Was ist eigentlich in unsere ARZ-Redaktion gefahren?
Auf Baden-Online berichtet die ARZ über zwei widersprüchliche Begebenheiten, ohne dass der Redaktion der problematische Zusammenhang der beiden Meldungen eine eigene Kommentierung wert war. Da der Zusammenhang aber offensichtlich, und sogar die ARZ-Leser auf ihre Heimatzeitung mit dem Thema zugegangen waren, stellt sich die Frage nach der Unabhängigkeit der Berichterstattung in der ARZ.
Hier die ARZ-Meldungen von heute in Auszügen:
1. Bei Fehde fliegen die Fäuste
Oberkircher Jugendliche prügeln sich wiederholt auf offener Straße / Für Polizei nur Einzelfälle
Mindestens dreimal ist ein Heranwachsender in Oberkirch im vergangenen Jahr von einem anderen Jugendlichen zusammengeschlagen worden. Bei den Handgreiflichkeiten wurden Messer verwendet. Lebensbedrohliche Verletzungen gab's bisher nicht.
23.07.2010 - Oberkirch. »Kein Bandenkrieg in Oberkirch« hatte die Polizei nach einer Schlägerei zwischen Jugendlichen in der Metzgergasse vor zwei Monaten auf ARZ-Anfrage erklärt Ein weiterer Fall, der sich in der Nacht auf Samstag in Oberkirch ereignet hat, wirft aus Polizeisicht kein neues Licht auf den Inhalt dieser Schlagzeile. Obwohl nach Angaben von Zeugen bis zu 20 Jugendliche bei einer Schlägerei in der Renchener Straße dabei waren.
http://www.baden-online.de/news/artikel.phtml?page...
2. Willi Stächele empfängt Acherner Polizei
Polizeibeamte aus Kehl, Achern und Oberkirch zu Gast im Finanzministerium in Stuttgart
23.07.2010 - Achern/Stuttgart (red/hei) »Unser Land hat die beste Polizei«, mit diesen Worten übergab Polizeihauptkommissar Heinz Rith vom Polizeirevier Achern-Oberkirch Finanzminister Willi Stächele einen Bericht aus dem Behördenspiegel, der eben dies meldet: Baden-Württemberg gehört bundesweit zu den Ländern mit der geringsten Kriminalitätsrate und liegt bei der Aufklärungsquote weit vorn. Zudem werden je Einwohner die geringsten Kosten erzeugt.
http://www.baden-online.de/news/artikel.phtml?page...
Weite Kreise in Oberkirch - auch im Stadtmarketingverein - ächzen über die Entscheidung, dass nach abendlichem Dienstschluss auf dem Revier in der Hauptstraße die Polizeipräsenz vom Acherner Revier aus gesteuert wird. Klein- und auch andere Kriminelle dürfen damit rechnen, dass vom Absetzen eines Notrufs bis zum Eintreffen der Streife 20 Minuten Anfahrzeit vergehen.
Zu dem Vorfall am Wochenende schreibt ARZ-Redakteur Rüdiger Knie selbst: "Der Fall, den die Kriminalpolizei Offenburg bearbeitet, wurde erst am Mittwoch öffentlich, weil sich Zeugen an die ARZ gewandt hatten."
Quotenreisen vom Abgeordneten für Landesbeamte?
Mir stellt sich dann aber die Frage, weshalb die ARZ derart unkritisch über den "Kegelausflug" von 40 Polizistinnen und Polizisten nach Stuttgart berichtet, wie sie es unter Punkt 2 tat. Nicht nur, dass die Acherner Polizei tüchtig Steuergeld vom Finanzminister zum Ausbau ihrer Revierwache bezieht, nein sie bezieht auch noch eine überflüssige Einladung auf Steuerzahlers Kosten nach Stuttgart, die Willi Stächele der Berichterstattung zufolge in reichlich lächerlichem Zusammenhang, weil im Stile eines Feudalherren ausgesprochen hat. Die ARZ schreibt dazu: "Beim Spatenstich für das neue Polizeirevier im Dezember in Achern hatte Stächele die Einladung ausgesprochen, der nun 40 Beamte gefolgt waren, um aktuelle Themen zu erörtern." Und mit dem letzten Halbsatz leisten sich Stächele und die ARZ dann noch so einen Klops: Um aktuelle Themen mit Willi Stächele zu erörtern, hätten sich die 40 Beamten ja nicht eigens nach Stuttgart zu begeben brauchen.
Wozu dann die Einladung nach Stuttgart? Natürlich zur Mehrung des eigenen Ansehens. Ist das denn erlaubt? Ja, wenn auch ungeschickt:
Der Finanzminister und Oberkircher Landtagsabgeordnete darf seine Quotenreisen im Zweifel wohl dafür einsetzen, um auf Stimmenfang auch unter Landesbeamten zu gehen. Auch wenn das politisch ein Fehler von Stächele gewesen sein mag, der jeder (anderen) Zeitung einen kritischen Kommentar ("Jetzt auch bei uns SED-Verhältnisse?") hätte wert sein können. So weit, so schlecht.
Aber dass die ARZ darüber derart unkritisch berichtet, obwohl sich ihre Leser bereits mit Beschwerden über die mangelnde Einsatzpräsenz der Oberkircher Polizei an die Zeitung wenden, ist mit einer jeder Redaktion zuzugestehenden vorübergehenden Betriebsblindheit oder einem Versehen in der personell knapp besetzten Urlaubssaison nicht mehr zu erklären.
Dass die 40 angereisten Beamten dann ungerügt während der Dienstzeit auch noch das Porsche-Museum in Stuttgart besuchen konnten, gehört zu den weiteren Petitessen der Berichterstattung. Der politische Kern des Vorganges ist aber, dass Willi Stächele für Oberkircher nicht mehr wählbar sein sollte, weil er - anstelle wie mit der Einladung angekündigt "aktuelle Themen (!) zu erörtern" - das flagrante Sicherheitsproblem in Oberkirch ignoriert.
Dass er es überhaupt ignorieren konnte, liegt freilich auch an seiner Heimatzeitung!
Bürgerreporter:in:Schorschles Frau aus Oberkirch |
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