Xico: Mit der Machete durch den Bergnebelwald, Kaffee und ein kurioses Kleidermuseum
Tag 5, Donnerstag, 10. März 2016: Xico
Der deutsche Auswanderer Michael betreibt auf einer Hacienda in Xico eine Kaffeeplantage und weist uns in die Geheimnisse des Kaffees und dessen Produktionsgeschichte im Ort ein. Wir erfahren dabei, dass Kaffee größere Pflanzen wie Bananenstauden als Schattenspender benötigt. Ein Mitreisender, der bis vor Kurzem 26 Jahre lang in der Lebensmittelforschung mit Schwerpunkt Kaffee tätig war, stimmt den Ausführungen vor allem im Bereich Geschmack und Handel zu und ergänzt Wissenswertes, sodass wir wirklich viel über Anbau und Verarbeitung des schwarzen Getränks erfahren. Unter anderem von Michael: Wenn ein Kaffeepflücker den Rest seiner Tacos nach dem Mittagessen auf einem mit Kaffeebohnen gefüllten Sack liegen lässt, kann man den kompletten Inhalt wegwerfen, da die Kaffeebohnen den Taco-Geruch annehmen. Die Hacienda Xico Inn wird von Michaels Schwägerin Elisabeth betrieben, die für ein Jahr als Au-Pair in Deutschland war. In der Küche sorgt seine Frau Veronica für unser leibliches Wohl. Sie ist außerdem Allgemeinmedizinerin, betreibt eine Apotheke und schützt in ihrer Freizeit den Nebelwald. Hier kommt der deutsche Gast selbst ohne Fremdsprachenkenntnis zurecht.
Im Bergnebelwald Mixnahuac leben unter anderem Gürteltiere, Schlangen, endemische Tlacuache („Virginia Opossum“) und Waschbären. Doch wir sehen in all dem Nebel, zu dem sich obendrein Regen gesellt, nur Vertreter der Flora wie riesige Farne, die „Böse Frau“ (Pflanze heißt so, weil sie sehr dicke Schwellungen verursacht) oder Medizinalpflanzen. Don Veronico zeigt uns den Regenschirm des armen Mannes und lässt mich seine Machete ausprobieren. Allerdings brauche ich zum Zerteilen eines Astes arg viele Hiebe. Auf den Spuren von Hernán Cortez schlägt sich die Wanderelite der Gruppe nun noch eine weitere Stunde durchs Unterholz bis zu einem kleinen Wasserfall. Don Veronico eilt voraus und markiert mit der Machete einen Pfad durch rutschiges Erdreich und Pflanzenwuchs, bei dem wir nicht immer sehen, ob es sich um festen Boden oder Löcher handelt. Wir überqueren dabei zwei Mal einen Bach. Drei oder vier Mal - und damit immerhin noch weniger als die weibliche Konkurrenz in diesem Wettbewerb - verliere ich den Fußkontakt zum Boden und rutsche aus, sodass Hose und Jacke bald komplett verdreckt und klatschnass sind.
Das späte Mittagessen im Berghüttendorf Micoxtla haben wir uns wahrlich verdient. Wir lassen die Henne mit ihren Küken passieren, dann betreten wir die Holzhütte mit Wellblechdach. Dunkel ist es. In einer Ecke sitzt schon Bauer Don Veronico, neben ihm bereiten die zahlreichen Frauen und Mädchen der Großfamilie einfache, aber sehr leckere Speisen zu: Tamales, also in Blätter eingewickelten, unter Dampf gegarten Maisbrei – in einer süßen und einer pikanten Variante. Eine Bohnensuppe mit Blättern darin, alternativ eine Hühnersuppe. Gegrillten Ziegenkäse. Chipotles, die gar nicht mal so scharf waren. Dazu natürlich frische Tortillas (Maisfladen), die folgendermaßen hergestellt werden: Maiskörner werden gekocht, mit wenig Wasser in der Mühle gerieben, dann auf dem Metate (vulkanischer Reibstein) gemahlen, ehe Kalk in die Massa (Teig) geknetet wird. Anschließend werden die Maisfladen so lange zwischen den Händen geklatscht und auf den Tisch geknallt, bis sie flach und rund sind. Nun werden sie auf dem Holzofen erwärmt und mit den Fingern umgedreht. Diese einfachen traditionellen Köstlichkeiten stellen für mich rückblickend das leckerste Mahl auf der ganzen Mexiko-Reise dar, wobei möglicherweise eine Rolle spielt, dass sich die hartgesottenen, völlig durchnässten Wanderer der Gruppe diesen Happen gegen 15 Uhr auch redlich verdient haben.
Frierend und durchnässt wie wir sind, verzichten wir auf einen Stadtbummel im Regen durch das „magische Dorf“ Xico. Nur zum Kleidermuseum der Maria Magdalena machen wir noch einen Abstecher. Jedes Jahr vom 4. bis 31. Juli findet eine Prozession in Xico statt. Während dieser Zeit erhält die fast mannshohe Figur der Maria Magdalena täglich vier verschiedene Kleider. Den Rest des Jahres wechselt sie ihr Kleid wöchentlich. Die Kleider kommen inzwischen aus ganz Mexiko; derzeit reicht die Warteliste für Spender bis ins Jahr 2019. Viele lokale Familien verschulden sich für die Ehre und das Prestige, das mit der Ausstattung der Maria Magdalena verbunden ist. Denn sie müssen das opulente Kleid nicht nur parfümieren und in Schuss halten, sondern auch die Teilnehmer der wöchentlichen Übergabe-Prozession verköstigen. Knapp 900 Kleider sind direkt neben der farbenfrohen Kathedrale, in der gerade Vorbereitungen für eine Kommunion laufen, ausgestellt. Die Tradition gibt es seit mehr als 200 Jahren, die Figur der Maria Magdalena hat angeblich schon mehr als 25.000 verschiedene Kleider getragen.
Chronologie meiner Mexiko-Reise 2016:
Etappe 1: Mexico City mit Teotihuacan
Etappe 2: Danza del Volador: El Tajin und Coatepec
Etappe 4: Am Catemaco-See auf den Spuren von Apokalypto und Medicine Man
Etappe 5: Villahermosa: Olmeken, Nasenbären und Kakao
Etappe 6: Mundo Maya: Palenque, Calakmul und Uxmal
Reise-Bausteine Mexiko in Eigenregie:
* Guadalajara
* Guanajuato
* Auf zu den Mayas: Yucatan-Trip 2012
* Mehr zum Verkehr in Mexiko mit Schwerpunkt auf Guadalajara