„Ein Museum baut eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und vielleicht auch in die Zukunft!“

Eröffnung "Technik im Haushalt" | Foto: Rieser Bauernmuseum
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Seit nunmehr bald 25 Jahren repräsentiert das Rieser Bauernmuseum in Maihingen erfolgreich die Rieser Kulturgeschichte. Mit Ideenreichtum und viel Abwechslung erzielen die Ausstellungen des Bauernmuseums unter der langjährigen Leitung von Dr. Ruth Kilian jedes Jahr hohe Besucherzahlen. Die myheimat-Redaktion begab sich daher auf die Spuren dieses Erfolgskonzeptes und unterhielt sich über sinnvolle Freizeitgestaltung, die Aufgaben einer Museumsleiterin und die generationsübergreifende Funktion eines Museums.

myheimat: Frau Dr. Kilian, im Oktober dieses Jahres konnten Sie im Rieser Bauernmuseum den 300.000. Besucher begrüßen. Mit welchen Ausstellungshighlights locken Sie Museumsliebhaber in Ihre Räumlichkeiten?

Dr. Kilian: Das Rieser Bauernmuseum zeichnet sich durch sehr umfangreiche Bestände zu den verschiedensten Themenbereichen aus und kann dadurch vielfältige Einblicke in das frühere Alltagsleben geben. Dabei legen wir großen Wert auf eine ansprechende Gestaltung, wie etwa bei der Dauerausstellung „Die Rieser Landwirtschaft im Wandel“ deutlich wird. Sehr beliebt bei den Besuchern sind die beiden vollständig eingerichteten Läden aus den 1920er Jahren, die häufig Erinnerungen wecken, die Schulstube und die beiden Arzt- bzw. Zahnarztpraxen. Starken regionalen Bezug haben die bemalten Möbel, hergestellt in Rieser Schreinerwerkstätten, und die ländliche Kleidung, die hier getragen wurde.
Viele Besucher kommen wegen unserer Sonderausstellungen, so auch die 300.000ste Besucherin, die das Museum bereits gut kennt und jetzt die Sonderausstellung „So geht’s leichter! – Technik im Haushalt“ sehen wollte.

myheimat: Ab dem Frühjahr bis in den Spätherbst wurden die Besucher in der Sonderausstellung „So geht’s leichter! – Technik im Haushalt“ auf eine Zeitreise in die Vergangenheit eingeladen. Man konnte sich ein Bild davon machen, wie die Technisierung des Haushalts Anfang des 20. Jahrhunderts die Handarbeit immer mehr abgelöst hat. Waren Sie mit der Besucherresonanz zufrieden?

Dr. Kilian: Wann sind Museumsleute schon jemals mit den Besucherzahlen zufrieden? Aus unserer Sicht könnten immer noch mehr Besucher kommen. Aber unsere Befragungen haben ergeben, dass die Sonderausstellung für Viele der Anlass ihres Besuches war. Die überregionalen Medien, besonders das Fernsehen, haben leider erst recht spät über die Ausstellung berichtet, allerdings sehr positiv. Das machte sich dann sofort in einem Anstieg der Besucherzahlen bemerkbar. Aber die bloßen Zahlen sind nicht alles. Zur Resonanz gehören auch die Rückmeldungen, und die Ausstellung hat von den Besuchern viel Lob erhalten.

myheimat: Leider wird den Museen im Allgemeinen nicht das spannendste Image nachgesagt. Wie versuchen Sie dem entgegen zu steuern? Wie sieht aus Ihrer Sicht ein lebendiges Museum aus?

Dr. Kilian: Ein Museum darf keine öde Aneinanderreihung von Objekten sein, zu denen der Besucher kaum etwas erfährt und wo er nur über den Umfang der Sammlung staunt. Durch eine Ausstellung muss sich ein „roter Faden“ ziehen, sie muss Informationen vermitteln. Ein Museum muss eingehen auf die Besucher, ihre Bedürfnisse und Fragen – „Besucherorientierung“ heißt das Stichwort. Texte und audiovisuelle Medien wie Filme, Hörbeispiele und historische Fotografie tragen dazu bei, die Dinge zu verstehen und in ein größeres Ganzes einzuordnen. Die Exponate müssen „zum Sprechen“ gebracht werden, sie müssen in die früheren historischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge eingebunden werden: wer hat das Objekt wann hergestellt? Wie, wozu und von wem wurde das Gerät benutzt? Welche Konsequenzen hatte die Sache? Manche Dinge haben ganz spannende Geschichte zu erzählen.

