Mangels Synonymen: Hottie - ein Unwort auf dem Vormarsch
Noch steht das Wort nicht im Duden. Doch der Ausdruck „Hottie“ wird immer häufiger in den Medien verwendet. Hauptsächlich in Klatschmagazinen und deren Online-Auftritten. Was bedeutet „Hottie“ eigentlich und warum ist dieses Substantiv drauf und dran, sich im Sprachgebrauch der Deutschen zu etablieren?
Ein Stück weit den Weg geebnet hat dem Unwort „Hottie“ mutmaßlich der Kinofilm „The Hottie & the Nottie“ von Regisseur Tom Putnam. Für die Hauptrolle in der - offenbar extra für ihre Schauspielversuche konzipierte - Komödie erntete Hotelerbin Paris Hilton die Goldene Himbeere. Trotz vernichtender Kritiken – der titelgebende Begriff ist nicht direkt wieder in der Versenkung verschwunden. Egal ob in der Überschrift, im Teaser, weiter unten im Fließtext oder in der Bildunterschrift: Das Wort „Hottie“ springt dem Leser ins Auge und ist Sprachästheten ein Dorn im selbigen. Schließlich gibt es durchaus deutsche Wörter, mit denen Redakteure im Prinzip die gleiche Aussage treffen können. Denn der aus dem Englischen übernommene Begriff beschreibt letztlich nur eine attraktive Person mit Sex-Appeal. Männer könnten also als „heißer Typ“ gebrandmarkt werden. Bei Frauen wird’s aber schon schwieriger; zumindest wenn der Verfasser unbedingt ein Substantiv braucht. Denn selbst Sprachwissenschaftler wie Professor Dr. Bernhard Schröder, der an der Universität Duisburg-Essen Germanistik und Linguistik lehrt, kennen kein deutsches Wort, das „ähnliche Konnotationen“ hat.
„Eingeschränkt auf Männer kommt ein Ausdruck wie "heißer Typ" dem vielleicht noch nahe, ansonsten sind mögliche Alternativausdrücke […] eher jugendsprachlich, veraltet oder tendenziell vulgär“, erklärt Schröder. Wie sind die Redakteure früher bloß ohne diesen neumodischen Anglizismus ausgekommen? Sie haben sich häufiger im Französischen bedient und attraktive Männer als „Beau“ (Schönling der Gesellschaft) bezeichnet. Doch der „Hottie“ läuft dem „Beau“ den Rang ab. Woher kommt das Wort „Hottie“ eigentlich - etymologisch? „Es handelt sich um eine Ableitung von "hot" mit der Diminutiv-(Verkleinerungs-)Endung "-y" bzw. "-ie". Möglicherweise hat "cutie" hier Pate gestanden“, entschlüsselt Schröder den Ursprung.
Von Nina Dobrev bis Alexander Skarsgård – die „Hotties“ sind unter uns
„Cutie“ wiederum steht im Deutschen für Schätzchen, Süße oder Sahneschnitte. Dennoch darf Cutie nicht als weibliches Pendant zu „Hottie“ betrachtet werden, denn auch Frauen werden als solche bezeichnet. Beispielsweise „Vampire Diaries“-Star Nina Dobrev, die nicht nur auf der ProSieben-Website als „Hottie“ angepriesen wird. Als solche werden auch die Fotomodelle Melyssa Grace und Irina Olhovskaya von Mathias Ebeling auf „Autoblog Deutschland“ bezeichnet. Sogar Stern-Autor Bernd Fetsch greift für „Transformers“-Blickfang Megan Fox darauf zurück. Bei den Männern wurden unter anderem bereits Alexander Skarsgård (Gala), Musiker Kendall Schmidt (Bravo), US-Schwimmer Ryan Lochte (promiflash.de) oder „True Blood“-Schauspieler Joe Manganiello (de.eonline.com) als „Hottie“ tituliert. Auch auf myheimat taucht der Begriff auf – und zwar für Rodrigo Santoro, der im selben Beitrag auch als „Cutie“ bezeichnet wird.
Klar, dass die als „Hottie“ bezeichneten „Celebrities“ (Berühmtheiten) meist jung sind. Werden sie nämlich Mutter und erwecken trotzdem noch Begehrlichkeiten bei jungen Männern, werden sie zur „MILF“, was „Mom, I’d like to fuck“ (Mutter, die ich gern ficken würde) bedeutet – wie eine ganze Generation spätestens weiß, seit „American Pie“ in den Kinos lief. Werden die sexy Frauen noch älter, werden sie vom „Hottie“ gemäß Jugendsprache zur „Rentnerbarbie“. Für ältere „Hottie“-Männer ist kein gebräuchliches Synonym bekannt.
„Mir war das Wort aus dem Englischen geläufig. Im Deutschen habe ich es deshalb bisher immer als Zitat einer englischsprachlichen Attribuierung einer Person verstanden“, meint Schröder. Es dauert wohl nicht mehr lange, bis das Zitatwort „Hottie“ seinen Platz im Fremdwörter-Duden findet. Auch, wenn es bislang eher in den Boulevardmedien als im Sprachgebrauch verankert ist. Mangels Alternativen dürfte der Begriff „Hottie“, der überwiegend für Stars und Sternchen aus dem Ausland verwendet wird, so schnell nicht aus den Medien verschwinden. Denn wie bringt ein Artikelschreiber ohne Umschreibung und Attribute auf den Punkt, dass es sich um eine attraktive Person mit Sex-Appeal handelt?
Ich bin entsetzt...
...dass mir der Begriff bisher irgendwie entgangen ist...