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Kassenzettel kontrolliert?
Darum bezahlen Sie bei Netto zu viel

„Dann geh doch zu Netto!“, schreit das kleine Mädchen inzwischen nicht mehr durchs Wohnzimmer, wenn der heimische Fernseher läuft. Und der Verfasser dieses Erfahrungsberichts geht nicht mehr zu Netto. Zumindest nicht mehr in die Filiale in Neusäß. All zu oft wurde er durch falsche oder zumindest irreführende Preisauszeichnungen regelmäßig zu Käufen verführt, die sich auf dem Kassenbon als doppelt so teuer herausstellten. Fast zwei Jahre hat er die Netto-Filiale in Neusäß boykottiert, nachdem er zuvor monatelang bei ungefähr jedem zweiten Einkauf eklatante Diskrepanzen zwischen dem Einkaufswert, den Netto ihm suggeriert hat und dem, den Netto ihm berechnet hat, feststellen musste und seinen Reklamationen mit Ignoranz anstatt Besserung oder zumindest Einsicht begegnet wurde. Eigentlich schwer vorstellbar, dass er freiwillig die mehr als doppelte Strecke in den Schmutterpark radelt, um dort bei Kaufland, Aldi, Lidl oder Norma einzukaufen.

Kapitel 1: Der DB-Geschenkkarten-Ausfall

Ein vermeintlich tolles Angebot führte den Ex-Kunden wieder zurück in den Netto um die Ecke. Für 26 Euro sollte es dort Geschenkkarten der Deutschen Bahn im Wert von 30 Euro geben. Der vermeintlich tolle Deal und die damit verbundene Rückkehr in die Neusässer Netto-Filiale entpuppte sich als Flop. Die Kassiererin riet ihm mit Nachdruck davon ab, die DB-Geschenkkarten zu erwerben. Sie hatte an diesem Tag bereits Retouren, da die Gutscheine offenbar nicht eingelöst werden konnten. Vielen Dank. Zwar war dieses Sparangebot der Grund, warum der ehemalige Kunde nach langer Abstinenz wieder in „seine“ Netto-Filiale zurückkehrte. Doch lieber geht er den Weg einmal umsonst und bekommt nicht das, was er kaufen möchte als dass er den Weg zweimal auf sich nimmt, um die „defekte Ware“ umzutauschen. Nun, vielleicht kann er dann wenigstens für schnelle, kleine Einkäufe ab und zu hereinschneien.

Kapitel 2: Marzipanhörnchen fast 3x so teuer

Die Motivation zur Rückkehr wehrte nicht lange. Das jüngste Ärgernis war eines zu viel. Auf dem imaginären Einkaufszettel standen Milch und Brot. Besagter Kunde schaut immer auf die Preisauszeichnung am Regal direkt an der Ware. Meistens vergleicht er sicherheitshalber noch, ob das, was neben der Zahl auf dem Schild steht auch das Produkt ist, das dort einsortiert ist. Diesmal nicht. Man könnte schließlich meinen, es hätte sich in den zwei Jahren mehr verbessert, als dass die Verkaufsfläche großzügiger arrangiert wurde.
Er greift sich eine H-Milch für 95 Cent und ein Weizenbaguette in der Papiertüte für 69 Cent. Diese „frisch gebackenen“ Baguettes und Ciabattas stehen auf einem Holzpodest, das in verschiedene „Fächer“ unterteilt ist. Schräg gegenüber lauert abgepacktes Gebäck auf den Kunden. 89 Cent für eine Packung mit vier Mandelhörnchen mit Marzipan? Das ist spottbillig. An der Kasse schlagen diese drei Produkte mit 4,63 Euro zu Buche. Das ist fast doppelt so viel, wie der Kunde im Kopf überschlagen hat. Ein Blick auf den Kassenzettel zeigt leider mal wieder: Es stimmt hinten und vorne nichts. Aus dem Weizenbaguette wurde ein Steinofenbaguette für 1,19 Euro. Lassen wir Fünfe gerade sein, das kann passieren. Man greift sich ein Baguette aus dem Podest – und zwar an der Stelle, wo 0,69 Euro steht. Aber direkt daneben sind andere Baguettes für einen höheren Preis. Egal, ob jemand – Mitarbeiter oder Kunde – das Baguette falsch einsortiert hat oder dieser Kunde einfach daneben gegriffen hat – kann passieren, Schwamm drüber. Darüber können wir diskutieren beziehungsweise man nimmt das Steinofenbaguette mit oder man klärt den Irrtum auf und geht nochmal zurück, um das Baguette auszutauschen. So etwas ist beziehungsweise war zumindest in der Vergangenheit kein größeres Problem – auch nicht in der Netto-Filiale in Neusäß. Aber 2,49 Euro für das Gebäck sind ein Problem, wenn man es für 89 Cent kaufen wollte.

