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Alter Hund lernt neue Tricks von Bernd Prott

Alter Hund“ lernt neue „Tricks“!

„Du wirst doch wohl kein Musiker werden wollen!“ höre ich immer noch das spontane Entsetzen meiner Eltern, als ich im Alter von 12 Jahren voller Stolz mein Versetzungszeugnis in die 7. Klasse präsentierte. Gut, die 1 in Mathe und die 2 in Physik war prima, die fächer fielen mir halt leicht. Doch mir war vor allem diese 1 in Musik so wichtig. Hatte ich doch etwas geschafft, was ich mir eigentlich gar nicht zugetraut hatte, als Kind einer eher unmusikalischen Familie. Für diese Note bekam ich halt nur besagtes Kopfschütteln und mein logischer Wunsch nach Klavierunterricht wurde kurz und knapp mit dem klassischen Totschlag-Argument abgelehnt - „Das schaffst du eh nicht!“ Dabei hatte ich doch nur eine Anzeige in den Düsseldorfer Nachrichten gesehen – „Klavier zu verschenken“!

Für die 1 in Mathematik gab es übrigens 5 Mark vom Vater und 3 Mark für die 2 in Physik. Das war 1968 und zum Vergleich, eine Konzertkarte für meine musikalischen Helden kostete damals 8 bis 10 Mark!

Tja, was soll ich sagen, beruflich ist aus mir wirklich kein Musiker geworden. Aber wenigstens ist meine heutige Arbeit kreativ! Ich entwerfe Benutzungsoberflächen für Dialogsysteme bei einer Airbus-Tochter und passe technische Ideen der Ingenieure an die wirklichen Bedürfnisse des Menschen an.

Doch stets blieb die Musik mein ständiger Begleiter. Meine Helden trugen eben nicht Trikot. Meine Helden hießen Keith Emerson, Jon Lord oder Rick Wakeman. Es waren nicht die Gitarrengötter meiner Jugend, sondern vor allem diese genialen Tastenkönige der Rockmusik, hinter ihren teils gewaltigen Keyboard-Burgen, die mich immer faszinierten und auch so geniale Schlagzeuger wie Carl Palmer. Meine musikalische Prägung bekam ich folgerichtig in der Blütezeit der progressiven Rockmusik zwischen 69 und 74. Diese Zeit selbst erlebt zu haben, in der Bands wie Emerson, Lake & Palmer, Yes, oder Genesis die grössten Hallen weltweit füllten und der populären Musik völlig neue Richtungen gaben, war für mich ein Geschenk. Diese teils revolutionäre Progressivität hat meine Ohren geöffnet, für Musik jenseits vom Hitparadenschema. Heute weiß ich, das Komponisten wie Beethoven oder Strawinsky teilweise für ihre jeweilige Zeit teils noch revolutionärer waren. Speziell durch Keith Emerson kam der Kontakt mit der sog. Klassik zustande, als ich herausfand, dass manches seiner Werke einen Ursprung bei Bartok, Mussorksky, Copland oder Ginastera hatte. Da schlich ich doch glatt mal in die Abteilung meines Plattengeschäfts – so etwas gab es ja damals noch- und bog mal mutig links ab zu den Klassikplatten! Neben den Bildern einer Ausstellung, kam gleich noch eine LP-Box mit den Beethoven Klaviersonaten in die Tüte. Das Ganze oben drauf gut getarnt mit dem neusten Emerson, Lake & Palmer Meisterwerk Brain Salad Surgery. Man wollte sich ja vor den Kumpels mit ihren Black Sabbath und Led Zeppelin LPs nicht als komplett gestrig outen. So geschehen 1973.

Egal ob man erwachsen wird oder nicht, irgendwann wird man schon mal 50, zumindest laut Pass. In meinem Fall passierte dies so nebenbei im April 2006. Ich fand, das wäre doch ein guter Zeitpunkt mal etwas Neues zu wagen und endlich mal ein Instrument zu lernen. Nein, es gab kein Klavier, es wurde ein gutes, altes Ludwig Schlagzeug. 5 Jahre Schlagzeug-Unterricht gaben mir ein gutes Fundament für Rhythmus und geistige Koordination. Ich lernte, dass auch Mann vier verschiedene Dinge gleichzeitig machen kann und wieviel Spaß es macht mit anderen, deutlich jüngeren Schülern bei Schulkonzerten auf der Bühne zu spielen.

Nur irgendwann will man aber dann doch selber Musik machen und nicht bloß mitspielen.

Eine Anzeige des Steinway-Haus München im Dezember 2013, war der Auslöser für meinen nächsten Umschwung – „Workshop für erwachsene Klavier-Anfänger“. Sofort griff ich zum Telefon. „Wie erwachsen darf man denn sein für eine Teilnahme und welche Vorkenntnisse sollte ich haben?“ Die Antwort der sympathischen Frauenstimme am anderen Ende der Leitung machte mir Mut – „Egal wie alt und keine Vorkenntnisse!“ lässt sich ihre Reaktion zusammenfassen.

