Jahresinterview mit Bürgermeister Richard Greiner
Die Stadt Neusäß baut an ihrer Zukunft
Das Jahrbuch ist wie immer eine wunderbare Gelegenheit mit dem Ersten Bürgermeister von Neusäß, Richard Greiner, über das Jahr 2024 zu sprechen. Die Themen waren die aktuelle Haushaltslage in Neusäß, die Juni-Flut, den Bahnausbau und die Augsburger Uniklinik.
myheimat: Im Herbst wurde bekannt, dass die Stadt Neusäß für 2024 einen Nachtragshaushalt benötigt. Wie ist die aktuelle wirtschaftliche Lage?
Erster Bürgermeister Richard Greiner: Die Stadt Neusäß hat eine s. g. „Nachtragshaushaltssatzung“ erlassen, da im Vollzug festgestellt wurde, dass sich frühere Annahmen zur Haushaltsplanung 2024 nicht bestätigt haben. Dies betraf sowohl Einnahmen- als auch Ausgabenpositionen. So wurden einige Ansätze korrigiert und Korrekturen für das laufende Geschäftsjahr vorgenommen. Dies ist uns insgesamt gut gelungen und der Nachtragshaushalt wird noch keine schmerzhaften Narben hinterlassen.
myheimat: Wie sieht der Nachtragshaushalt im Detail aus und an welcher Stelle sind Einsparungen geplant?
Bürgermeister Greiner: Einige eingeplante Gelder wurden für 2024 nicht beansprucht, andere Vorgänge erforderten ein Nachbessern der geplanten Haushaltsmittel. Dazu zählen u.a. verschiedene Unterhaltsmaßnahmen in den Bereichen Hoch- und Tiefbau oder zusätzliche Zuweisungen für den laufenden Betrieb unserer nichtstädtischen Tageseinrichtungen für Kinder. Zu Buche schlagen auch nicht vorgesehene Unterhaltsmaßnahmen, zum Beispiel die Sanierung der Lüftungsanlage in der Schwimmhalle Steppach.
Die Finanzierung der Mehrausgaben erfolgt im Wesentlichen über Mehreinnahmen, die wir zur Zeit noch bei der Gewerbesteuer haben oder bei eingesparten Personalkosten. Zudem konnten im Vermögenshaushalt eingeplante Ausgaben von knapp 1 Mio. € in den Haushalt 2025 vorgetragen werden. Unter anderem, weil aufgrund sinkender Baupreise bessere Ausschreibungsergebnisse für das Feuerwehrgerätehaus Neusäß weniger Geld zur Auszahlung kam als geplant.
myheimat: Welche Auswirkungen wird das auf die Bürgerschaft haben?
Bürgermeister Greiner: Trotz anhaltender Wirtschaftskrise können wir unsere großen Bau- und Infrastrukturmaßnahmen wie geplant durchführen. Die Interimslösungen für die Schule und die Feuerwehr in Westheim konnten wir 2024 gut umsetzen. Nun investieren wir mit den großen Projekten Neubau von Schule, Feuerwehr und Turnhalle in Westheim, Neubau der Stützpunktfeuerwehr Neusäß sowie den Investitionen in Kanalisation, Straßen und barrierefreie Bushaltestellen kraftvoll und antizyklisch in die Krise hinein. Das gilt auch für die schon länger laufende Generalsanierung des Justus-von-Liebig-Gymnasiums durch den Landkreis.
Zunächst wird die Bürgerschaft also noch keine Auswirkungen durch die gesamtwirtschaftliche Lage auf die Stadt spüren. Fakt ist aber, dass wir deutschlandweit schon länger eine bedenkliche Tendenz sehen: Die Aufgabenzuweisung an die Kommunen steigt ununterbrochen an und verursacht allein im Jahr 2024 Ausgabensteigerungen von circa 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Gleichzeitig steigen die kommunalen Einnahmen aber nur um 5 Prozent. Das bedeutet allein 2024 für die Städte und Gemeinden ein Finanzierungsdefizit von über 17 Milliarden Euro. Diese dynamische Entwicklung ist insofern bedenklich, weil die Kommunen absehbar immer weniger Handlungsspielräume haben werden und die Lücke zwischen Aufgabenerfüllung, Rechtsansprüchen, die oft durch die Bundes- und Landespolitik beschlossen und an die Kommunen durchgereicht werden, und der tatsächlichen Realisierbarkeit vor Ort immer größer wird. Auch unser Stadtrat wird also die Ausgaben künftig noch genauer prüfen und abwägen müssen, welche freiwilligen Leistungen noch getätigt werden können und welche nicht.