Also Rückgabe. Ein Fall für die Filialleiterin. Sie nimmt die beiden Artikel, zieht sie über den Scanner und bestätigt die Preise, die auf dem Kassenbon ausgewiesen sind. Auf den sachlichen Hinweis, man habe das Produkt aus einem Regal mit einem deutlich niedrigeren Preisschild genommen, schaltet die Filialleiterin – wie schon mehrfach in der Vergangenheit – auf Durchzug. Nein, vielmehr in die Offensive. Tenor: Es liegt in der Verantwortung des Kunden, das Preisschild mit der Ware zu vergleichen und genau drauf zu schauen. Aha. So sieht also Kundenservice im Netto aus. Den Kunden mit einem günstigen Preisschild in die Irre führen und ihm den Schwarzen Peter zuschieben, wenn er nicht mitspielt. Kundenzufriedenheit, Kundenbeziehung, Kundenbindung – für die Netto-Filialleitung in Neusäß sind dies offensichtlich böhmische Dörfer.

Kapitel 3: Die Saison-Sorte: Günstiger Einführungspreis oder eine weitere Verwechslung?

Zum Mitschreiben: Ein Kunde steht vor einem Stapel einer bestimmten Ware im Regal. Netto-Mitarbeiter haben diese Ware dort arrangiert. Unten am Regal steht ein Preisschild. Netto-Mitarbeiter haben dieses Preisschild dort angebracht. Im konkreten Fall handelt es sich um den untersten Stapel und das unterste Preisschild – eine falsche Preisschild-Zuordnung durch den Kunden ist somit ausgeschlossen. Wieso muss der Kunde das Kleingedruckte, also die Warenbezeichnung auf dem Preisschild mit der auf der Verpackung vergleichen?
Der Kunde hatte in der Vergangenheit schon einen viel deutlicheren Fall. Linker Stapel: Knoppers. Rechter Stapel: Knoppers Saison-Sorte. Cool: Die neue Sorte ist laut Preisschild viel günstiger als die normale. Doch das vermeintliche Einführungsangebot wich an der Kasse einmal mehr Ernüchterung: Die Saison-Sorte war die teurere. Wenn man das wirklich klein Gedruckte hinter dem Wort „Knoppers“ las, hätte man es gesehen. Natürlich ist es die Schuld des Kunden, dass er die teureren Süßigkeiten in den Einkaufswagen legt und nicht die des Discounters, dessen Mitarbeiter die Ware oder das Preisschild irreführend platziert haben. Allemal ärgerlich, egal ob Schludrigkeit oder bewusste Kundentäuschung. Bei Netto in Neusäß jedenfalls an der Tagesordnung.

Kapitel 4: Beschiss bei der Reklamation

Zurück zu den Mandelhörnchen, die zusammen mit dem Steinofenbaguette zurückgegeben wurden. Die Bon-Preise in Höhe von 1,19 Euro und 2,49 Euro wurden vom Scanner und der Filialleiterin bestätigt, die Ware war bereits wieder im Besitz von Netto. Der Zettel für die Bestätigung der Rückgabe mit Unterschrift war bereits ausgedruckt. Der Kunde erwartete eine ordnungsgemäße Rückzahlung von 3,68 Euro. Bekommen hat er in erster Instanz 1,30 Euro. Selbst bei der Rückgabe muss man noch aufpassen, dass man nicht betrogen wird. Wohlgemerkt: Der Kunde sollte die 1,30 Euro unterschreiben, die Filialleiterin nannte ihm 1,30 Euro als Rückzahlungsbetrag. Ausbezahlt hatte sie aber gar nicht selbst, sondern an der ansonsten unbesetzten Kasse kümmerte sich auf ihre Anweisung hin ein junger Angestellter um die Münzen. Auch von ihm kam kein Hinweis, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Auf eine entsprechende, weiterhin freund- und sachlich vorgetragene Bemerkung des Kunden reagierte die Filialleiterin zwar einsichtig – eine Entschuldigung blieb jedoch aus. Der Kunde, der nur kurz innerhalb von fünf Minuten Milch und Brot kaufen wollte, verschwendete fast zehn weitere Minuten, um die Irreführung durch Netto zu korrigieren.

