SG-Handicap Nördlingen bei den Special Olympics World Winter Games 2017

Bettina, Werner, Daniel und Markus vor ihrer Abreise nach Österreich auf dem Daniel
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“Stand a little taller, raise your fist up to the sky, cause you’re a fighter” – so singt Helene Fischer im offiziellen Song der Special Olympics Welt Winterspiele 2017 und als Beschreibung passt diese Liedtextzeile des Refrains äußerst treffend auf Szenen, die sich während der Spiele immer und immer wieder abgespielt haben: Athleten mit geistiger Behinderung, die alles geben, die über sich hinaus wachsen, die an der Strecke kurz vor der Ziellinie mit Anfeuerungsrufen in verschiedensten Sprachen begrüßt werden, sich beim Anblick der jubelnden Fans noch ein kleines bisschen mehr aufrichten, denen ein Lächeln übers ganze Gesicht huscht, oftmals begleitet von der Siegerfaust gen Himmel und damit zu persönlichen Bestleistungen auftrumpfen. Ganz egal ob das nun Gold, Silber, Bronze oder eine Teilnehmerschleife ist, oder eben nur das Wissen, es nach monatelanger Vorbereitung geschafft zu haben, das Ziel erreicht zu haben. Den ursprünglichen olympischen Geist erlebt man während der „Specials“ an jeder Ecke. Mittendrin in diesen Special Olympics Welt Winterspielen waren im März auch die vier Schneeschuhläufer des Integrativen Sportverein SG-Handicap Nördlingen, Bettina Groß, Daniel Weinert, Markus Protte und Werner Wiedemann. Gemeinsam mit den anderen Athleten, Coaches und Betreuern des deutschen Teams brachen sie auf nach Österreich, in die Ramsau, wo die Cross Country und Schneeschuhwettbewerbe stattfanden. In neuen Sportarten gingen 2700 Sportler an den Start, 1100 Trainer, 3000 freiwillige Helfer, 5000 Familienmitglieder, 800 Medienvertreter – das sind längst nicht alle Zahlen, jedoch veranschaulichen sie etwas die Dimensionen der Veranstaltung.

Heartbeat for the World in der Steiermark

Das Motto der Spiele „Heartbeat for the World“ – Herzschlag für die Welt – war in der ganzen Umgebung zu spüren: die Steiermark schien komplett in der Hand der Special Olympics Athleten. In Schladming, vom 14. bis 25. März neben Graz einem der Hauptaustragungsorte, hing in den meisten Schaufenstern ein Herz, dass die Sportlerinnen und Sportler aus der ganzen Welt willkommen hieß; auf dem Weg in die höher gelegene Ramsau wehte von fast jedem Hotel und jeder Ferienwohnung die Special Olympics Fahne – oft gemeinsam mit der Fahne des Landes, dessen Delegation in der jeweiligen Unterkunft untergebracht war. Selten traf man auf Personen ohne Akkreditierungskarte um den Hals – bald geschmückt mit Pins aus aller Welt, die die Athleten gerne untereinander tauschen, aber auch für eine herzliche Umarmung einem Volunteer schenken –, viele der Anwohner der Gegend waren in die Spiele involviert. Schladming war mit ganzem Herzen Feuer und Flamme für die Spiele! Bereits zum zweiten Mal wurden dort nach 1993 Special Olympics Welt Winterspiele ausgetragen. Mitverantwortlich für diesen besonderen Kontakt zwischen Special Olympics und Schladming ist der wohl berühmteste Sohn der Steiermark, Arnold Schwarzenegger. Als Schwiegersohn von Eunice Kennedy-Shriver, die in den 1960ern die Special Olympics Bewegung ins Leben rief, setzt sich Schwarzenegger seit langem für die Belange von Menschen mit geistigen Behinderungen ein.

Stars für Special Olympics

Neben Schwarzenegger waren zahlreiche prominente Unterstützer Teil der Spiele. So sangen während Eröffnungs- beziehungsweise Schlussfeier unter anderem die bereits erwähnte Helene Fischer, der Grazer Andreas Gabalier, Rose May Alaba (Schwester des Fußballstars David Alaba) und der internationale Superstar Jason Mraz. Auch Sportprominenz war zu Gast, ob bei Siegerehrungen oder als prominente Paten nahmen sich die österreichischen Skistars Benni und Marlies Raich, Anna Veith, oder der Schweizer Skispringer Simon Amann Zeit für eine Stippvisite. Für die Athletinnen und Athleten ist es ein Zeichen besonderer Wertschätzung, wenn sich ihre prominenten Vorbilder Zeit für sie nehmen oder ihnen ihre Medaillen um den Hals legen und ihre Leistungen honorieren.