myheimat: Fernwärmeausbau, Feuerwehrbau, Wohnbau, Glasfaserverlegung, Neubau- und Sanierung von Schulen sowie Erneuerung der Verkehrsinfrastruktur. Viele Investitionen auf einmal für Neusäß. Welche Bau-Projekte sollen 2025 abgeschlossen werden und welche neu dazukommen?
Bürgermeister Greiner: Auch für das nächste Jahr hat unser Team vom Bauamt viel vor: Der Stadtplatz vor der Bäckerei Wolf an der Hauptstraße wird neu gestaltet, was unsere Stadtmitte positiv aufwerten wird. In Westheim steht im Bereich der Von-Rehlingen-Straße eine größere Kanalsanierung an. Der erste Bauabschnitt des Neubaus der Feuerwehr Neusäß wird im nächsten Jahr abgeschlossen. Und nachfolgend wird die Fernwärmeleitung in diesem Bereich eingebracht und die Ortliebstraße saniert.
Das Staatliche Bauamt wird 2025 die Sanierung der Ortsdurchfahrt Hammel und die Sanierung der Staatsstraße Richtung Neusäß fortsetzen. Im Zuge dessen wird auch die Schmutterbrücke erneuert. Vor diesem Hintergrund prüfen wir im Moment, ob wir anschließend die auch schon 25 Jahre alte Entlastungsstraße bis zum Kreisel an der Nord-Süd-Spange sanieren können. Denn so könnten wir diese wichtige und lange Achse für die nächste Generation in einem Zug wieder fit bekommen.
myheimat: Der aus Sicht der Bahn bevorzugte Trassenverlauf für den Bahnausbau zwischen Augsburg und Ulm steht endlich fest. Sind Sie zufrieden mit der Entscheidung?
Bürgermeister Greiner: Der 21. Juni war für uns als Stadt Neusäß ein guter Tag, weil zum Abschluss des Raumordnungsverfahrens die „Vorzugstrasse“ präsentiert wurde, die für Neusäß die beste Variante darstellt. Wir haben den Planungsprozess jahrelang kritisch, aber immer konstruktiv begleitet und konnten immer wieder Stellungnahmen abgeben, die vorher im Stadtrat erfreulicher Weise einstimmig erarbeitet wurden. Beim Eintritt in das Raumordnungsverfahren hat die zuständige Landesbehörde, die Regierung von Schwaben, die verschiedenen Varianten deshalb auch sehr aufmerksam bezüglich der Einwendungen aus Neusäß beurteilt. Wir können Stand heute also wirklich zufrieden sein und hoffen, dass der Deutsche Bundestag die Trassenempfehlung der Bahn bestätigt.
myheimat: Ebenfalls ein Thema in Neusäß ist der geplante Bau der Uniklinik. Wie wird es hier weitergehen für Neusäß?
Bürgermeister Greiner: Auch wenn die maßgeblichen Akteure der Freistaat Bayern (als Vorhabenträger) und die Stadt Augsburg als (Planungsbehörde) sind, hat sich die Stadt Neusäß ja bereits beim Planungsprozess für die Fakultät mit Erfolg einbringen können - ich erinnere an unsere Bemühungen für mehr Parkplätze, damit der Parkdruck rund um das Uniklinikum nicht noch mehr nach Neusäß ausstrahlt. Und auch auf unsere Initiative hin wurde ein breiter, sehr schöner Grünzug als Ausgleichsfläche entlang der Steppacher Straße gepflanzt, der unseres Erachtens wie der Patientenpark unbedingt erhalten bleiben muss.
Was wir heute wissen, ist, dass sich der sogenannte Lenkungsausschuss für einen Klinik-Neubau im Westen des aktuellen Krankenhauses entschieden hat. Genauere Planungen sind noch nicht bekannt. Die Entscheidung hat uns überrascht, weil wir den Neubau auf dem sogenannten „Baufeld Ost“ erwartet hatten, was unseres Erachtens doch viel sinnvoller wäre. Die Entscheidung für das „Baufeld West“ in Richtung Kobelhang hinterfragen wir deshalb kritisch. Das letzte Wort darf hier noch nicht gesprochen sein.