Kapitel 5: Zweite Kasse bitte

Nachdem die Retoure abgewickelt war, hätte man die zweite Kasse durchaus geöffnet lassen können. Der Mitarbeiter saß schon am Platz und die Schlange an der anderen Kasse war ziemlich lang. Wie oft hat der Kunde in der Vergangenheit seinen Platz 7, 8 oder 9 in der Warteschlange verlassen und bei der einzig aktiven Kassiererin darum gebeten, Kasse 2 öffnen zu lassen? Warum machen Netto-Mitarbeiter das nicht von sich aus? Sie müssen doch sehen, dass die Schlange bis weit in den Laden hineinreicht. Diese Betriebsblindheit erstreckt sich allerdings nicht nur auf Netto in Neusäß – die Filiale am Oberhausener Bahnhof ist diesbezüglich vermutlich sogar noch schlimmer. Und tatsächlich ist das „Zweite Kasse, bitte“-Phänomen keineswegs auf Netto beschränkt, sondern betrifft etliche Supermärkte und Discounter. Aber: Was kann der Mitarbeiter jetzt so Wichtiges vorhaben, dass er nicht weiter abkassieren kann, wo doch mehr als genügend Kunden darauf warten, zu bezahlen? Wenn er schon die Zeit hatte, seine Chefin bei einer 3,68 Euro-Reklamation zu unterstützen, die diese mit Sicherheit auch allein (nicht) hinbekommen hätte.

Kapitel 6: Sauerei im Kassenbereich

Ab und zu ist tatsächlich niemand da, der Kunden an der zweiten Kasse bedienen könnte. Zum Beispiel zur Mittagszeit, wenn mehrere Mitarbeiter Pause haben. In der unterhaltsamen TV-Serie „Die Discounter“ auf Amazon Prime machen die Angestellten alle gleichzeitig Pause. Dort liegt das eigentliche Problem (Thorsten) aber auch woanders. Zurück zu Netto Neusäß: Die Kassiererin steht vor einem Dilemma. Es stehen ein paar Kunden an, die ihre Einkäufe bezahlen möchten. Aber am Kopfende der Kasse ist eine riesige, nicht sonderlich appetitlich aussehende Pfütze, weil gerade ein Tetrapack mit flüssigem Inhalt geplatzt ist. Sie ist aufgrund der Mittagspause gerade die einzige verfügbare Mitarbeiterin. Nur die Filialleiterin ist noch da – sie steht nämlich als Erste an der Kasse, um zwei Waren zu bezahlen. Die Pfütze und welchen Eindruck der Laden und sie gerade machen, sind ihr offenbar egal. Sie habe jetzt einen Termin – auswärts. Nicht einmal einen Ratschlag oder eine Anweisung hat sie für die Mitarbeiterin übrig, die sich nicht sicher ist, wie sie priorisieren soll. Als der Kunde und die Kundin hinter ihm ihre Waren bezahlen, müssen sie einen sehr großen Bogen um eine eklige Pfütze machen.

Kapitel 7: Angebote aus der Vorwoche – das Ritter Sport Fiasko

Zwei weitere Beispiele, die bezeugen, dass Neusässer Netto-Kunden unbedingt die Einträge auf dem Kassenzettel überprüfen sollten: Wenn ein Gulaschtopf plötzlich 3,99 statt 2,99 Euro kostet, mag das beim Überschlagen im Kopf nicht unbedingt auffallen. Aber wer ein halbes Dutzend dieser Konserven gekauft hat, bemerkt die üppige Preisdiskrepanz vielleicht doch.

Der Gipfel – und damals das i-Tüpfelchen auf den zahlreichen Kassenzettel-Beträgen, mit denen der Kunde nicht einverstanden war – war die Ritter Sport Aktion. Montagmittag, kurz vor 12 Uhr, Netto Neusäß. An exponierter Stelle im Laden steht ein Turm mit Ritter Sport Schokolade. Davor ein riesiges Preisschild: 69 Cent pro Tafel. Wow! Da kann das Schleckermäulchen gar nicht anders als ordentlich zugreifen. Als die Kassiererin ihm die Summe nennt, die er für seine Einkäufe nennt, trifft ihn fast der Schlag. Kassenzettel, bitte. Jede Tafel Ritter Sport ist darauf mit 1,29 Euro aufgeführt!