Überragende Leistungen der deutschen Schneeschuhläufer

Gemeinsam mit den sechs weiteren Athletinnen und Athleten des deutschen Schneeschuhteams lieferten die vier Vertreter des Integrativen Sportverein SG-Handicap überragende Leistungen ab. Und das bei unterschiedlichsten Pistenbedingungen. Special Olympics Wettbewerbe laufen immer nach dem Klassifizierungssystem ab, damit jeder Teilnehmer eine reelle Chance hat in der eigenen Leistungsgruppe zu gewinnen. Um diese Gruppen homogen zu gestalten werden Trainingszeiten der Sportler gemeldet; zudem gibt es Klassifizierungsläufe. Anhand dieser Zeiten werden anschließend Gruppen von bis zu acht Sportlern für die Endläufe erstellt. Klassifizierungs- und Endläufe finden an unterschiedlichen Tagen statt, weshalb die Athletinnen und Athleten sich teils auf komplett neue Streckenbedingungen einstellen mussten. Vor allem bei den Endläufen war die Piste – wenn auch über Nacht immer wieder unermüdlich von der örtlichen freiwilligen Feuerwehr bestmöglich präpariert – durch den Starkregen der Tage zuvor sowie die Sonneneinstrahlung am tatsächlichen Wettkampftag stark aufgeweicht, was den Schneeschuhläufern ihre Rennen durchaus erschwerte. Umso beeindruckender ist es den Athletinnen und Athleten aus aller Welt zuzusehen, wie sie trotzdem voller Freude ans Werk gehen. „Heut wars arg zach!“ beschrieb Anton Grotz aus Garmisch-Partenkirchen die Loipe nach dem 4x400 Meter Staffel Finale. Silber gewonnen hatte die deutsche Staffel, in der neben Grotz, Rebecca Weiss und Jan Brückner auch der Nördlinger Markus Protte lief. Kurz darauf ging die zweite deutsche Staffel an den Start, im 4x100 Meter Finale. Mit gleich zwei Nördlingern im Team schafften Werner Wiedemann, Daniel Weinert, Ronald Glaub und Valentina Beck in einem bizarren Finale Bronze: nach Fotofinish gab es zwei Mal Gold (Oman und China) und zwei Mal Bronze (Macau und Deutschland).

Glänze Ergebnisse in den Einzelläufen

Auch in den Einzelläufen präsentierten sich die SG-Handicap Sportler stark. Bettina Groß, die nach ihren Klassifizierungsläufen mit einer Erkältung zu kämpfen hatte, lief mit persönlichen Bestzeiten auf Platz Fünf im 100 Meter Lauf und auf Platz Vier im 200 Meter Lauf.

Ebenfalls persönliche Bestwerte erreichte Daniel Weinert in seinen Finals über 100 und 400 Meter (selber Lauf wie Protte), in denen er beide Mal Rang Fünf belegte.

In seiner Leistungsgruppe lief Werner Wiedemann im 400 Meter Final wie Weinert auf Platz Fünf, bei den 100 Metern schaffte es der mit 43 Jahren älteste Sportler im deutschen Schneeschuhteam aufs Stockerl und sicherte sich die Bronze Medaille.

Markus Protte konnte seiner Favoritenrolle gerecht werden und lief sowohl im 100 als auch im 400 Meter Finale zu Gold.

Alle vier haben sie ihr Bestes gegeben und gekämpft, waren „Fighter“ wie im offiziellen Song besungen; von allen Vieren bleiben symbolisch Bilder ihrer bemerkenswerten Leistungen im Kopf: sei es Bettina, die sich trotz Fieber aufgerafft hat und auch nach ihren eigenen Läufen mit Taschentuch in der Hand ihre Teamkollegen angefeuert hat. Sei es Markus, der sich grinsend umschaut, seinen Vorsprung realisiert und schon auf dem Weg über die Ziellinie jubelnd die Siegerfaust nach oben streckt. Sei es Werner, der sich auf der Strecke über seine Topleistungen freut, aber sich kurz darauf schon um die Teamkollegen kümmert und auch noch Zeit findet, die wohl größte Ausbeute an Pins „ertauscht“ zu haben. Oder sei es Daniel, der nach dem unglücklichen Sturz seiner Staffelkameradin über sich hinauswächst um beim Zielsprint noch eine Medaille für das Team zu sichern.

Gold für alle

Es sind die kleinen wie die großen Geschichten, die die Special Olympics Welt Winterspiele zu einem ganz besonderen Erlebnis machen. Vor allem aber ist es das Miteinander von Athletinnen und Athleten aus 107 Nationen, das die Anwesenden tief berührt. Auch wenn man selbst gerne lieber eine „bessere“ Medaille gewonnen hätte, kein Athlet neidet dem anderen den Erfolg. Stattdessen gratuliert man sich gegenseitig und feuert dann gemeinsam den nächsten Lauf an; jede Siegerehrung wird zur Party. Bei seiner Ansprache während der Eröffnungsfeier rief Timothy Shriver, Sohn der Special Olympics Gründerin und aktueller Chairman der Organisation, alle dazu auf, sich ein Beispiel an den steirischen Bergen im Hintergrund zu nehmen: „If we need to be reminded there’s a world with no barriers, look at the mountains behind us – they don’t know nationality. They don’t know religion or culture. They don’t know language. They don’t know clothing or any other cultural difference, they just rise up and that’s us, too. Athletes, if you give everything you’ve got, no holds barred. Leave nothing behind. Amaze your coaches with performances like you’ve never done and you will all win gold.” Im Gegensatz zu den Bergen kennen die Special Olympics Athleten Nationalitäten und Sprachen, Religionen und Kulturen. Aber sie lassen sich dadurch nicht beeinflussen, wie der Rest ihrer Mitmenschen es zu oft tut. Jeder für sich, aber trotzdem gemeinsam, wachsen sie empor wie die Berge, geben alles, verblüffen und beeindrucken wie noch nie zuvor und gewinnen Gold. Ob das Gold nun eine tatsächliche Medaille um den Hals ist, oder aber eine Erfahrung, um die sie reicher wurden, das bleibt jedem selbst überlassen.

Bürgerreporter:in:

Verena Leiminger aus Nördlingen

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