Ein paar Wochen später saß ich dann tatsächlich im Kreis von 4 weiteren erwachsenen Anfängern im ehrwürdigen Steinway Haus in München und hatte vier Stunden lang einen Steinway-Flügel für mich alleine. Ehrfurcht vor diesem Instrument hatte ich keine, denn ein gutes Instrument kann eben vor allem auch ein wunderbarer Helfer sein. Für einen erwachsenen Anfänger ist aber vor allem der passende Lehrer extrem wichtig. In meinem Fall ist es eine hoch qualifizierte, sprich wunderbare Lehrerin. Alla Gonchar, die Leiterin des besagten Workshops. Ein Blick in ihre Augen und mir wurde klar, diese kleine zierliche Person weiß genau was sie will und wie sie es von ihren Schülern bekommt. Klare didaktische Struktur im Unterricht, ein gutes Einfühlungsvermögen gepaart mit einem Instinkt für die Möglichkeiten, die in einem Schüler schlummern, machen ihren Unterricht zur „Win-Win“ Situation für beide. Dem ersten Workshop folgte einige Wochen später ein zweiter. „Bernd, du hast ein gewisses Talent, aber vor allem gefällt mir dein Mut, es in deinem Alter zu wagen!“ Alla Gonchar bot mir an, mir Einzelunterricht zu geben. „Ich spüre, du willst Klavierspielen lernen und nicht rumklimpern. Das ist für mich als dein Lehrer wichtig zu spüren.“ brachte sie ihren grundsätzlichen Anspruch an einen Schüler auf den Punkt.

Seit April 2014 habe ich regelmäßig Unterricht bei ihr im Pianohaus Hermes & Weger in Augsburg.

Betrachte ich heute nach knapp 2 Jahren das, was ich bislang durch Alla Gonchar gelernt und erreicht habe und vergleiche es mit dem, was ich für mich am Anfang für möglich gehalten habe, muss ich klar sagen, ich bin von mir selbst überrascht. Ich hätte mir vorher nicht zugetraut, nach knapp 18 Monaten ein Prelude von Chopin zu spielen, ein Menuett von Bach oder ein Impromptu von Schubert. Heute spiele ich sie teilweise schon auswendig und wenn es dann von Alla Gonchar heisst „Jetzt hast du wirklich Klavier gespielt“, ist das für einen Anfänger wie mich, das höchste Lob. Ja, denn genau das möchte ich, auch weil es mich glücklich macht, etwas zu erreichen, von dem ich nicht wusste, dass ich es schaffen kann. Und wenn Alla Gonchar mir so etwas als Belohnung sagt, spüre ich, dass auch sie zurecht innerlich etwas stolz ist über das, was sie bei mir erreicht hat. Aber auch ihre Kritik, die oft genug sein muss, kommt von Herzen und will helfen. Ich kann nur lernen, wenn sie mir meine Fehler schonungslos darlegt. Doch die Art wie sie kritisiert, ist geprägt von einer zwar klaren aber äußerst charmanten Konstruktivität.

Gut, ich werde wohl kein Horowitz oder Rubinstein werden, doch trotzdem habe ich so viel Spaß beim Spielen und vor allem Spaß am Lernen. Sag noch mal einer, man kann einem „alten Hund“ keine neuen Tricks beibringen, den lache ich aus, weil es totaler Blödsinn ist! Gut, ein wenig Talent braucht man schon, aber das kann entdeckt werden. Wichtig ist auch mit Ende Fünfzig zu realisieren, dass man immer noch lernen kann. Das muss man allerdings wollen und lieben, das kann mir kein Lehrer beibringen.

Das wo ich heute stehe, ist aus meiner Sicht ein klarer Verdienst von Alla Gonchar. Ein wirklich guter Lehrer wie sie, vermittelt für mich eben neben den Emotionen der Musik, genau diesen Spaß am Lernen.

Sie ist eben eine Lehrerin, die einem nicht bloß die Technik des Klavierspielens beibringt. Sie öffnet mir den Zugang zum besseren Verstehen von Musik und führt mich zu persönlichen Erfolgserlebnissen, durch die ich das notwendige Selbstbewusstsein und die Disziplin für die nächste Herausforderung in der Klaviermusik bekomme. Und sie schafft es, ihre persönliche Leidenschaft für das Instrument und die Klaviermusik, auf mich als ihren Schüler zu übertragen.

