Ziemlich beste Freunde in Passau
Der querschnittsgelähmte, reiche Philippe sucht einen neuen Pfleger. Einen, der kein Mitleid mit ihm hat. Obwohl völlig unqualifiziert und nur auf Arbeitslosengeld aus, bekommt der kleinkriminelle Algerier Driss den Job. Zwei Männer aus unterschiedlichen Welten werden trotz abstruser Voraussetzungen für eine gewissen Zeit ziemlich beste Freunde. Am Samstag, 4. Februar, feierte das von Regisseur Uwe Bautz inszenierte Stück seine Premiere im Stadttheater Passau.
Vorweg: Man darf das Theaterstück nicht mit dem Film „Ziemlich beste Freunde“ vergleichen. Es ist schwer, statt einem schwarzen, durchtrainierten, lächelnden Jungspund (Omar Sy) einen weißen Mann mittleren Alters mit Bauch vor sich zu haben – obwohl dies der Buchvorlage deutlich näher kommt.
Die Umsetzung als Theaterstück ist dank guter Schauspieler und einem innovativen Bühnenbild weitgehend gelungen, offenbart jedoch auch Schwächen. So entwickelt sich der Aufbau einer echten Freundschaft zwischen Driss (Reinhard Peer) und Philippe (Olaf Schürmann) arg schnell. Manche Szenen hätten mehr Zeit gebraucht; im Gegenzug hätten andere gestrichen werden können, da sie die Handlung nur unwesentlich vortreiben, aber neue Figuren einführen.
Den Auftakt im Stadttheater Passau macht eine peinliche Tanzszene des kompletten Schauspieler-Ensembles. Zwar bewegen sie sich – wie auch in nachfolgenden Tanznummern – gut zur bisweilen sehr stimmigen Musik. Allerdings wirken diese Tanzeinlagen aufgesetzt und unpassend. Einzig Traumszenen, in denen Philippe sich aus dem Rollstuhl erhebt und zu „Ohne Dich“ von Rammstein auf seiner zweiten Hochzeit tanzt, finden ihre Berechtigung. Der bizarre Tuch-Tanz von Driss, der in eine Beinahe-Vergewaltigung von Haushälterin Magalie (Laura Puschek) mündet, ist wiederum befremdlich. Puschek schlüpft übrigens ebenso wie Julian Niedermeier in mehrere Rollen. Der absurden Hippie-Galeristin verpasst sie sogar einen österreichischen Akzent.
Allgegenwärtig ist die Phallus-Symbolik. Ein Thema, welches bei Querschnittsgelähmten und ihrem Umfeld offenbar stark im Fokus liegt. Zwei Beispiele: Party-Tröten werden mit eindeutigen Fingerspielen stimuliert. Während Driss die Hilfe zur Darmentleerung lautstark verweigert, futtert Magalie in einem roten Kleid mit unseriösem Ausschnitt eine Banane. Interessanter Ansatz: In mehreren Szenen halten Magalie oder Driss dem Querschnittsgelähmten ein Handy ans Ohr. Das Telefonat beginnt, die Angestellten entfernen sich mit Handy von der Bühne, Philippe setzt seinen Monolog bis in die nächste Szene fort.
Innovativer Einsatz von Requisiten und Videoprojektion
Ebenfalls interessant ist der Einsatz von Mikrofonen. Puschek imitiert durch drei Summtöne ins Mikro ein Handyklingeln. Der Ersatz-Pfleger hält einen Nichtraucher-Vortrag in Slam Poetry-Manier, der sich in Pro-Kiffen-Aussagen verwandelt und das Publikum miteinbezieht. Gekifft wird übrigens auch auf der Bühne. Zumindest stimmt der Geruch, während Driss und Philippe am Joint ziehend über Ohren als erogene Zonen plaudern. Die Stühle haben Rollen an den Beinen. Kurzum: Innovativer, gelungener Einsatz von Requisiten.
Eine mehrteiliger Wand“vorhang“ trennt einige Male den vorderen vom hinteren Teil der Bühne, beispielsweise um das Bad vom Schlafzimmer abzugrenzen. Häufig werden dabei Videosequenzen von Florian Rödl auf diese Wand projiziert. Drei Beispiele: Während eines Phantomschmerz-Anfalls von Philippe knutschen Nonnen auf dem Moos im Wald. Befremdlich. Animierte Tiere erheben sich aus dem Rollstuhl. Bizarr, aber stimmig. Gewagt: Philipp und Driss rasen im Maserati durch die Gegend (Video) und werden von Polizisten (Schauspieler auf der Bühne) gestellt. Ein interessantes Zusammenspiel aus Einspieler und Live-Schauspiel. Allerdings mündet es in Klamauk, da sich die beiden Cops beim Publikum für private Auftritte anbiedern, während Puscheks Schnurrbart immer wieder abgehen will. Den Abschluss macht eine Gesangseinlage der vier Schauspieler, die „Je ne regrette rien“ zum Besten geben.
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Bürgerreporter:in:Michael S. aus Neusäß |
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