöglichen. Anschließend wurde die Gruft wieder geschlossen.
Zur weiteren Verwirrung hingegen kam es im Jahre 1883. Dort wurde in der evangelischen Marktkirche die Gruft laut Pfarrbuch geöffnet. Laut Bericht fand man außer vermorschten Sargbrettern und Tuchlappen sowie meterhohem Moder einen kupfernen Sarg mit den Überresten des Grafen Georg Reinhard. Dies scheint ein Beleg für die Beerdigungsdaten des Epitaphs zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Marktkirche umgestaltet und der Eingang der gräflichen Gruft geriet in Vergessenheit.
Im Jahre 1922 kam es zur letzten Öffnung der Sixtuskapelle im Passauer Dom durch Bischof Sigismund Felix, Freiherr von Ow-Felldorf. Im Protokoll der Kommission ist folgendes zu lesen: „Am Ende des Gewölbes sitzt auf einem gut gepolsterten Lehnstuhl ein gut gekleideter Leichnam, der aber samt Kleidung schon stark in Verfall über gegangen und auf einen Haufen zusammen gesunken ist.“ Dies zeigt, dass die Rechnung in Tambach echt ist und Georg Reinhard auf seinem Stuhl sitzend in Passau begraben wurde. Das Rätsel um den Kupfersarg sollte sich im Jahre 2006 klären. Bei Instandsetzungsarbeiten in der Marktkirche wurde bei der Renovierung des Kirchenbodens eine Marmorplatte entdeckt. Als man diese anhob, fand man darunter eine kleine Stiege; man hatte den Eingang der Gruft mitten im Kirchenschiff wiederentdeckt. Um den Bauzustand der Gruft zu prüfen, wurde eine Kommission in die Gruft gesandt. Nachdem der Zustand der Gruft sich als stabil herausstellte, wandte man sich kurz dem Kupfersarg zu. Dieser war leer mit Ausnahme einiger Locken und einem Paar Handschuhe. Somit handelte es sich um eine im 17. Jahrhundert übliche Scheinbestattung, welche bei Glaubensstreitigkeiten oft durchgeführt wurde.
Bürgerreporter:in:Matthäus Felder aus Lichtenstein |
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