„Du brauchst dringend ein richtiges Klavier!“ Diese Aussage von ihr löste den nächsten Schritt auf meinem Weg aus, den einige vielleicht für verrückt halten mögen. Doch nach gut einem Jahr Unterricht bemerkte ich bereits selbst, dass ich das im Unterricht gewonnene Gefühl für den Klang, zu Hause beim Üben an meinem recht hochwertigen Digitalklavier irgendwie nicht mehr wiedergeben konnte. Es schien nicht an meinem noch jungen Fingergedächtnis zu liegen, sondern simpel an der völlig anderen Tastatur. Trotz aller Innovation, eine echte Flügelmechanik lässt sich für mich nicht wirklich vollwertig an einem Digitalklavier reproduzieren. Ob man mit dieser Einschränkung leben will oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Fakt ist allerdings, dass es Lehrer gibt, die keine Schüler mit Digitalklavier unterrichten wollen. Heute verstehe ich langsam wieso. Ich habe für mich eine Entscheidung getroffen und wie ernst es mir heute mit dem Klavierspielen ist, mag nicht nur die Tatsache belegen, dass ich Anfang 2015 mein Digitalklavier in den Ruhestand geschickt habe.

Ein Digitalklavier zu kaufen ist eine Sache, die man im Prinzip mit ein paar Mausklicks erledigen kann. Doch für sich selbst ein passendes Klavier zu finden ist ein spannendes Abenteuer, dass auch manche Überraschung für einen selbst bereithält. Klangvolle Namen allein helfen nicht, dafür braucht man auch keine teils völlig überfrachteten Feature-Listen studieren. Dafür war es allerdings sehr wichtig, Menschen zu finden, denen man beim Klavierkauf wirklich vertrauen kann.

Spätestens wenn man anfängt, Klaviergeschäfte zu besuchen auf der Suche nach dem passenden Partner mit den 88 Tasten, erschließt sich einem die wahre Magie des Klaviers. Jedes Klavier klingt anders, selbst wenn man nur einen einfachen Akkord darauf anschlägt und es fühlt sich anders an, selbst wenn es von ein und demselben Hersteller ist. Es mag kitschig klingen, aber ich glaube, es muss ein wenig Liebe auf den ersten Ton sein, weil man vielleicht eine lebenslange Partnerschaft mit dem Instrument eingeht.

Diesen schwarzpolierten Partner habe ich dann nach einigen Wochen gefunden. Das Instrument sah aus wie jedes andere im Laden, doch mit dem ersten Anspielen spürte ich, das ist es, das ist mein Klavier! Genau dieser feinfühlige Anschlag fühlt sich für mich natürlich an. Ich will ja schlieslich nicht auf den Tasten Schlagzeug spielen oder um jeden Ton kämpfen müssen. Ja, und genau diese helle, klangliche Wärme mit einem Hauch ins Verträumte will ich hören, wenn ich spiele. Doch das gute Stück aus deutscher Herstellung hatte ein „kleines“ Problem und das stand in 5 schwarzen Ziffern auf einem weißen Preisschild. Sekt oder Selters, das war jetzt die Frage. Ich habe einmal tief Luft geholt und mich entschieden.

Um es kurz zu machen, ich habe meinen alten Porsche verkauft und mir von dem Erlös genau diesen wunderbaren, 40 Jahre alten Flügel angeschafft. Mir ist meine Zeit zu schade, mich mit schlechtem Werkzeug herumzuschlagen. Jetzt kann ich ganzjährig und jeden Tag meinen Traum leben, statt ewig nur weiter zu träumen. Diese Entscheidung habe ich keine Sekunde bereut.

Zum Schluß möchte ich einfach nur sagen, Klavierspielen ist eine unglaubliche Erfahrung, die man in jedem Alter machen kann – auch als Anfänger. Ich sage mir nicht, hättest du doch früher angefangen, nein ich freue mich, dass ich überhaupt angefangen habe, diesen neuen Weg zu gehen. Der Kreis meiner musikalischen Helden ist heute bereits um einige Köpfe erweitert worden. Zu den Helden meiner Jugend gesellen sich nun Genies wie Chopin, Beethoven, Mozart oder Bach, genauso wunderbare Pianisten wie Ragna Schirmer, Andras Schiff oder Arthur Rubinstein. Und ich bin mir sicher, es werden noch einige dazu kommen.

Doch das aller wichtigste ist für mich, auch als Erwachsener etwas völlig Neues lernen zu dürfen und zu können. Egal wohin dieser Weg mich führen wird, ich bleibe gespannt auf das was morgen kommt.

Napoleon Bonaparte soll gesagt haben „Wer von Anfang an schon sicher weiß, wohin sein Weg führen wird, wird es nicht sehr weit bringen!“.

Recht hat der Mann und Alla Gonchar zeigt mir, wie wunderbar das Geheimnis ist, einen neuen Weg einfach Schritt für Schritt weiter zu gehen und eben nicht zu wissen, wie weit ich tatsächlich am Klavier noch kommen kann. Nur langsam beschleicht mich das Gefühl, es wird weiter sein, als ich mir heute vorstellen kann.

Von Bernd Prott

Human Factors Engineer und Designer für Benutzungsoberflächen von Informations-systemen.

(Wolnzach 23.02.2016)

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