Grundsätzlich ist das Projekt Uniklinik aber eine große Chance und eine Stärkung für die ganze Region. Es muss deshalb am Ende erfolgreich funktionieren. Meine Erfahrung ist bisher, dass die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten zielorientiert erfolgt und auch von gegenseitigem Verständnis geprägt ist. So konnten wir uns bereits bei der Frage nach der künftigen Erschließung der Klinik im Arbeitskreis Verkehr aktiv einbringen und die früher einmal angedachte Zuwegung über die Steppacher Straße ist nun vom Tisch. So bin ich recht zuversichtlich, dass auch andere Probleme vernünftig gelöst werden können.
myheimat: Einige der Bauvorhaben werden immer wieder kritisch gesehen. Im Hinblick auf Kosten und Flächenversiegelung. Warum ist es trotzdem notwendig zu bauen?
Bürgermeister Greiner: Baustellen sind bisweilen lästig, sie sind aber ein Zeichen für den Erhalt der Bausubstanz und sie sind die Voraussetzung für die Verbesserung der Versorgung unserer Bevölkerung. Wohnraum, Schulen und Kindergärten, Bildung und Betreuung, Sicherheit und Feuerwehren, Gesundheit und Klinikbau – gar nicht zu bauen würde Rückschritt bedeuten mit allen negativen Begleiterscheinungen.
Die Herausforderung für uns als „Boom-Region“ muss also der verantwortungsbewusste Umgang mit Wachstum sein. Stillstand bedeutet Wertverlust und dass die Infrastruktur verkommt. Ich finde, wir bekommen angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit eine vernünftige und maßvolle Entwicklung doch ziemlich gut hin. Zu große, nicht in ein Quartier passende Bauvorhaben lehnen wir ab und bei Bebauungsplänen achten wir auf den Erhalt der Durchgrünung in den Wohnvierteln.
Unschöne Brachen wie das ehemalige Sailer-Areal oder das Schuster-Areal konnten (re-)aktiviert, entsiegelt, begrünt und einer attraktiven Nutzung zugeführt werden. Sie fügen sich inzwischen gut in unser Stadtbild ein und der öffentliche Raum wie auch die nötige Infrastruktur werden parallel dazu stetig mitentwickelt. Durch eine Reihe von Maßnahmen, vor allem im Schmuttertal, schonen wir unsere Natur und werten regelmäßig größere Flächen ökologisch auf. Das Hangmoor am Lohwald ist nur ein besonders gelungenes Beispiel dafür.
myheimat: Am ersten Wochenende im Juni herrschte in großen Teilen Bayerns Hochwasseralarm. Wie stark war die Stadt Neusäß und ihre Ortsteile betroffen? Und wie haben Sie die Tage in Erinnerung und ab wann wussten Sie da kommt etwas auf Neusäß zu?
Bürgermeister Greiner: Nachdem die Wetterprognosen für das besagte Wochenende schon früh alarmierend waren, stand ich von Anfang an in Kontakt mit Katastrophenschutz und Feuerwehr. Bereits am Freitag wurde damit begonnen, die Sandsäcke zu befüllen, um gerüstet zu sein. Die folgenden Tage und Nächte waren geprägt vom Dauereinsatz sämtlicher Einsatzkräfte, die bis zur Erschöpfung Großartiges geleistet haben, von Lagebesprechungen, Ortsbesichtigungen und der Hoffnung, der Regen möge bald aufhören und kein Mensch zu Schaden kommen.
Besonders betroffen waren die Stadtteile Hainhofen und Ottmarshausen. Auch im Westheimer Bereich an der Stierwiese liefen einige Keller voll. Die Staatsstraße 2032 im Bereich Hammel wurde unterspült, die Georg-Odemer-Straße musste zwei Tage lang gesperrt bleiben, bis die Standfestigkeit der beiden großen Brückenbauwerke nachgewiesen war. Die Unterführung an der Biburger Straße in Westheim lief voll und musste zwei Mal aufwändig ausgebaggert werden. Der Radweg entlang der Hainhofer Straße brach auf 80 Metern vollkommen weg, Stromkabel lagen frei und mussten abgeklemmt werden.