Bei uns geben interaktive Stationen den Besuchern die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, auch einmal etwas anzufassen, was aus konservatorischen Gründen sonst in einem Museum ja nicht möglich ist. Vorführungen bei Veranstaltungen machen frühere Arbeitsmethoden und die Funktionsweise von Geräten verständlich. Dabei spielt auch die Geselligkeit eine Rolle, das Zusammentreffen ganz verschiedener Bevölkerungsgruppen.

Das Rieser Bauernmuseum versteht sich als erlebnisorientierter Lernort, der den Besuchern Wissen und Unterhaltung in angenehmer Atmosphäre bietet. Ich möchte, dass die Leute das Museum als Möglichkeit einer erlebnisreichen und zugleich sinnvollen Freizeitgestaltung wahrnehmen.

myheimat: Das Bauernmuseum widmet sich der Aufgabe, das kulturelle Erbe der Region zu bewahren und nachkommenden Generationen zu vermitteln. Wie wichtig ist Ihnen diese traditionsbewusste Funktion in der modernen Zeit?

Dr. Kilian: Die Grundaufgaben eines kulturgeschichtlichen Museums lauten Sammeln und Bewahren, Dokumentieren und Forschen, Ausstellen und Vermitteln. Gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit kommt diesen Aufgaben eine große Bedeutung zu. Ein Museum baut eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart und vielleicht auch in die Zukunft. Viele Phänomene in unserer Zeit lassen sich nur verstehen, wenn man weiß, wie es in der Vergangenheit dazu kam. Und angesichts der Globalisierung wächst das Bedürfnis der Menschen, sich näher mit der Region zu befassen, in der sie leben.
Wir kümmern uns dabei auch um das nichtmaterielle Erbe, etwa mit Mundartlesungen oder Volksmusik- und Volkstanzveranstaltungen.

myheimat: Der Bezirk Schwaben als Museumsträger hat jetzt eine Kulturwissenschaftlerin eingestellt, die sich vorrangig der Museumspädagogik annehmen soll. Welche Effekte erhoffen Sie sich davon?

Dr. Kilian: Das Rieser Bauernmuseum bietet bisher schon museumspädagogisches Programm an. Dieses Angebot soll ausgebaut und besser an den Lehrplänen der Schulen orientiert werden. Wir wünschen uns eine stärkere Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen, wir möchten, dass das Museum intensiver als außerschulische Bildungseinrichtung genutzt wird.

Ich denke, das Museum kann auch die Kommunikation zwischen den Generationen fördern, wie wir es jetzt schon bei Vorführungen feststellen, wenn die älteren Besuchern angeregt werden, ihren Kindern oder Enkeln vom Leben früher zu erzählen. Ich könnte mir generationenübergreifende Projekte vorstellen, die sich an Großeltern und Enkel richten.
Regelmäßige Familienführungen jeden Monat lassen Eltern und Kinder beim Museumsbesuch gemeinsam etwas Neues erfahren und dabei Spaß haben.

myheimat: Welche museumspädagogischen Programme bieten Sie an? Gibt es speziell auf Kinder zugeschnittene Angebote?