Der Kunde ist sauer. Er hat jetzt Lust auf Schokolade bekommen und sich auf dieses spontane Schnäppchen gefreut. Er geht zurück zum „Turm“, schaut nochmal genau hin. 69 Cent. Alle Sorten. Er besteht darauf, dass er diese Schokoladentafeln zu dem Preis bekommt, den Netto Neusäß ihm offensiv anbietet. Bewusster kann man ein Produkt nicht mehr „ins Schaufenster“ stellen als diesen großen Pappaufsteller mit Ritter Sport Schokolade. Ein größer gedrucktes Preisschild ist auch im ganzen Laden nicht zu finden. Doch die Kassiererin bleibt – ganz im Sinne der Filiale – hart: Im Kassensystem steht 1,29 Euro. Der Kunde kann die Schokolade zurückgeben oder zu diesem Preis mitnehmen. Ein Fall für die Filialleiterin. Die bestätigt ihre Mitarbeiterin. Auf den Fingerzeig des Kunden, dass wenige Meter weiter ein riesiger Turm mit einem riesigen Schnäppchen-Preisschild steht, lautete die Antwort: Das war ein Sonderangebot der vorherigen Woche. Man sei noch nicht dazugekommen, die Preisauszeichnung zu ändern. Netto öffnet in Neusäß um 7 Uhr. Der Kunde verlässt die Filiale ohne Schokolade – für zirka zwei Jahre.

Dem Kunden fällt ein Sprichwort ein, das Wörter wie „Fisch“ und „Kopf“ beinhaltet. Die Neusässer Filiale des Discounters Netto scheint ein trauriges Musterbeispiel dafür zu sein. Denn auf sachliche Hinweise bei berechtigten Reklamationen regiert die Filialleitung stets mit einer Gegenoffensive. Dabei sollte sie sich des Kernproblems annehmen: Ihrer Vorbildfunktion als lokale Konzernrepräsentantin gerecht werden, ihre Service-Einstellung hinterfragen und für pünktliche, korrekte Preisumstellungen sorgen.

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2 Kommentare

  • Bea S. am 24.01.2024 um 08:32

Vielen Dank für den sehr interessanten Einblick. Vieles dürfte Verbraucher*innen bekannt vorkommen, falsche Preisauszeichnungen, Sonderangebote die keine sind, Ware und das dazugehörige Preisschild an zwei verschiedenen Orten, manchmal auch Tricks wie: 1 Stück kostet X Euro, 5 "nur" Y Euro, was sich hinterher als 5 Mal X herausstellt, also mitnichten ein Preisvorteil ist. Manchmal ist der Stückpreis im 5er Pack sogar höher. Die wenigsten rechnen das aus und merken den Beschiss überhaupt nicht.

Von einer so geballten Täuschung, Trickserei und vor allem dem Kundenbashing, wenn reklamiert wird, wie hier von Dir berichtet, habe ich allerdings noch nicht gehört. Einfach unglaublich.

Ich gehöre ebenfalls zu den Kundinnen, die sehr aufmerksam die Preise und Angebote studieren, einmal weil ich es mir nicht leisten kann oder will, einfach blind ins Regal zu greifen und überteuerte Waren zu kaufen, die es von der Qualität her vielleicht günstiger gibt, und andererseits weil ich diese Machenschaften der Verbrauchertäuschung aus eigener Erfahrung kenne und mich nicht über den Tisch ziehen lassen möchte.

Ich könnte mir vorstellen, dass der Nettokonzern mit dieser Praxis ebenfalls nicht einverstanden ist, die ihm die Kundschaft regelrecht vergrault, sollte so etwas bundesweit bekannt werden. Zwar wird auch der Konzern Tricks an seine Franchisenehmer vermitteln, die üblich sind, wie zb. die günstigsten Produkte nicht in Griffhöhe zu platzieren, also im untersten Regal zu verstecken, oder weitere Kniffe, die den Umsatz steigern. Aber die Kundschaft in derart betrügerischer Absicht zu übervorteilen, wie hier offenbar der Fall, dagegen, könnte ich mir vorstellen, würde der Nettokonzern einschreiten. Sicher auch die Verbraucherzentrale.
An beide würde ich mich wenden, wenn Verbraucherrechte derart verletzt werden, um die Sache überprüfen zu lassen.

Wer diese - zugegeben sehr krasse - Mängelliste liest wird jetzt vielleicht besser verstehen, warum der Kunde immer häufiger an der Kasse gefragt wird, ob ein Ausdruck des Kassenzettels gewünscht wird.
Die angebliche Umweltschutzidee (Papier- und damit Ressourceneinsparung) ist sicher nur vorgeschoben, um die geschilderten Tricksereien bei den Preisen zu kaschieren!
Dank an Michael S. !

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