In Hainhofen mussten Menschen sogar evakuiert werden. Sie kamen dankenswerter Weise bei Freunden, Nachbarn, Verwandten oder im Sportheim des Hainhofer SV unter.
myheimat: Wie viele Helfer waren im Einsatz?
Bürgermeister Greiner: Ganz genau kann man das nicht beziffern, weil neben den Freiwilligen Feuerwehren, dem BRK samt Wasserwacht und dem THW noch andere Einheiten wie die Bundeswehr bei uns vor Ort waren. Aber auch Nachbarn, Freunde, Verwandte, Bauern mit ihrem schweren Gerät haben zusammengeholfen und mitangepackt. Es war sehr beeindruckend, wie schnell und effizient die Hilfe angelaufen ist und deshalb geht noch einmal unser großer Dank an alle Helferinnen und Helfer. Diese Hochwassertage haben gezeigt, welche Kraft in unserer Stadtgesellschaft steckt und wie solidarisch, achtsam und hilfsbereit doch viele Menschen in Neusäß sind.
myheimat: Zu welchen Ergebnissen kam die Analyse nach der Flutkatastrophe. Ist Neusäß gut gewappnet oder muss nachgeschärft werden?
Bürgermeister Greiner: An sich ist Neusäß gut für den Katastrophenfall gewappnet. Aber die Vorsorge bleibt eine Daueraufgabe für alle Ebenen in unserem Staatsaufbau. In Neusäß arbeiten wir kontinuierlich an weiteren Verbesserungen. Die Stichworte sind geförderter Hochwasser-Check mit dem Wasserwirtschaftsamt, Sturzflutmanagement, regelmäßige Ertüchtigung der Kanalisation, Ausrüstung unserer Feuerwehren mit zusätzlichen leistungsstarken Hochwasser-Pumpen und aktuell die Beschaffung einer eigenen Sandsackfüllanlage. Darüber hinaus suchen wir nach dezentralen Lagermöglichkeiten für Sandsäcke. Und mit Blick auf die aktuelle Berichterstattung scheinen sich bezüglich der Bildung neuer Retentionsmöglichkeiten in Überschwemmungsgebieten jetzt auch Bund und Land wieder mehr zu bewegen.
myheimat: Was war ihr persönliches Highlight und wie fällt Ihr Fazit zum kulturellen Jahr 2024 aus?
Bürgermeister Greiner: Mein persönliches Highlight war der Besuch einer 80-köpfigen Delegation aus unserer sächsischen Partnerstadt Markkleeberg. Wir liefen gemeinsam beim großen Festumzug mit, feierten den Volksfestauftakt, hatten das ganze Wochenende Zeit für einen regen Austausch und sogar für ein AH-Fußballspiel zwischen dem TSV Markkleeberg und unserem TSV Neusäß.
myheimat: Bleiben wir beim Sport: Gehört der Neusässer Volkslauf nach der 2. erfolgreichen Auflage nun zum festen Programm des Jahreskalenders?
Bürgermeister Greiner: Es war uns wichtig, mit dem Volkslauf ein Angebot für den Breitensport und die breite Bevölkerung zu schaffen. Insbesondere die große Beteiligung von Kindern und Jugendlichen hat und sehr gefreut. Ob der Volkslauf zu einem festen Termin im Kalender wird, wird auch die finanzielle Lage der Stadt in den nächsten Jahren entscheiden. All diese freiwilligen Leistungen stehen im „Ernstfall“ zuerst auf der Streichliste. Aber vorerst möchten wir den Volkslauf beibehalten, nicht zuletzt wegen des durchweg positiven Feedbacks, das wir bekommen haben.
myheimat: Ein kurzer Ausblick. Worauf dürfen wir uns 2025 freuen?
Bürgermeister Greiner: Kommenden Juli steht schon wieder das nächste kulturelle Highlight auf dem Programm: unser beliebtes Stadtfest wird wieder stattfinden, da freue ich mich schon sehr darauf. Ansonsten werden unsere großen und kleinen Bauprojekte weiter voranschreiten und einige kleinere Umweltprojekte stehen auf dem Plan.
Danke für Ihre Zeit!
Das Interview für myheimat führte Florian Handl