Dr. Kilian: Für Schulklassen und Kindergruppen bieten wir bisher an: „Vom Getreide zum Brot“, „Buttern“, „Schule und Unterricht vor 100 Jahren“, „Vom Flachs zur Kleidung“ und
„Wildkräuter erleben“. Im Herbst dürfen die Kinder „mosten“, also Obst pressen. In den letzten Jahren nahmen verstärkt auch Kindergärten diese Angebote wahr. Für die Dauerausstellung „Die Rieser Landwirtschaft im Wandel“ steht ein „Handbuch für Museumsdetektive“ zur Verfügung, das den Lehrern Gestaltungsspielraum lässt.
Die Gruppenprogramme können auch gut für Kindergeburtstage im Museum gebucht werden. Speziell dafür eignen sich das Papierschöpfen, das Basteln von Vogelscheuchen und das Herstellen von geprägtem Papierschmuck mit Formen.
Neu erarbeitet werden momentan „Zeit zum Spielen“, „Haustiere – Helfer der Menschen“, „Mit Mangel und mit Dampf“ (frühere Methoden zum Bügeln), „Getreideernte im Wandel der Zeit“ und „Wer hat, der hat“. Diese Programme haben direkten Bezug zu den Lehrplänen der Grundschulen.

Dazu kommt das Ferienprogramm, das ganz unterschiedliche Aktionen bereithält. 2009 wird es sich auch auf die Oster- und Pfingstferien ausdehnen. Und bei unseren Museumsfesten gibt es meist ein eigenes Programm für Kinder.

myheimat: In Ihrem Amt als Museumsleiterin sind Sie seit über 20 Jahren tätig. Macht Ihnen die kulturelle Arbeit noch immer Spaß?

Dr. Kilian: Ja! Die Arbeit ist kreativ und sehr abwechslungsreich, es warten immer wieder neue Herausforderungen. Im einen Moment erforscht man einen historischen Sachverhalt, im anderen trifft man Entscheidungen bei Baumaßnahmen, im nächsten organisiert man eine Veranstaltung und schreibt eine Pressemitteilung dazu.

Leider ist immer viel zu viel Arbeit zu tun, auch reichlich Verwaltungskram, man schafft es nie, den Schreibtisch abzuarbeiten. Viele interessante Projekte müssen liegen bleiben.
Aktuell hat der Bezirk Schwaben Geld für die Neueinrichtung und Modernisierung der Dauerausstellungen im sog. Brauhaus zur Verfügung gestellt – ein neues Großprojekt also, das uns in nächster Zeit stark fordern wird!

myheimat: Das Rieser Bauernmuseum hat in diesem Jahr wieder ein reichhaltiges und vielfältiges Programm geboten. Welche Veranstaltung hat Ihnen 2008 persönlich am besten gefallen?

Dr. Kilian: Eine schwierige Frage! Es freut mich natürlich, dass das Kartoffel- und das Schnitterfest sich so gut etabliert haben, dass sie gar nicht mehr wegzudenken sind. Auch das Kräuterfest und der Mühlentag locken zahlreiche Besucher an. In diesem Jahr habe ich mich sehr gefreut, dass das Kinderferienprogramm 450 Kinder angezogen hat und darüber hinaus komplette Programme auch von Vereinen und Gemeinden gebucht wurden. Ganz besonders stimmungsvoll finde ich das Weihnachtssingen am zweiten Advent, bei dem alle Besucher mit Begeisterung traditionelle Weihnachtslieder singen.

myheimat: Geben Sie uns einen kleinen Ausblick auf das Jahr 2009. Mit welchen Projekten wollen Sie die Besucher in der nächsten Saison begeistern?

Dr. Kilian: Das Museum wird nächstes Jahr 25! Das ist für uns natürlich Anlass für einige besondere Aktivitäten: Speziell zum Jubiläum veranstalten wir am 29. Mai eine offene Museumsnacht mit einigen Überraschungen. Von Mai bis November erinnert eine Ausstellung an wichtige Ereignisse in diesem Vierteljahrhundert. Wir „garnieren“ das Jubiläum mit der Sonderausstellung „Die süße Verführung – Zucker, Schokolade & Co.“ (21.3.-11.10.). Am „Süßen Tag“, dem 28. Juni, dreht sich alles um Süßigkeiten und ihre Herstellung. Für Kinder und Erwachsene gibt es wieder ein eigenes Begleitprogramm zur Ausstellung. Den Winter über zeigt die Ausstellung „Wohlig warmer Winter“, wie die Menschen sich vor der Kälte schützten.

Bürgerreporter:in:

Gülcihan Ördek aus Augsburg

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