Warum der ICE im Nest Oberau hält, aber Chemnitz meidet
Das sind die kleinsten ICE-Haltestellen Deutschlands!
Der ICE braust ja gerne mal durch Wolfsburg hindurch, obwohl er dort laut Fahrplan eigentlich halten sollte. Eiskalt durchfahrende Schnellzüge - das ist der Volkswagen-Heimatstadt mehr als einmal passiert. Bitter für eine Stadt mit 123.000 Einwohnern. Zumal die Deutsche Bahn ihren schnellsten Fernstreckenzug sogar in kleinen Gemeinden wie Oberau (3.200 Einwohner) und Züssow (1.200 Einwohner) zuverlässig halten lässt.
Züssow ist der kleinste Ort mit direkter ICE-Anbindung. Eigentlich hält im 1.200-Seelen-Nest nur stündlich eine Regionalbahn aus Wolgast auf dem Weg nach Stralsund, alle zwei Stunden zudem ein Regionalexpress der DB Regio Nordost. Seit 2011 stoppt nun das Aushängeschild der Deutschen Bahn am Wochenende in Züssow. Von München oder Frankfurt am Main aus rauscht der ICE jeweils über Erfurt, Berlin und eben auch Züssow bis zum Ostseebad Binz auf Rügen.
Binz. Noch so ein Dorf auf der ICE-Karte. Klein ja, verschlafen nein. Zu den rund 5.500 Einwohnern gesellen sich jede Menge Touristen, die auf Rügen ihren Strandurlaub verbringen. Der Bahnhof in Binz ist eine Endhaltestelle der Deutschen Bahn. Klar, dahinter kommt im Prinzip nur noch Wasser. Wenige Kilometer weiter im Inselinneren in Bergen auf Rügen (13.600 Einwohner) halten ebenfalls Fernstreckenzüge. Doch es gibt noch kleinere Orte, die vom ICE angesteuert werden.
ICE-Ausbau in Oberbayern
Oberau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Das kleine Dorf (3.200 Einwohner) liegt nur acht Fahrminuten von der Kreisstadt, mit 26.000 Einwohnern ebenfalls ein ICE-Halt, entfernt. "Wir haben nicht darum gebeten, dass bei uns ICEs halten", sagte Oberaus Amtsleiter Robert Zankel der "Welt". Für die Entwicklung des Ortes im Skigebiet sei kein Fernzug-Halt notwendig. Warum das bayerische Dorf Ende 2017 dennoch einen ICE-Halt an den Wochenenden bekommen hat? Alexander Dobrindt müsste es wissen. In seiner Amtszeit als Bundesverkehrsminister wurde nicht nur Oberau, sondern auch Weilheim (22.000 Einwohner) zum ICE-Bahnhof befördert. Beide Haltepunkte liegen in Dobrindts Wahlkreis.
Es gibt aber auch eine verkehrstechnische Erklärung für den Stopp in Oberau. Die Strecke ist eingleisig und die Züge brauchen Ausweichpunkte in verschiedene Richtungen. Daher halten sie auch andernorts in bisweilen kleinen Bahnhöfen. Nur bleiben dort in der Regel die Türen geschlossen, weil die Stationen die Anforderungen für eine ICE-Station nicht erfüllen. Oberau verfügt über einen 200 Meter langen und 55 Zentimeter hohen Bahnsteig sowie eine elektronische Informationsanzeige. Das genügt den Ansprüchen. Also gehen die Türen nun auch auf, obwohl selten jemand ein- oder aussteigt.
In Oberbayern liegen vier der zehn kleinsten Ortschaften mit ICE-Halt: Neben Oberau sind dies Tutzing (10.000 Einwohner), Prien am Chiemsee (10.700 Einwohner) und Murnau (12.000 Einwohner). In Nordrhein-Westfalen hält der ICE in Altenbeken (9.000 Einwohner), obwohl der Hauptbahnhof von Paderborn nur 22 (Straßen-)Kilometer entfernt liegt. Krefeld hingegen wird von ICEs gemieden. 222.000 Einwohner leben in der Großstadt nahe der niederländischen Grenze. Wenn sie mit dem ICE verreisen wollen, müssen sie mit dem Regionalzug oder Auto zuerst nach Duisburg oder Mönchengladbach, wobei es mit der Bahn meist schneller geht. Auch Düsseldorf ist mit dem Auto immerhin in einer guten halben Stunde erreichbar, mit dem Zug dauert es aufgrund von Umstiegen in Duisburg oder Neuss ein paar Minuten länger.
Bahn-Trauerspiel für Chemnitz und Schwerin
Auch Schwerin (96.000 Einwohner), Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns, ist keine Station für den ICE. Stattdessen hält er im nordöstlichsten Bundesland in Angermünde (13.700 Einwohner), Anklam (12.500 Einwohner) und Pasewalk (10.500 Einwohner). Sechs der zwölf kleinsten Gemeinden mit ICE-Haltestelle liegen in Mecklenburg-Vorpommern, während Sachsen insgesamt nur über drei ICE-Bahnhöfe verfügt.
Besonders traurig ist die Situation in Chemnitz, der mit 244.000 Einwohnern größten Stadt Deutschlands ohne Anbindung ans Fernstrecken-Netz der Deutschen Bahn. Die Elektrifizierung der Strecke ist bislang unzureichend. Der Ausbau wurde zwar dieses Jahr beschlossen, jedoch wird es noch Jahre dauern, bis in Sachsens drittgrößter Stadt ein ICE hält. Nicht einmal der etwas langsamere IC schafft es nach Chemnitz.
Das sind die kleinsten Orte, in denen der ICE hält:
- Züssow (1.200 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
- Oberau (3.200 Einwohner, Bayern)
- Ostseebad Binz (5.500 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
- Altenbeken (9.000 Einwohner, Nordrhein-Westfalen)
- Tutzing (10.000 Einwohner, Bayern)
- Pasewalk (10.500 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
- Prien am Chiemsee (10.700 Einwohner, Bayern)
- Murnau am Staffelsee (12.000 Einwohner, Bayern)
- Anklam (12.500 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
- Bergen auf Rügen (13.600 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
- Montabaur (13.800 Einwohner, Rheinland-Pfalz)
- Angermünde (13.800 Einwohner, Mecklenburg-Vorpommern)
Einwohnerzahlen gerundet.
Tja die Bahn setzt halt Prioritäten ;-)